«Alles fährt Schi» – auch im Jahr 2030?

Im Rahmen ihres Executive MBA-Studiums an der Hochschule Luzern – Wirtschaft haben Marco Haldi und Marcel Waldis den Wintertourismus unter die Lupe genommen. Ihr Fazit.

  • Tourismusorganisationen, die Hotellerie und weitere Infrastrukturbetreiber, welche durch die Schliessung von Skigebieten betroffen sind, müssen sich durch eine Fokussierung auf neue Kundengruppen und neue Angebote wie beispielsweise schneeunabhängige Sportaktivitäten, Kulinarik, Seminare oder Wellness positionieren.
  • Im Dezember 2015 fiel kaum Schnee und das Wetter war im Januar 2016 viel zu mild. Trotz einsatzbereiter Schneekanonen konnten Talabfahrten und Pisten in niedrig gelegenen Skigebieten nicht beschneit werden.

Der Schlagerhit «Alles fährt Schi» von Vico Torriani bezeichnete in den 1960er-Jahren den Aufschwung des Wintersports in der Schweiz. Während Jahrzehnten stieg die Anzahl der Skifahrer stetig und die Bergregionen entwickelten sich dank dem prosperierenden Wintersport zum treibenden Motor des Schweizer Tourismus. Heute zeichnet sich ein anderes Bild und der Blick in die Zukunft stimmt mehr als nachdenklich.

Die «Skier-Days», als wichtige Messgrösse für die Ersteintritte in Wintersportgebiete von Skifahrern und Snowboardern, sinken in der Schweiz seit 20 Jahren kontinuierlich. Während in der Wintersaison 1993/94 rund 34 Millionen «Skier-Days» registriert wurden, waren es in der letzten Wintersaison 2015/16 nur noch 21,5 Millionen. Dies entspricht einem Rückgang von 37 Prozent oder rund zwei Prozent pro Jahr. Setzt sich dieser Trend bis ins Jahr 2030 fort, ist nochmals ein Rückgang um 20 Prozent zu erwarten. Dies bedeutet, dass im Jahr 2030 mit weniger als 18 Millionen «Skier-Days» zu rechnen ist.

Ein Vergleich der Entwicklung im Alpenraum zeigt, dass Frankreich und Österreich in den letzten Jahren die Anzahl «Skier-Days» halten konnten. Hingegen sind diese nebst der Schweiz auch in Italien rückläufig.

Rückgang des Wintertourismus

Ein wesentlicher Grund für den Einbruch der «Skier-Days» ist auf die tiefere Anzahl der Logiernächte während der Wintermonate zurückzuführen. Die Schweizer verbringen zwar ihre Ferien nach wie vor am liebsten in der Schweiz. Im Jahr 1998 wurden über zehn Millionen Übernachtungen registriert, im 2014 waren es jedoch nur noch 6,5 Millionen Übernachtungen (Bundesamt für Statistik BFS, online). Dieser Rückgang von 35 Prozent konnte durch internationale Gäste in den Sommermonaten annähernd kompensiert werden. Die Nachfrage ging in den Wintermonaten um zwölf Prozent zurück. Zusätzlich sind die Preise für die Skipässe in der Schweiz im internationalen Vergleich überproportional gestiegen. Die Preisschere öffnete sich infolge des starken Frankens seit dem Winter 2008/09 um ungefähr 20 Prozent und sorgt dafür, dass europäische Wintergäste vermehrt in Destinationen im Euro-Raum reisen.

Bergbahnen investierten in den Ausbau

In der Wintersaison 2014/15 betrieben 250 Schweizer Skigebiete insgesamt 1460 Seil-, Gondel- und Sesselbahnen sowie Skilifte. Zehn Jahre zuvor waren 65 Anlagen mehr im Betrieb. Durch die technische Entwicklung und den Ersatz von alten Anlagen erhöhte sich die Förderkapazität pro Stunde in dieser Zeitspanne um 13 Prozent auf 875 000 Personen. Trotzdem sind über 70 Prozent aller Wintersportanlagen bereits älter als 20 Jahre. Rechnet man mit einer Lebensdauer der Bahnen von 25 bis 30 Jahren, besteht ein massiver Investitionsstau.

Nebst der Modernisierung der Anlagen wurde in den letzten Jahren kräftig in die technische Beschneiung investiert. Im Winter 2014/15 konnten 48 Prozent der Pistenflächen in der Schweiz beschneit werden. Verursacht durch den Klimawandel sind zur Gewährung der Schneesicherheit und Pistenqualität weitere Investitionen in die Beschneiung unerlässlich. Somit ist bis ins Jahr 2030 mit erheblichen Investitionen zu rechnen. Durch den negativen Nachfragetrend werden diese Investitionen für viele Bergbahnen zu einer Herkulesaufgabe.

Erschwerend kommt dazu, dass die Mehrheit der Bergbahnen in der Schweiz finanziell auf maroden Fundamenten steht. Eine Analyse der Finanzsituation der Bergbahnen in der Schweiz im Jahr 2013/14 ergab, dass zwei Drittel der Bergbahnen die anstehenden Ersatzinvestitionen nicht aus eigener Kraft finanzieren können (Lütolf & Lengwiler, 2015, S. 83). Wohl oder übel wird es in absehbarer Zukunft zu weiteren Schliessungen kommen.

Ist die Trendwende zu schaffen?

Es steht für den Schweizer Tourismus viel auf dem Spiel – die Wintersportbranche ist gefordert. Ohne Innovationen und Mut zu unkonventionellen Entscheidungen werden viele Skigebiete bis ins Jahr 2030 den Hauptschalter der Bahnen betätigen müssen. Um dieser düsteren Entwicklung zu entgegnen, dienen folgende Denkanstösse als Impulse:

  • Bereitschaft zur Strukturbereinigung: Kleinere und unrentable Skigebiete müssen geschlossen werden. Dadurch kann eine Konzentration auf betriebswirtschaftlich ertragsreiche Skigebiete erfolgen. Dabei sind überregionale Denkmuster zu etablieren, weil die Konkurrenz nicht der unmittelbare Nachbar ist, sondern Skigebiete im ganzen Alpenraum.
  • Konsequente Positionierung auf Gästegruppen: Die Nachfrage erfolgt immer mehr zielgruppenspezifisch. Daher ist die konsequente Ausrichtung auf Zielgruppen wie Familien, aktive Skifahrer, Senioren oder Ruhesuchende entscheidend. Es gilt, dass Destinationen eine Strategie konsequent umsetzen. Alle Leistungserbringer müssen sich daran orientieren – so kann eine erfolgreiche Positionierung der Destination erreicht werden.
  • Kombinierte Angebote in der Destination: Gesamtpakete liegen im Trend, welche dem Gast kalkulierbare Urlaubskosten bieten. Dabei müssen alle Leistungserbringer wie Bahnen, Hotellerie, Gastronomie oder Infrastrukturbetreiber am gleichen Strick ziehen und auf die Zielgruppe ausgerichtet werden. Kombinierte Angebote sprechen Gäste an. Erste Ansätze in diese Richtung sind beispielsweise in Arosa zu erkennen. Die Kombination von Übernachtung und Skiunterricht für Kinder wird seit der Wintersaison 2012/13 angeboten. Dabei ist der Skiunterricht für die Kinder in ausgewählten Hotels inklusive.
  • Von der Konkurrenzhaltung zum Kooperationsdenken: Zur Senkung der Kosten und Schaffung von Synergieeffekten führt eine überregionale Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern zum Erfolg. Durch Kooperationen und Einkaufsgemeinschaften mit anderen Unternehmen lassen sich Kosten senken. Destinationen wie Grächen oder Frutigland sowie innerhalb der Seilbahnbranche POOL Alpin Schweiz haben solche Kooperationen umgesetzt.
  • Flexibleres Pricing der Skipässe: Die Preise der Skipässe orientieren sich an der effektiven Nutzungszeit und bieten dem Wintersportler eine hohe Flexibilität in seiner Freizeitgestaltung, wie das Angebot von «Skioo», welches bereits mit 55 Skigebieten in der Schweiz kooperiert.

Damit die «Skier-Days» sich positiv entwickeln und der Schlagerhit «Alles fährt Schi» im Jahr 2030 immer noch gespielt wird, müssen die Bergbahnen und Touristiker umdenken. Die Trendwende muss mit geeigneten Massnahmen und mutigen Lösungen erzielt werden. Ansonsten wirkt sich die negative Nachfrage erdrückend auf die Wintersport-Destinationen in der Schweiz aus.

(Marco Haldi, Marcel Waldis)