Diese Hotels sind jetzt E-Tankstellen

Immer mehr Elektroautos und E-Bikes rollen durchs Land. Das weckt neue Gästebedürfnisse und eröffnet Gastgebern gleichzeitig Geschäftsmöglichkeiten.

Im «Suvretta House», St. Moritz, werden die Gäste in einem Tesla
Model S chauffiert. Wer mit dem eigenen Elektromobil anreist, kann kostenlos Strom aus 100 Prozent Schweizer Wasserkraft tanken. (Suvretta House)

Früher wurden in Gasthäusern ermüdete Postkutschenpferde ausgewechselt; heute leere Akkus von Elektroautos und E-Bikes. Eines ist aber gleich geblieben: Solche Stopps sind für Gastgeber eine gute Möglichkeit, Zusatzgeschäfte und neue Kunden zu generieren. Hotels und Restaurants können ihren  Bekanntheitsgrad erhöhen. Sie können ihren Gästen ohne Mehraufwand und grössere finanzielle Investition einen Service bieten, der immer öfter nachgefragt werden wird. «Die Elek­tromobilität spielt in Zukunft eine wichtige Rolle», ist Mathias Zopfi, Braunwalds Gemeinde-Vizepräsident, überzeugt. In der Destinationsentwicklungsstrategie ist umweltfreundliche Mobilität deshalb ein zentraler Baustein.

Zwei PS mit Hybrid-Antrieb

Der Strategie entsprechend gibt es seit Juli in Braunwald ein öffentliches Elektro-Taxi. Ab Herbst soll hier auch die erste E-Kutsche in der Deutschschweiz zum Einsatz kommen. Sie funktioniert mit Hybrid-Antriebssteuerung und Zugkraftmessung. Je steiler das Gelände oder je schwerer die Transportlast, desto mehr unterstützt ein Elektromotor die vor die Kutsche gespannten Pferde. Beim Abwärtsfahren wird die Bremsenergie zu 50 Prozent zurückgewonnen. Die E-Kutsche soll für Ausflugsfahrten, Gäste­abhol- und Gepäcktransportdienste, aber auch für kommunale Aufgaben wie Abfallsammlung oder Grünflächenpflege eingesetzt werden. Noch ist der Verein «Bruwald Mobil» daran,  60 000 Franken für den Kutschenkauf zu sammeln.

Laden ohne Hemmung

Als erste Destination hat die Tourismusregion Braunwald/Glarus Süd ein Netz aus dreizehn Ladestationen für E-Autos geschaffen. Es handelt sich um zehn Ladepunkte des Repower-Netzwerks «Plug’n Roll» sowie drei Tesla Destination Charger.

Mit der Ausrichtung auf E-Mobilität und dem Schaffen entsprechender Dienstleistungen ist Braunwald/Glarus Süd auf einem guten Weg. Seit 2014 ist die Zahl der Elektroautofahrer nämlich um 70 Prozent gestiegen. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Karl Thoma, Produktmanager  «Plug’n Roll», sagt: «Einst war es ein besonderer Service, im Hotel WLAN zu haben. Heute ist es ein Muss. Im Bereich der Elektromobilität ist eine ähnliche Entwicklung nicht nur denkbar, sondern sehr wahrscheinlich.» Ähnlich sieht hotelleriesuisse Graubünden die Situation. Anfang 2016 rät der Verband in seinem Mitglieder-Newsletter: «In Zukunft werden immer mehr Gäste mit Elek­troautos unterwegs sein. Rüsten Sie sich rechtzeitig für diese neuen Kundenansprüche.»

Hotels und Restaurants werden zu Strom-Tankstellen

Sowohl Repower wie auch der  Elektroautomobilhersteller Tesla möchten verstärkt mit Hotels und Restaurants kooperieren, um ein möglichst dichtes Netz an Stromtankstellen aufzubauen. «Aktuell arbeiten wir mit rund 20 Hotels zusammen, allerdings wächst diese Zahl schnell und stetig an», sagt Samy Abdel Aal, Communications Coordinator bei Tesla Motors. Hier gibt es zwei Kooperationsmodelle: Destination Charger für gut frequentierte Betriebe an Orten, wo Gäste gerne verweilen, und Supercharger für Betriebe, die zwingend an Hauptverkehrsrouten liegen müssen.

Ein gutes Beispiel für eine Partnerschaft mit Tesla ist das «Suvretta House», St. Moritz. Es verfügt über zwei Ladestationen für Gäste, die mit dem eigenen Elek­troauto anreisen. Das Aufladen ist noch kostenlos. Zudem chauffiert das «Suvretta House»  seine Gäste im hoteleigenen Tesla Model S durch St. Moritz.  

Damit die Gäste selbst einmal am Steuer eines Tesla sitzen können, organisiert das Hotel in Zusammenarbeit mit Tesla Motors an bestimmten Daten 30-minütige Testfahrten.

E-Auto-Testfahrt ist in der Übernachtung inbegriffen

Diesen Sommer wurde zum ersten Mal ein «Tesla Driving Experience»-Package geschnürt. Den Gästen, die dieses Package gebucht haben, stand ein Tesla Model S vier Stunden lang zur freien Verfügung. Ähnliche Packages bieten die Victoria-Jungfrau Collection Hotels (VJC) an. Sie arbeiten dazu mit der Autovermietung Europcar zusammen.

E-Mobilität ist bei vielen Hotelgruppen ein Thema. Die Sunstar Hotels haben alle Tiefgaragen in der Schweiz mit Aufladestationen für Elektroautos ausgestattet. «Das Stromtanken ist gratis. Man zahlt jedoch die Garagenplatz-Miete in der Höhe von 10 Franken im Sommer und 15 Franken im Winter», erklärt Katja Lemmler, Medienverantwortliche der Sunstar Hotels.

Ihr Auto gratis ans Stromnetz hängen, können die Übernachtungsgäste des Romantik Hotels Schweizerhof in Flims. «Passanten, die etwas konsumieren, dürfen ebenfalls gratis auftanken», sagt Hoteldirektorin Sandra Schmidt. Dank Listings als E-Tankstelle in verschiedenen Online-Plattformen, Ladestationen-Such-Apps und einer Kooperation der Romantik Hotels Schweiz mit Tesla haben schon einige Durchreisende im «Schweizerhof» einen Tank-Stopp eingelegt. «In der Strom-Ladezeit genossen die Gäste den Hotelgarten oder ein feines Znacht.» Zeit dafür bleibt genug. Ein komplettes Laden der Tesla-Batterie dauert zwischen vier und acht Stunden.

Die USA haben die Route 66, die Schweiz hat die Route 99

Dass nicht nur Vier- und Fünfsternehotels an touristischen Hotspots vom E-Mobil-Trend profitieren, zeigt sich auf der Herzroute. Die als Radwanderroute 99  gelistete Strecke führt vom Bodensee durch ländliche Gebiete bis zum Genfersee. Entlang der Route dienen 300 Partner, darunter viele Gaststätten als Infostelle oder Akkuwechselstation. Simon Brüllisauer, Geschäftsführer von Herzroute, erklärt: «Die Akkuboxen der Miet-Flyer dürfen kostenlos ausgetauscht werden. Der Partnerbetrieb hat dementsprechend genügend geladene Boxen auf Vorrat.» Diese werden den Partnern gratis zur Verfügung gestellt.

Selbst Gäste, die mit dem eigenen E-Bike auf der Herzroute fahren, dürfen ihre Akkus kostenlos aufladen. «Eine Stromladung kostet pro Akkubox  rund 10 Rappen. Dieses Stromsponsoring ist rasch amortisiert.» Die meisten E-Velofahrer füllen nämlich ihre körper­eigenen «Akkus» auch gleich auf. Während der mehrtägigen Touren logieren sie zudem in den Landgasthöfen.

(Riccarda Frei)


Mehr Informationen

<link http: www.repower.com>www.herzroute.ch
www.teslamotors.com
www.repower.com


Zahlen und Fakten

Seit 2014 ist die Zahl der E-Autofahrer um rund 70 Prozent gestiegen.

In der Schweiz gibt es 5,8 Millionen Autos. 1 Prozent davon sind Hybrid- und Elektrofahrzeuge.

10 Rappen kostet der Strom fürs Aufladen einer E-Bike-Akkubox.

Pro Jahr befahren 25 000 E-Biker die Herzroute. In 13 Etappen führt sie vom Boden- bis zum Genfersee. Die Route ist 720 Kilometer lang.

Vier bis acht Stunden dauert das vollständige Laden einer Elektroauto-Batterie.