Michel Péclard geht in Arosa fremd: Zauber auf dem Grill – Magie im Keller

Neues Design und Fünf-Gang-Znacht: Der Zürcher Gastronom Michel Péclard entstaubte den Aroser «Alpenblick». Von der blassen Beiz zur stilvollen Berghütte.

  • Michel Péclards neustes Baby: Das Restaurant Alpenblick in Arosa.
  • Urchig und modern zugleich präsentiert sich die Berghütte.
  • Der Weg in den Weinkeller führt durch die Küche – ein Erlebnis für den Gast.
  • Michel Péclard mit Alpenblick-Geschäftsführerin Christa Hess und Geschäftspartner Florian Weber.

Gemahlener Kaffee und feinster Curry rieseln wild gemischt durch Maurices Hände. Noch einmal wirbelt der Grilleur das Gemisch, dessen weitere Zutaten er nicht verrät, durch, ehe er damit das üppige Lammgigot bestäubt. Rasch ein Kontrollblick hinüber zu den senkrecht hängenden Mistkratzerli, die im Kreis über der Glut tanzen, dann die Spareribs und Cervelats umdrehen. Die coole Miene behält der Berliner Grillmeister trotz der Hitze – und beeindruckt damit Gross und Klein zugleich. Kaum einer, der vor dem imposanten Grill aus Valser Quarzit nicht innehält.

Zweifelsohne bildet der Grill das Herzstück des renovierten Restaurants Alpenblick. Ein neuer Boden aus altem Holz, auf Mass gezimmerte Tische aus dem Eichenholz alter Weintrotten und die dezente, trendige Beleuchtung verleihen dem Lokal ein neues Kleid. Bodenständig urchig einerseits, frisch und modern andererseits. «Ich erkenne den Laden kaum wieder», meint ein Gast wohlwollend. Ein anderer doppelt nach: «Der Umbau war überfällig.» Bühnenbildner Raphael Otto vom Atelier 72, der zuvor bereits diversen  Péclard-Betrieben und anderen Restaurants das Design  verpasste, gestaltete das einstige Bauernhaus urchig, aber chic.

Ein Trio führt das Geschäft

Im letzten Frühling war es, als die Familie Kipp-Bechtolsheimer, in deren Besitz unter anderem das Aroser Fünfsternehotel Tschuggen ist, das «Alpenblick» erwarb und einen Partner aus der Gastro-Welt suchte. «Da musste ich nicht lange überlegen», erinnert sich der Zürcher Gastronom Michel Péclard (47). «Ich habe meine Jugend im Winter jeweils im Nachbarhaus verbracht. Der ‹Alpenblick› ist eine Herzensangelegenheit.» So entstand der erste Betrieb in Péclards Pumpstation GmbH (u. a. Fischers Fritz, Coco, Pumpstation, Milchbar) ausserhalb der Region Zürich.

Die Geschäftsführung in der Berghütte teilt sich ein Trio: Christa Hess, Daniel Weist und Yves Bamberger. Erstere führte zuvor das Zürcher Traditions-Café Schober und erwartet in den nächsten Wochen Nachwuchs. Dann sind Weist – der Gastgeber an der Front – und Bamberger – der Chef in der Küche – auf sich alleine gestellt. Dass die beiden Jung-Gastronomen, die in diesem Jahr die Schweizerische Hotelfachschule Luzern abschliessen, einer solchen Herausforderung gewachsen sind, bewiesen sie bereits im vergangenen Sommer, als sie Péclards Badi-Beiz «The Beach Thalwil» erfolgreich führten.

15 Mitarbeiter stehen im «Alp­enblick» im Einsatz. Schon zum Frühstück sind Gäste willkommen, mittags gibt es urchige Gerichte von der auf Züridüütsch geschriebenen Karte: «Chalbs-Cordon blöö», «Gluschtigi Riesä-Chäässchnitte», «En Mockä Bündner Alpchääs». Und falls der Winter dann doch noch so richtig Einzug halten sollte, führt die Piste 2 direkt zur Hütte.

Das Highlight folgt ab 18 Uhr, wenn der «Alpenblick» zum Dinner lädt. Eine Abendkarte sucht man vergebens. Stattdessen wird für 99 Franken ein Fünfgänger angeboten – inklusive Wasser, Hauswein, Bier und Kaffee à dis­crétion. Zum Starten tischt die Kellnerin eine Platte mit Wurstwaren von den hauseigenen Alp­lämmern und Bündner Käse auf. Mit Messer und Hobel schneiden sich die Gäste ihre Portionen selber.  Auch bei den nachfolgenden Salat- und Suppenschüsseln ist Selbsthilfe angesagt. Eine Portion Raclette oder Fondue aus der Region bildet den unüblichen Zwischengang.

Danach füllt Maurice die Grillplatte üppig. Besonders beliebt sind Mistkratzerli, Spareribs sowie der «Pumpispiess», ein Fleischspiess, benannt nach Péclards Grillstand «Pumpstation» am Zürichsee. Für einen Aufpreis bekommt der Gast Lammgigot oder andere Fleischspezialitäten auf den Teller. Ein hausgemachter Kuchen nach Schober-Art oder eine luftige Schokoladenmousse runden das Menü ab.

Via Küche in den Weinkeller

Keine hundert Franken für dieses Nachtessen – ein überaus fairer Preis. Péclard erklärt: «Den können wir anbieten, weil die Gänge nicht zu aufwendig sind und wir beim Wein keinen Zwischenhändler haben.» Kredenzt wird der unkomplizierte «Contos da Terra», ein Rotwein-Blend aus den portugiesischen Rebsorten Tinto Roriz, Touriga Nacional und Touriga Franca. Dunkle, rote Früchte, samtene Tannine, unterlegt von feiner Würzigkeit: ein Alltagswein, der als Begleitung zum Fleisch vom Grill Spass macht. Des tiefen Menüpreises wegen oder aus reiner Neugier – kaum eine Tischgesellschaft lässt sich den Gang in den Weinkeller entgehen. Geschäftsführer Weist nimmt seine Gäste dann auf eine Tour mit, die durch die Küche in den Untergrund führt und so für nicht alltägliche Einblicke sorgt. Im hübsch eingerichteten Weinkeller finden sich ausgesuchte Weine aus der Bündner Herrschaft und eine schöne Auswahl an europäischen Spitzenweinen. «Da kommt keine Gruppe ohne Weinflasche wieder hoch», sagt Weist.

Wird der Gast bald zum Fischer?

120 Innen- und 180 Aussenplätze hat der «Alpenblick» zu bieten. Ein Kutschenservice durch die Schneelandschaft wird angeboten, um die Gäste direkt zur Sonnenterrasse mit der herrlichen Panoramasicht oder zur wärmenden Beiz zu chauffieren.

Mitte November öffnete das Restaurant seine Türen erstmals. «Das Feedback ist sehr positiv», verrät Péclard. «Klar, dass im ersten Monat noch nicht alle Abläufe einwandfrei funktionierten. Aber die Atmosphäre passt und das Essen schmeckt.» Man treffe sich nachmittags bei hausgemachten Wähen zum Jassen, lasse sich schon mittags einen guten Tropfen einschenken. Ein Gast habe sogar schon seine Gitarre ausgepackt und den ganzen Laden zum Klatschen und Tanzen gebracht.

Für die Sommersaison träumt Péclard vom eigenen Teich hinter dem Haus, aus dem die Gäste ihren Fisch fangen können, sowie von Tieren um die Hütte, die später zu Filet, Wurst und Spiess verarbeitet werden sollen. Wer Péclard kennt, weiss, wie schnell solche Fantasien bei ihm Realität werden können.

 

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Auch im Hotel Tschuggen wurde ein Restaurant erneuert: Im «The Basement» bietet Sternekoch Tobias Jochim Fine Fast Food zu moderaten Preisen an. Fondueburger, Currywurst, Käse-Lauch-Quiche. Hotel-Direktor Leo Maissen: «Die Gerichte sind hochwertig und originell. Ein Schritt in die Zukunft.» Verantwortlich für das Design: Michel Péclard und Bühnenbildner Raphael Otto.