Urs Masshardt: «Es müsste eine Bewegung ausgelöst werden»

Der Geschäftsführer der Hotel & Gastro Union spricht zum Jahresende offen über Sorgen, Hoffnungen und Ziele.

Urs Masshardt ist seit 10 Jahren Geschäftsführer der Hotel & Gastro Union. (ZVG)

HGZ: Urs Masshardt, dem letzten Jahr gaben Sie auf einer Skala von 1 bis 10 die Note 7. Wie war 2016?

Urs Masshardt: Eher etwas besser. Ich gebe diesem Jahr eine 8.

Eine gute Wertung also für das Jahr, in dem Sie Ihr 10-jähriges Jubiläum als Geschäftsführer feiern durften.

Ja. Wir erreichten dieses Jahr eine Stabilisierung des Gesamtarbeitsvertrags. Wir haben auf der Zentrale in Luzern massive Verbesserungen erreicht: Die Website ist toll, die Zeitung kommt sehr gut an, die Geschäftsführer der Verbände sind gut positioniert, das Sekretariat ist reorganisiert, die Marketingabteilung ist voller Power. Die Voraussetzungen sind gegeben, um die Mitgliederzahl anzukurbeln.

Welche Begegnung aus dem Jahr 2016 bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Es ist die Begegnung mit der neuen HGU-Präsidentin Esther Lüscher über das ganze Jahr hinweg. Wir harmonieren und ergänzen uns ausgezeichnet. Ich bin auch vom Zentralvorstand und dessen Strategie sehr überzeugt.

Welche Entwicklung aus dem Jahr 2016 stört Sie?

Leider muss ich feststellen, dass das Member-get-Member-System nicht mehr funktioniert. Es gibt zwar immer noch viele Mitglieder, die laufend neue Mitglieder werben. Doch das durchschnittliche Mitglied tickt leider nicht mehr so.

Sondern wie?

Man ist einfach Mitglied, ohne aber andere Berufsleute von der Wichtigkeit der Union zu überzeugen. Darauf sind wir angewiesen.Anderseits wirbt der Mitgliederservice sehr erfolgreich neue Mitglieder an. Dieses Jahr konnten wir viele Lernende von ihrem Berufsverband überzeugen, aber noch mehr schieden leider aus. Im Gegensatz zur Unia etwa, die rund 900 Funktionäre und Mitarbeiter beschäftigt, haben wir eine Geschäftsstelle von 25 Mitarbeitern. Wir sind auf Mundpropaganda angewiesen.

Kennen Sie die Lösung für das Problem?

Es geht uns halt allen zu gut. Die Frage, die man sich stellen müsste, heisst: Wo wäre die Branche heute, wenn es die Hotel & Gastro Union nicht gäbe? Es gäbe keine dreijährige Lehre, es gäbe keine finanzielle Unterstützung durch den GAV. Das gibt es nur dank uns, also dank der Mitglieder. Wer nicht dabei ist, profitiert auch, ist aber ein Trittbrettfahrer. Es müsste eine Bewegung ausgelöst werden à la «Das ist mein Verein». Und in einem Verein heisst die Frage eben nicht: «Was bringt mir der Verein?» Die Frage lautet: «Was bezweckt der Verein?» Er bezweckt die Förderung des Stellenwerts unserer Berufe.

Erfreulicher ist dafür die Entwicklung rund um die Koch-Akademie.

Sehr sogar. Alle Beteiligten aus der Branche beabsichtigen, das Handwerk zu stärken. Mit diesem Projekt in Heiligkreuz besteht eine reelle Chance, diesbezüglich einen Schritt weiterzukommen.

Es scheint, als wäre im Jahr 2016 die Beziehung zur SHL deutlich verstärkt worden. Was steckt dahinter?

Was viele nicht wissen: Die Stifterin, also gewissermassen die Mutter der SHL, ist die Hotel & Gastro Union. Nun hat der Führungswechsel an der Schule mit Direktorin Christa Augsburger und ihrem Stellvertreter Timo Albiez neuen Wind reingebracht. Eine sehr erfreuliche Entwicklung ist auch, dass zurzeit fast alle Absolventen der SHL Unionsmitglieder sind. Man scheint zu begreifen, dass wir nicht Parteipolitik, sondern eine Branchenpolitik aus Sicht des Mitarbeiters betreiben.

Nochmals zu den Mit­gliederzahlen: Wie steht die HGU da?

Es gibt nichts zu be­schönigen: Ein grosses Problem sind die Austritte der ­Jungen, sobald sie nach der Lehre voll zahlen müssen.

Schlagen Ihnen die sinkenden Mitgliederzahlen aufs Gemüt?

Fakt ist: Die Einflussnahme der Union ist dann gross, wenn die Gefolgschaft gross ist. Geht es weiter wie zuletzt, ist unser Verein in 15 Jahren nur noch halb so gross. Dann sind wir bestenfalls noch ein Amical und können uns zum gemütlichen Beisammensein treffen. Die politische Kraft ist dann aber verloren. Deshalb geht mein Aufruf auch an die Arbeitgeber: Wenn sie künftig eine Zusammenarbeit mit einer verlässlichen Organisation anstreben, dann gibt es nur eine Variante – und das sind wir.

Was bereitet Ihnen Sorgen, wenn Sie an 2017 denken?

Der Fachkräftemangel. Wenn ein namhaftes Schweizer Hotel monatelang einen neuen Pâtissier sucht und nicht eine einzige Bewerbung erhält, dann läuten bei mir die Alarmglocken. Der Kampf um die Talente ist verloren.

Wie lauten Ihre Ziele fürs neue Jahr?

Bildungspolitisch gehen wir mit der Hotel & Gastro formation Revisionen an. Dann steht die Neupositionierung des Diätkochs an. Und drittens gilt es, die Koch-Akademie voranzutreiben.

Was wünschen Sie den ­Mitgliedern zu Neujahr?

Einer meiner Lieblingssprüche: Nur eine Sache, die man aufgibt, ist verloren. Ich wünsche uns, dass wir den Weg gemeinsam weitergehen. Ich bin überzeugt, dass wir den Durchbruch schaffen und die Mitgliederzahl erhöhen.

(Interview Benny Epstein)