«Es interessiert mich nicht, wer unter mir Direktor ist»

30 Jahre lang prägte er die SHL wie kein Zweiter: Perfektion ohne Pardon. Jetzt wird Wein-Legende Christian Baur pensioniert. Eine Hommage.

Christian Baur schliff hunderte von SHL-Absolventen zu Gastro-Diamanten. (ZVG)

Würste, Champagner und eine kurze Ansprache. Mehr wollte Christian Baur für seine Abschiedsfeier an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern SHL nicht. Mehr gestattete er nicht. Ein letztes Mal noch diktierte er die Regeln, ehe er Ende Juni nach dreissig Amtsjahren in Pension ging. SHL-Direktorin Christa Augsburger wünschte ihm Gelassenheit und Gesundheit. «Gelassenheit», erklärt sie, «bedeutet für mich loslassen, zulassen, ablassen. Das ist nicht leicht, wenn man sich so ein Lebenswerk aufgebaut hat.»

Christian Baur verschrieb sich mit Leib und Seele seiner Tätigkeit an der SHL, wo er das Semester Restauration leitete. Ganz nach alter Schule erzog er hunderte Absolventen zur Perfektion, tolerierte keine dunkelblauen Socken und keine Bartstoppeln. «Am zweiten Tag bei ihm schickte er mich zum Schuhekaufen, weil sie nicht komplett schwarz waren», erinnert sich der Zürcher Gastronom Michel Péclard. «Als ich ihm sagte, dass ich die Schuhe eben erst für 350 Franken gekauft hatte, was viel Geld für mich war, erwiderte er: ‹Machen Sie Ihre Probleme nicht zu meinen.›»

Die Suche nach dem falsch ausgerichteten Rahmdeckeli

Wer von Baur beim Rauchen erwischt wurde, zahlte in die legendäre Sparkatze ein. Wer ein nicht tadellos gebügeltes Hemd trug, erhielt fünf Minuten Zeit, den Makel zu beheben. Schaute beim Anrichten des Frühstücks im Speisesaal ein Rahmdeckeli nicht nach aus­sen – Baur bemerkte es gewiss und liess die gesamte Klasse stundenlang nach dem Fehler suchen. Kein Pardon, keine Widerrede, nichts liess er gelten. «Ich weiss noch, wie er einmal mitten in einer Prüfung eine Blitzprüfung einschob», erzählt Péclard-Stellvertreter Florian Weber. «Zusätzliche Zeit erhielten wir dafür nicht.» Jedermann habe gewusst: Wer Baurs Semester übersteht, besteht die SHL. Weber überstand Baur und doziert heute an der SHL Finanzbuchhaltung.

Umso verblüffender ist die Tatsache, dass sämtliche von der Hotellerie Gastronomie Zeitung befragten Personen ein äusserst positives Fazit über Baur ziehen. «Christian hinterlässt eine gewaltige Lücke», ist Péclard sicher. «Er prägte das Renommee der Schule wie kein Zweiter. Es tat jedem seiner Schüler gut, an die Schmerzgrenzen und darüber hinaus zu gehen. Dinge zu akzeptieren, weil es der Chef so wollte.» Dass gewisse Vorschriften und Abläufe nicht mehr zeitgemäss seien, stehe ausser Frage. Dennoch sei es ein Gewinn, einmal die piekfeine, überkorrekte Weise kennen gelernt zu haben.

Christian Baur hat seine Wegbegleiter nicht nur mit der gnadenlosen Art und Sprüchen wie «Es interessiert mich nicht, wer unter mir Direktor ist» beeindruckt, sondern ebenso mit seinen Önologie-Kenntnissen und seinem Einfluss in der hiesigen Weinszene. «Er weiss alles über Wein», hält Marcel Gabriel fest, der von Baur die Önologie-Schulung übernimmt, während Silvio Tschudi für den Bereich Gastronomie verantwortlich sein wird. Gabriel: «Christian Baur ist dafür verantwortlich, dass es sich heutzutage für den Gast im Restaurant lohnt, einen teuren Wein zu bestellen.»

Der Einfluss von Weinliebhaber Baur auf die Preispolitik

Während die Flasche früher jeweils mit der Faktor-Rechnung zum dreifachen Einstandspreis auf der Weinkarte stand, bieten mittlerweile zahlreiche Gastronomen ihre Weine mit einem für alle Flaschen gleichen Zuschlag an. «Das macht absolut Sinn», meint Gabriel. «Schliesslich ist die Arbeit für den Betrieb immer dieselbe, egal wie teuer die Flasche ist.» Die Leidenschaft für den Wein will Gabriel von Baur adaptieren. «Seine Passion hat mich schon immer stärker beeindruckt als seine Sprüche.»

Am 24. Dezember wird Christian Baur 65-jährig. Als grosszügige Geste wird er von seinem langjährigen Arbeitgeber bis zum Jahresende vollumfänglich entlöhnt. Obendrauf erhält er eine Woche Wellnessferien im Fünfsternehotel Klosterbräu im österreichischen Seefeld, das vom SHL-Absolventen Alois Seyrling geführt wird.

Wer kontrolliert nun die Socken?

Auf einen direkten Nachfolger verzichtet die Hotelfachschule bewusst. «Christian kann niemand ersetzen», sagt Direktorin Augsburger. «Die Fussstapfen sind viel zu gross. Der Nächste könnte nur verlieren.» Entsprechend wurde die Ausbildung neu gegliedert. Und wer kontrolliert künftig Socken und Hemden? «Das werde teilweise ich sein», bestätigt Tschudi lachend. «Die fordernde Art und den unermüdlichen Einsatz will ich mir von Christian Baur abschauen.»

Was Christian Baur selbst zu seiner Pensionierung sagt, lesen Sie am Donnerstagnachmittag auf <link http: www.hotellerie-gastronomie.ch>www.hotellerie-gastronomie.ch.

(Benny Epstein)


Mehr Informationen über die Schweizerische Hotelfachschule Luzern:

<link http: www.shl.ch>www.shl.ch