Parahotellerie im Wandel

Ferienwohnungen, Bed & Breakfast und Campen – es gibt viele Möglichkeiten, ausser Haus zu übernachten. Die Ansprüche der Gäste steigen aber auch in diesem Segment.

Moderne Resorts verbinden die Vorteile von Hotels und Ferienwohnungen ideal. Auch Jugendherbergen und Campingplätze treffen mit ihren erweiterten Angeboten den Nerv der Zeit.

Marlene Dietrich sang: «Ich hab noch einen Koffer in Berlin.» In einer modernen Version dieses Liedes würde sie wohl nicht mehr vom Koffer singen, sondern von einer Couch. Diese stünde ihr nicht bloss in Berlin zur Verfügung, sondern in über 200 000 Städten auf der ganzen Welt. Sofern sie ein Profil bei Couchsurfing.com hat.

Das Prinzip von Couchsurfing ist einfach. Dem Motto folgend – «Du hast Freunde in der ganzen Welt. Du hast sie nur noch nicht kennen gelernt» –, verbinden sich reisefreudige Mitglieder einer weltweiten Online-Community. Wer einen Schlafplatz braucht, findet über die Plattform einen Gastgeber, der ihn gratis aufnimmt. Der Reisende profitiert neben der kostenlosen Übernachtung vom Insiderwissen eines Einheimischen was Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Freizeitaktivitäten betrifft. Im Gegenzug bietet der Reisende selber auch einen Schlafplatz an. Über 11 Millionen Menschen sind Mitglied der Couchsurfer-Community.

Airbnb.com vermittelt Übernachtungsmöglichkeiten zwar nicht gratis, aber nach ähnlichem Prinzip. Von der Matratze am Boden bis zum Schloss, von der Yacht übers Maiensäss bis zum Iglu – Gastgeber können auf dieser Plattform kostenlos alle möglichen Logis anbieten. Gastgeber wie auch Gäste bezahlen lediglich bei erfolgter Buchung eine Kommission an Airbnb. Für Gastgeber beträgt diese, unabhängig vom Buchungsvolumen, drei Prozent; für Gäste je nach Destination und Lokalität zwischen neun und zwölf Prozent. Airbnb stellt die Unterkünfte online, verbindet Gastgeber und Gäste, wickelt die Bezahlung der Übernachtungskosten für beide Parteien sicher ab und bietet sogar eine Gastgebergarantie. Diese stellt sicher, dass allfällige, durch Gäste verursachte Schäden versichert sind. Und zwar bis zu einer Höhe von 900 000 Franken.

«Wir tun alles dafür, dass die Sicherheit von Gästen und Gastgebern gewährleistet ist», sagt Air-bnb-Sprecher Julian Trautmann. Neben der Gastgebergarantie gibt es verschiedene Sicherheitsmassnahmen wie Verifizierungstools, gegenseitige Bewertungen und 24-Stunden-Notfall-Hotline.

Gute Möglichkeit für «Best Agers»

«Unsere Klientel ist älter, als man vermutet», sagt Julian Trautwein. Das Durchschnittsalter der Gäste in der Schweiz liegt bei 35 Jahren; das der Gastgeber etwa vier Jahre höher. 65 Prozent der Gastgeber sind Frauen. Unter Gastgebern und Gästen befinden sich auch viele sogenannte «Best Agers». Allein im letzten Jahr hat sich ihr Anteil verdreifacht. Julian Trautwein nennt Gründe für das Interesse der älteren Generation: «Gastgeber können sich etwas zur Rente dazuverdienen, lernen Menschen aus aller Welt kennen und haben Gesellschaft.» Gäste wiederum fühlen sich am fremden Ort in einer «belebten» Wohnung gleich etwas heimischer. Zudem erhalten sie einen authentischen Eindruck vom Leben der Bewohner des Reiselandes.

Hotelmüde Geschäftsreisende ziehen Wohnungen vor

Couchsurfing richtet sich auf Einzelreisende aus, Airbnb hat zudem Familien, Longstay-Gäste und Geschäftsreisende im Visier. Diesen Markt pflegt Airbnb, indem spezielle Dienstleistungen entwickelt wurden. Wie beispielsweise eine automatisierte Reisekostenabrechnung für Geschäftsleute.

Wer beruflich viel und lange unterwegs ist, wird oft etwas hotelmüde und schätzt es, die «eigenen» vier Wände zu haben. Airbnb ist nicht das einzige Unternehmen, das dies erkannt hat. In der Schweiz gibt es verschiedene Anbieter von Longstay- und Serviced Apartments. Einer ist die Ema House AG in Zürich. Sie hat in der Limmatstadt an sechs bevorzugten Wohnlagen Hotel Suites und Serviced Apartments. Im Mai 2015 eröffnete das Unternehmen ein neu umgebautes Haus mit 23 Suiten, drei Sitzungsräumen und einem Saal mit einer Meetingkapazität bis zu 60 Personen.

Auch Airbnb ist im Meetingmarkt tätig. Immer mehr Firmen nutzen die Plattform, um die idealen Locations für ungestörte Meetings und Workshops zu finden.

Ob Private oder Firmen – seit der Gründung von Airbnb im Jahr 2008 konnten über 60 Millionen Gäste verzeichnet werden. Mehr als zwei Millionen Gastgeber in 34 000 Städten bieten Übernachtungsmöglichkeiten an. Auch in der Schweiz.

Das billigste Logis ist hier ab 25 Franken pro Nacht zu haben. Im Schnitt verlangen die Schweizer Gastgeber 112 Franken (Stand 15. Januar 2016). Airbnb sei nicht bloss im Low-Budget-Segment unterwegs. Auch exklusive Chalets in Saas-Fee, St. Moritz und Davos, eine Yacht auf dem Genfersee und ein Luxus-Apartment in Zürich inklusive Butler sind über Airbnb buchbar. Die Preise liegen zwischen 1000 und 6000 Franken pro Nacht.

In der Schweiz bieten wir rund 17 000 Unterkünfte an. Die meisten davon in Genf, Zürich, Basel, Lausanne, Bern und St. Gallen», sagt Julian Trautwein. Airbnb verzeichne zurzeit gerade ein grosses Wachstum in den Ski- und Ferienregionen. Kennzahlen mag er zwar nicht verraten, aber: «Im Vergleich zu 2014 hatten wir 2015 einen Zuwachs von 115 Prozent.»

Der Airbnb-Sprecher kann nicht ausschliessen, dass ein kleiner Teil dieses Zuwachs durch Gäste entstand, die aus der Hotellerie zu Airbnb übergelaufen sind. Trautwein ist dennoch klar der Meinung, dass sich Hotellerie und Airbnb gut ergänzen, nicht konkurrenzieren.

Das sehen auch etliche Schweizer Hoteliers so. Sie haben Airbnb als Absatzkanal für sich erkannt und bieten ihre Zimmer ebenfalls über diese Plattform an. «Wir freuen uns über jeden Gastgeber. Unser Fokus liegt aber klar auf dem Homesharing-Gedanken.» Daher werden professionelle Gastgeber gleich behandelt wie Private.

hotelleriesuisse steht den neuen Plattformen positiv gegenüber

«Wir erachten solche Dienstleistungen als sinnvolle Ergänzung zu den touristischen Angeboten», sagt Thomas Allemann, Mitglied der Geschäftsleitung hotelleriesuisse. «Sie können bei Grossanlässen eine wichtige Rolle übernehmen, um fehlende Bettenkapazitäten zu kompensieren. Die Portale akquirieren Touristengruppen, die ohne ähnliche Angebote nicht in die Schweiz reisen und somit nicht zu einer höheren Bruttowertschöpfung im Tourismus beitragen würden.»

Trotz dieser Ausgangslage ist hotelleriesuisse der Ansicht, dass die Vermittlungsportale und damit die neuen Anbieter von Beherbergungsleistungen die gleichen Vorgaben erfüllen müssen wie Hotels. «Eine Gleichstellung aller Marktteilnehmer ist unseres Erachtens nicht überall gewährleistet.» So seien unter anderem noch Fragen zu klären wie: Gelten die Mieteinnahmen als steuerbares Einkommen? Werden die Touristen per Meldeschein gemeldet? Und werden Mehrwertsteuer und Kurtaxen entrichtet?

«Das Einhalten der in ihrem Land geltenden Gesetze ist grundsätzlich Sache der Gastgeber. Wir weisen sie aber regelmässig auf ihre Pflichten hin», sagt Julian Trautwein von Airbnb. Oft sei es für Privatpersonen aber gar nicht so einfach, Vorgaben wie das Bezahlen einer Tourismusabgabe zu erfüllen. Zum Beispiel, weil man dafür Gewerbetreibender sein müsse. In solchen Fällen springt Airbnb als vermittelnder Geschäftspartner ein und bezahlt die Abgaben im Auftrag der privaten Gastgeber. So zum Beispiel in London, Paris oder Amsterdam.

Private Gastgeber sollen die Qualität ebenfalls hochhalten

Sind die Spiesse gleich lang, haben sowohl hotelleriesuisse wie auch Parahotellerie Schweiz nichts gegen neue Anbieter auf dem Markt. Für Fredi Gmür, CEO der Schweizer Jugendherbergen und Präsident von Parahotellerie Schweiz, ist wichtig, dass Gastgeber von Couchsurfing- und Airbnb-Angeboten hohe Qualitätsanforderungen erfüllen, damit sie der Marke Schweiz und ihrem guten Image nicht schaden.

In den letzten Jahren hat sich in Sachen Qualität in der Schweizer Parahotellerie nämlich viel getan. Unter anderem wurde eine einheitliche Klassifikation für Ferienwohnungen eingeführt und Jugendherbergen und Campingplätze verwandelten sich immer mehr zu Ferienresorts mit Kinder-Animation, gratis WLAN, Wellness und Erlebnisangeboten. Statt nur im Zelt, schlafen Gäste auf zeitgemässen Campingplätzen auch in modernen Mietcampern, Bungalows, Schlaffässern oder anderen originellen Unterkünften. Und auch die Gastronomie auf den Campingplätzen hat sich enorm weiterentwickelt, sodass selbst Nichtcamper sie gerne besuchen.

Diese Entwicklung ist ebenfalls bei Ferienhaussiedlungen zu beobachten. Ein gutes Beispiel ist das Pradas Resort in Brigels, das im Dezember 2015 eröffnet wurde. Die 83 Wohnungen in 16 Häusern sind stylish eingerichtet und stehen Hotelzimmern in nichts nach. Im Gegenteil. Sie verfügen sowohl über gratis WLAN und zwei Flachbildschirme wie auch über eine Sammlung der neuesten Ravensburger Spiele. Die Küchen sind mit hochwertigen Geräten und Utensilien ausgestattet. Im Resort gibt es eine Wellnessanlage, Kids-Club und Restaurant.

Nicht nur der Standard ist in der Parahotellerie höher geworden. Auch die Klientel hat sich verändert. Sie wird internationaler. «Bei Interhome haben Gäste aus Indien und den Golfstaaten markant zugelegt», weiss Fredi Gmür. «Ihre Präferenz liegt im Berner Oberland, und die Gäste aus dem arabischen Raum sind mittlerweile auf Platz drei der Kunden-Charts für diese Region.» Der grösste Teil der Parahotelleriegäste (65 Prozent) stammt aus der Schweiz. Doch schon 20 Prozent der Gäste kommen aus den Fernmärkten. Dieser Anteil dürfte in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen. Besonders wenn das Wachstum von Airbnb im gleichen Mass anhält wie bisher und die klassischen Parahotellerie-Anbieter die neuen Vertriebskanäle geschickt für sich zu nutzen wissen.