Die Mitarbeiter selber formen

Fehlende berufliche Perspektiven – für viele ist das ein Grund für einen Stellenwechsel. Umsichtige Unternehmer wirken dem entgegen und bauen sich ihren Mitarbeiterstab der Zukunft langfristig auf.

Gute Personalentwicklung macht glücklich. Den Mitarbeitenden, weil er gefördert wird. Den Chef, weil er qualifizierte, betriebstreue Angestellte hat. Den Gast, weil er von motivierten Teams professionell bedient und umsorgt wird. (ZVG)

Jeweils Ende Jahr oder  Ende Saison finden die Qualifikationsgespräche statt. Dabei wird entweder der Grundstein für die weitere Zusammenarbeit gelegt oder der Anstoss zu einer Trennung gegeben. Gemäss dem L-GAV-Monitoring sind die Hauptgründe für einen Jobwechsel Unzufriedenheit mit dem Lohn, der Arbeit und den Arbeitszeiten, mangelnde Wertschätzung durch den Chef, aber auch fehlende berufliche Perspektiven innerhalb des Betriebes. Die Kündigung eines Mitarbeitenden ist für einen Betrieb immer mit zusätzlichen Kosten (Rekrutierung, Einarbeitung) und einem Know-how-Verlust verbunden. Als ob der Mehraufwand nicht schon schlimm genug wäre, wird das Finden neuer Mitarbeitender laufend schwieriger. In verschiedenen gastgewerblichen Berufen verschärft sich der Fachkräftemangel zusehends.

Um das Gespenst «Fachkräf­te­mangel» zu vertreiben, arbeiten vor allem personalintensive Unternehmen daran, motivierte und fachlich gute Mitarbeitende zu halten. Dies tun sie zum Beispiel, indem sie Mitarbeitende durch geeignete Personalentwicklungsmassnahmen fördern und bei Karriere­schritten unterstützen.

Bei den Accor Hotels wird bereits bei der Rekrutierung neuer Mitarbeitender versucht, Angestellte zu finden, mit denen eine langfristige Zusammenarbeit möglich ist. Dabei wird mehr darauf geachtet, dass Motivation und Einstellung der Jobkandidaten zur Unternehmensphilosophie der Accor Hotels passen, als dass die Bewerber das Anforderungsprofil zu 100 Prozent erfüllen. Allfällige Wissenslücken werden durch karrierefördernde Aus- und Weiterbildung während der Anstellung gefüllt.

Seit 1985 betreibt Accor Hotels deshalb eine eigene Akademie. Weltweit verfügt der Hotelkonzern über 18 Camps für 74 Länder. Es werden 300 Lernmodule in 20 Sprachen angeboten. In der Schweiz besteht eine Zusammenarbeit von Accor Hotels mit der École hôtelière de Lausanne für die Ausbildung von Hotellerie-Experten. International bestehen zusätzlich Partnerschaften und Programme wie beispielsweise das International Hospitality Program (IHMP) oder ein MBA-Programm zur «School of Excellence». Sie ist eine Weiterbildungsmöglichkeit der Hotelmarken Sofitel, Pullman und MGallery für Absolventen der Hotel-Management-Ausbildung.

Frauenförderung und Karriere-Netzwerkplattform

Zur speziellen Förderung der Mitarbeiterinnen gibt es das Netzwerkprogramm «Women at Accor Generation», und ein internationales Team kümmert sich um die Vermittlung von passenden Stellen für Mitarbeitende, die im Ausland arbeiten möchten.

Neben den Schulungsmöglichkeiten und beruflichen Fördermassnahmen bietet Accor seinen Angestellten auch die Option, sich auf eigene Faust weiterzuentwickeln. «Auf unserem Intranet ‹Accor Live› und dem Social Network ‹Yammer› bieten wir Plattformen, um ständig neue Karrieremöglichkeiten und Kollegen zu entdecken», sagt Daniela Chiani von der Pressestelle der Accor Hotels.

«Wenn wir gegen die Mitbewerber im Ausland, die 20 Prozent billiger produzieren können, bestehen wollen, geht das nur über die Leistung. Dazu brauchen wir topqualifizierte und motivierte Mitarbeitende», sagt Daniel Grünenfelder. Er ist CEO der Tamina Therme AG und Director Human Resources Corporate der Grand Resort Bad Ragaz AG. In dieser Funktion ist er für das berufliche Wohl von über 700 Angestellten in 60 Berufen zuständig.

Einkaufen oder selber machen

Obschon die Grand Resort Bad Ragaz AG mit ihren Hotels, Restaurants, dem Thermalbad, dem Casino und den Golf- und Tennisplätzen ein interessanter, vielseitiger Arbeitgeber ist, macht sich auch hier in gewissen Bereichen der Fachkräftemangel bereits bemerkbar. «Gute Köche zu finden, geht momentan noch, aber es wird zunehmend schwieriger. Das Hauptproblem besteht heute aber darin, gute Kaderleute zu rekrutieren, die mindestens dreisprachig sind», sagt Daniel Grünenfelder. Er nennt zwei Hauptgründe:

  • Durch die demografische Entwicklung gibt es generell weniger Berufsnachwuchs. Da nicht jeder für eine Führungsposition geeignet ist, nimmt auch die Zahl der potenziellen Nachwuchskräfte ab.
  • Gut ausgebildete, sprachgewandte, dienstleistungsorientierte, ans Anpacken gewöhnte Kaderleute aus dem Gastgewerbe sind in anderen Branchen gern gesehene Arbeitskräfte. Ihnen werden Löhne geboten, bei denen Hotels nicht mithalten können.

«Der Kampf der Angler um die  stetig weniger werdenden Fische im Teich wird immer härter», prognostiziert der HR-Leiter. «Wir im Gastgewerbe haben eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder kaufen wir hochqualifizierte Mitarbeitende teuer ein oder wir bilden die Leute selber aus.» Natürlich bestehe auch dann das Risiko, dass die gut geförderten Mitarbeitenden in andere Branchen abwandern. Gleichzeitig steige aber auch die Chance, dass es ihnen gerade wegen der gebotenen Entwicklungsmöglichkeiten so gut in der Branche und im Betrieb gefalle, dass der Lohn zweitrangig werde und sie im Betrieb bleiben.

Erfolgreiche Betriebe als Vorbild

Eine weitere Massnahme, um gute Mitarbeitende anzuziehen, ist, selber erfolgreich zu sein. Das kann Daniel Grünenfelder bestätigen: «Menschen arbeiten gerne für erfolgreiche Betriebe, nicht aber für Verlierer.» Mit anderen Worten: Ist ein Mitarbeiter stolz auf den Betrieb, in dem er arbeitet, ist der Verdienst plötzlich nicht mehr so wichtig. Der Stolz allein, in einem erfolgreichen Betrieb zu arbeiten, macht aber auf Dauer nicht glücklich.

Im Grand Resort Bad Ragaz werden den Mitarbeitenden deshalb verschiedene Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung geboten. Sei es mit internen Weiterbildungskursen und eigenen Lernvideos, sei es mit Praktika in anderen Abteilungen und Partnerbetrieben oder sei es mit der Academy of Excellence. Diese Akademie befindet sich auf dem Areal des Resorts. Sie bietet Lehrgänge im Bereich Management und Leadership für Hotellerie und Tourismus auf den Stufen Certificate of Advanced Studies (CAS), Master of Advanced Studies (MAS) und Executive Master of Business Administration (EMBA). Zusätzlich zu diesem Angebot verfügt das Resort mit Edith Kohler über eine ausgebildete Personalentwicklerin und Coaching.

Gut begleitet, von der beruflichen Grundbildung bis zur Pension

Natürlich kann nicht jeder Betrieb mit so einer Infrastruktur aufwarten. Muss er auch nicht. Personalentwicklung kann mit weniger Aufwand betrieben werden. Daniel Grünenfelder macht ein Beispiel aus seinem Alltag: «Fängt ein neuer Mitarbeiter – egal ob Lernender, Praktikant oder vollwertiger Mitarbeiter – bei uns an, erhält er einen Götti. Dieser unterstützt den Neuling so, dass dieser sich rasch und gut in den Betrieb und ins Team einlebt.» Der Mentor steht dem Neuling auch nach der Einarbeitungszeit noch als eine Art Vertrauensperson zur Seite. Gerade für junge Berufsleute ist das Amt als Götti eine erste Chance, Führungserfahrung zu sammeln.

Rochaden und Wanderjahre

Wo immer möglich, versucht die HR-Abteilung für die Mitarbeitenden die nächsten Karriere­schritte innerhalb des Resorts zu finden und längerfristig zu planen. «Es geht darum, ihnen Perspektiven zu bieten.» Als Beispiel nennt Daniel Grünenfelder die Pensionierung einer Mitarbeiterin der Administration. Sie geht 2018 in Rente. Schon jetzt ist klar, dass sie durch eine Mitarbeiterin aus der Therme und diese wiederum durch jemanden aus dem Marketing ersetzt werden wird. Bis 2018 werden die entsprechenden Personen für ihre neuen Aufgaben aus- und weitergebildet.

«In diesem Fall ist es uns gelungen, kaskadenartig insgesamt vier Mitarbeitenden im eigenen Betrieb neue Perspektiven zu ermöglichen», freut sich Daniel Grünenfelder. Dies sei allerdings nicht immer möglich und auch nicht immer sinnvoll. «Es gibt Situationen, in denen es für das persönliche und berufliche Vorwärtskommen des Mitarbeitenden wichtig ist, in anderen Häusern oder Ländern Erfahrungen zu sammeln.» Dank Partnerschaften mit anderen Hotels und einem guten Netzwerk könne man die Angestellten auch bei ihren Lehr- und Wanderjahren  unterstützen. Sie also quasi an der langen Leine führen, in der Hoffnung, dass sie irgendwann wieder nach Bad Ragaz kommen.

Talente beobachten

«Wichtig ist uns, dass die gut qualifizierten Mitarbeitenden wissen, dass wir uns freuen, wenn sie eines Tages in unseren Betrieb zurückkommen.» Dafür hat der HR-Direktor im Resort ein «Talent Watch Program» eingerichtet. Im Rahmen dieses Programms behält man 20 bis 30 ehemalige, talentierte und für den Betrieb weiterhin spannende Mitarbeitende im Blick. Man bleibt mit ihnen in lockerem, informellem Kontakt und informiert sie, wenn eine für sie interessante Stelle im Grand Resort Bad Ragaz frei werden sollte. «Diese Aufgabe wird nicht vom Personalbüro aus erledigt, sondern von Mitarbeitenden, die zu den Ehemaligen ein besonders gutes Verhältnis haben. Das kann der ehemalige Vorgesetzte, der Götti oder ein Teamkollege sein», erklärt Daniel Grünenfelder.

Ob neue, bestehende oder wiederkehrende Mitarbeitende – wer in den Genuss von Förderung kommen will, muss sich in der Praxis bewähren. Daniel Grünenfelder hat für ehrgeizige Berufsleute, die gefördert werden möchten, folgende Tipps parat:

  • Schaff dir auf deinem Gebiet einen guten Namen.
  • Werde zur Marke und mach durch Leistung auf dich aufmerksam.
  • Zeig Interesse, Motivation und Durchhaltevermögen.
  • Sei geduldig. Betriebe haben wenig Interesse, Jobhopper zu fördern.

(Riccarda Frei)