Kochen mit Sonne

Für alte Kulturen war die Sonne ein Gott. Heute ist sie eine Energiequelle – auch zum Kochen ohne Strom oder Feuer.

  • Auf einem Autodach kann man keine Spiegeleier braten, aber mit einem Parabolspiegelkocher. Bei 200 Grad kann man damit sogar backen und frittieren.
  • Kochen mit Sonnenlicht und Parabolspiegel.

Die Sonne ist der Stern, welcher der Erde am nächsten liegt. Sie beeinflusst den Tagesablauf, spendet Wärme und Licht. Sie lässt Pflanzen wachsen und macht Farben sichtbar. Kein Wunder haben alle alten Kulturen – von den Ägyptern über die Griechen, Römer und Kelten bis zu den Inkas – die Sonne angebetet. Und noch im 17. Jahrhundert liess sich Ludwig der XIV. (1638– 1715) in Frankreich als gottähnlichen Sonnenkönig verehren.

Die Kraft der Sonne fasziniert auch heute noch. So hat wohl jeder Pfadfinder oder Camper schon versucht, mit einer Linse und gebündelten Sonnenstrahlen ein Lagerfeuer zu entfachen. Oder auf einem von der Sonne aufgeheizten Autodach ein Spiegelei zu braten. Letzteres wohl erfolglos, da das Autodach zu wenig heiss wird. Ausserdem kommt, wenn das Ei erst einmal auf dem Dach liegt, keine neue Wärmeenergie von unten hinzu. Darum bleibt das Ei ungebraten. Auch wenn dieser Kochmythos nun zerstört ist, die Sonne ist trotzdem das älteste Kochutensil.

Die ersten Menschen legten Früchte und Samen zum Trocknen an die Sonne, lange bevor sie auf die Idee kamen, mit Feuer zu kochen. Laut Paläontologen soll der Homo erectus um 790 000 vor Christus bewusst angefangen haben, Feuer zum Garen von Speisen einzusetzen. Geprägt durch die ersten Kocherfahrungen wurde der Mensch zur fast einzigen Spezies, die den Geruch von «verbranntem» Fleisch appetitanregend findet. Ähnlich angenehm soll Grillduft nur für Wespen sein.

Sonnengereift, -getrocknet und -gekocht

Noch heute werden weltweit Lebensmittel in die Sonne gelegt, um sie haltbar zu machen. «Sonnengetrocknet» gilt mittlerweilen als Prädikat für qualitativ hochstehende, auf natürliche, traditionelle oder regionaltypische Art konservierte Produkte. Besonders, wenn diese zuvor in der Sonne reifen durften. Vielleicht steht der Begriff «sonnengekocht» dereinst als Qualitätsangabe für eine besonders umweltfreundliche, nachhaltige Kochmethode? Und «Solares Kochen» für einen neuen Küchentrend? Die Zeichen dafür stehen gut.

Gibt man bei Google den Suchbegriff «solar cooking» ein, erhält man über 9.1 Millionen Ergebnisse. Darunter viele Produzenten von Solarkochern, aber auch Umweltschutz- und Entwicklungsorganisationen. Eine davon ist Ades – Association pour le Développement de l’Energie Solaire Suisse. Die Organisation setzt sich für solares und energiesparendes Kochen in der Schweiz und in Madagaskar ein. Ades-Mitarbeitende leisten Überzeugungsarbeit, führen Kochdemonstrationen durch und bieten modulare Umweltbildungskurse für Schulklassen auf verschiedenen Bildungsstufen an. In Zusammenarbeit mit der Schreinerei Sommer Holzwerkstatt in Rifferswil und der Institution Einstieg in die Berufswelt in Baar lässt Ades sogar eigene Solarkocher in zwei Grössen herstellen.

«Solar cooking» wird massentauglich «Aktuell sind wir an der Umsetzung eines Projekts in der Region Fort Dauphin im Süden von Madagaskar. Es geht darum, 21 Schulkantinen mit Solarkochern auszustatten», sagt Ades-Sprecherin Evelyn Rieseberg. Rund 7000 Kinder sollen dort jeden Mittag bekocht werden. Dazu werden insgesamt 106 Solarkocher installiert.

Mit dem Einsatz von Kochern, die alleine durch die Sonnenwärme beheizt werden, soll das Abholzen der Wälder für Feuerholz eingedämmt werden. «Unsere Statistik, die auf Waldberechnungen des WWF basiert, hat ergeben, dass seit der Einführung der Ades-Solarkocher im Jahr 2001 bis heute in Madagaskar rein durch deren Verwendung eine Fläche von 3841 Hektar Wald geschützt werden konnte.» Zählt Evelyn Rieseberg noch dazu, was durch den Einsatz von Energiesparöfen geschützt werden konnte, ergibt sich eine gerettete Waldfläche von 29 720 Hektaren. Das entspricht in etwa der Grösse des Kantons Schaffhausen.

Wie auf Madagaskar werden auch in Indien Schulkinder mit Essen aus Solarkochern verpflegt. In Zentralindien soll sich eine Solardampfküche mit zehn Scheffler-Spiegeln befinden, in der jeden Mittag Essen für 650 Personen zubereitet wird.

Das Ministerium für neue und erneuerbare Energie fördert den Einsatz von Solarkochern seit den 1980er-Jahren. Indien ist eines der wenigen Länder, die eine Industrienorm für Solarkocher haben und diese subventionieren. Ein weiterer Staat, der «Solar cooking» gefördert hat, ist China. Dies vor allem in den beiden sonnenreichen, aber holzarmen Provinzen Tibet und Gansu.

Kochen mit Sonnenlicht bei Nacht

Während China die Subventionierung von Solarkochern eingestellt hat, entdecken hippe US-amerikanische Outdoor-Fans das Kochen mit Sonnenenergie für sich. Die Firma GoSun beispielsweise hat einen portablen Solarkocher entwickelt, mit dem man auch bei bedecktem Himmel und sogar nachts kochen kann. Möglich macht das eine Speicherbatterie. Diese braucht nur zwei Stunden Sonnenlicht, um sich aufzuladen und gibt, wenn das Gerät in Betrieb ist, bis zu 200 Grad Hitze ab. Die Zutaten für ein Gericht werden einfach in eine längliche Metallschublade gelegt. Diese schiebt man in den GoSun-Solarkocher und der Kochprozess beginnt. Je nach Gericht kann 20 Minuten später schon gegessen werden.

Trotz den hohen Temperaturen im Innern bleibt das Gerät aussen kühl, sodass man sich nicht daran verbrennen kann. Von Grillgut bis Geburtstagskuchen – gemäss den Erfindern lässt sich praktisch alles im GoSun-Solarkocher zubereiten. Zum Beweis haben sie gleich auch ein kleines Kochbuch herausgegeben. Darin findet man das Rezept für einen gebackenen Lachs, Quinoa-Pilaf und Rüeblikuchen mit Frischkäseguss.

Das Gerät gibt es in diversen Ausführungen ab 280 bis 4000 US-Dollar. Kochkisten oder Parabolspiegelkocher wie sie in Indien, Afrika und Asien verwendet werden, sind bereits für unter 50 Franken zu haben. Sie können aber, je nach Ausführung und Qualität der Verarbeitung, auch mehrere hundert Franken kosten. Abgesehen von Schulen und Spitälern in Indien, Madagaskar und einigen afrikanischen Staaten werden Solarkocher meist von Privatpersonen genutzt. Nicht so in Chile.

Im Restaurant Solar gibt es nur sonnengekochte Speisen

Das Restaurant Solar im chilenischen Dorf Villaseca ist Teil eines staatlichen Programms. Mit diesem Programm soll gleichzeitig die Natur geschützt werden und Frauen eine bezahlte Beschäftigung erhalten. Bis jetzt geht das Konzept wunderbar auf. Das Restaurant Solar hat nur 24 Sitzplätze, aber Gäste aus der ganzen Welt, die extra anreisen, um sonnengekochte chilenische Spezialitäten zu essen.

Zugegeben, mit 310 Sonnentagen pro Jahr hat das Restaurant Solar die besten Voraussetzungen. Es gibt aber in der Schweiz Orte, die sich noch besser für «solar cooking» eignen würden. St. Moritz zum Beispiel rühmt sich damit, im Schnitt 322 Sonnentage pro Jahr zu haben. Auch Basel und Sitten verzeichnen derer 300. Und doch ist «solar cooking» in der Schweizer Gastronomie kein Thema. Hierzulande setzen Köche und Küchengerätebauer lieber auf moderne, energieeffiziente Herde und Steamer sowie Solarstrom.

(Riccarda Frei)