Eurokurs: Naiver Gastro-Nachwuchs?

Bei der detaillierten Analyse des Lehrlingsbarometers fällt auf, dass die Jungen keine Euro-Sorgen kennen.

Sorglos unterwegs: Jung-Gastronomen erkennen kein Euro-Problem. (Keystone)

Welchen Einfluss hat der Eurokurs auf Ihre tägliche Arbeit? Wie schätzen Sie den Einfluss des Eurokurses auf die gesamte Branche ein? Diese beiden Fragen stammen aus dem aktuellen Lehrlingsbarometer. Die gegebenen Antworten erstaunen. Keinen oder nur einen geringen Einfluss spüren die Lernenden bei der täglichen Arbeit. Und auch bei der Frage nach dem Einfluss auf die gesamte Branche lautet die meistgewählte Antwort: «Der Einfluss ist gering.»

Einzig jener Teil des Nachwuchses der Gastrobranche, der eine kaufmännische Ausbildung absolviert, glaubt mehrheitlich, dass es vermehrt zum Stellenabbau kommen wird und dass eine gute Ausbildung je länger umso wichtiger sei.

Wird die schwierige Situation in den Schulen schöngeredet?

Ist die Mehrheit der Lernenden derart naiv? Oder wird den Jungen in der Schule die schwierige Situation schöngeredet? «Die Lernenden machen sich tatsächlich sehr wenig Gedanken darüber», bestätigt Gibb-Berufsschullehrer Erwin Mumenthaler. «Die prekäre Lage ist bei den Jugendlichen nicht angekommen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies in anderen Regionen der Schweiz anders aussehen könnte, wo der Tourismus mehr als Magnet wirkt als hier in der Stadt Bern.»

Die Hotellerie Gastronomie Zeitung hat bei Jungtalenten nachgehakt, die in Grenznähe arbeiten und das Euro-Problem eigentlich spüren müssten. Raphael Röthig, der in der Region Schaffhausen arbeitete und zurzeit in Australien eine Weiterbildung absolviert, meint: «Die Lehrlinge machen sich zu viele Gedanken zum Eurokurs. Ich finde, wir in der Schweiz haben genug Gäste.» Florian Nägelin, der in der Brüderli-Gastronomie in Pratteln/BL im dritten Lehrjahr als Koch EFZ steckt, sagt: «Wir haben immer noch genauso viele Gäste und Bankette wie vorher. Ich denke, dass der Eurokurs bei meinem Betrieb nicht viel ausmacht.»

Es sind Aussagen, die Roger Augsburger irritieren. Er arbeitet beim Amt für Berufsbildung des Kantons Zug und ist da Leiter Ausbildungsberatung. «Aus meiner Sicht machen sich die Schüler zu wenig Gedanken. Würde man die Berufsbildner und die Patrons befragen, käme ein ganz anderes Resultat heraus», ist Augsburger überzeugt.

Rückläufige Vertragsabschlüsse: Lernende sind direkt betroffen

Wie sieht denn die Realität tatsächlich aus? «Sicherlich hat der Eurokurs Einfluss auf den Tourismus, die Hotellerie und Gastronomie, vor allem in den Tourismus- und in den Grenzkantonen», so Augsburger. Die Lernenden seien sogar direkt betroffen: «Man kann das an den abgeschlossenen Lehrverträgen in diesen Kantonen beobachten. Die Abschlüsse sind rückläufig. Im Kanton Zug macht sich das jedoch nicht so stark bemerkbar, die Zahlen sind stagnierend.»

Während die meisten Erwachsenen wohl kein Verständnis für diese jugendliche Sorglosigkeit aufbringen können, stellt sich Stefan Unternährer, der stellvertretende Geschäftsführer der Hotel & Gastro Union, schützend vor den Nachwuchs. Die Befragten hätten nicht mal Unrecht, findet Unternährer: «Die Aufwertung des Frankens durch den Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vom Januar 2015 hat im Schweizer Gastgewerbe grosse Verunsicherung ausgelöst. Tatsächlich sind die Übernachtungen aus dem Euroraum in der Folge auch zurückgegangen. Aus heutiger Sicht kann man aber sagen, dass sich der SNB-Entscheid auf das Schweizer Gastgewerbe weniger gravierend ausgewirkt hat, als dies im ersten Schock befürchtet wurde.»

Nur der persönliche Einkauf ist günstiger

Wesentliche Ursachen hierfür lägen darin, dass sich der Eurokurs bei 1.08 Franken stabilisiert habe und die Teuerung im EU-Raum in den letzten Jahren stets höher ausgefallen sei als in der Schweiz. Zudem konnte der Schweizer Tourismus den Gästerückgang aus dem EU-Raum teilweise durch das Gewinnen neuer Gästesegmente kompensieren. «Aktuell kann man sagen, dass die Euroschwäche respektive die Frankenstärke nicht mehr die grösste Herausforderung ist, mit der sich das Schweizer Gastgewerbe konfrontiert sieht.»

Ganz unrecht haben die Lernenden also nicht. Früher oder später dürften aber jene in den Grenzkantonen merken, dass der Vorteil des günstigen, persönlichen Einkaufs ennet der Grenze gleichzeitig ein grosser Nachteil für die Branche ist. 

(Benny Epstein)


Milliarden ins Ausland

Euro-Problem – Ja oder Nein? Sascha Schwarzkopf, Leiter Wirtschaftspolitik von Gastrosuisse: «Allein durch Gas­tro-Tourismus fliessen jährlich rund 4 Milliarden Franken ins nahe Ausland ab.»