Was hilft gegen die Pop-up-Allergie?

Sie haben kaum Auflagen und nehmen den Restaurants die Gäste weg – angesichts der Pop-up-Macher kriegen viele Gastronomen einen dicken Hals. Doch es gibt bessere Lösungen, als nur die Faust im Sack zu machen.

  • Eigentlich kein Restaurant: Valefritz veranstaltete das Pop-up einen Monat lang im Haus für Kunst und Kultur an der Zürcher Langstrasse. (Lisa Yerebakan)
  • Räuchern, äschern, verkohlen: Beim «Wood Food»-Pop-up von Valefritz kamen Delikatessen aus dem Wald auf die Teller. (Lisa Yerebakan)

Pop-up hier, Pop-up da, Pop-up überall. Manch einer hat die Idee schon für vorüber erklärt – doch Pop-up lebt und wird den Geist so schnell nicht aufgeben. Auch wenn die temporären Restaurants nicht mehr den verruchten Anstrich einer illegalen Veranstaltung besitzen, so strahlen sie noch immer viel Sexyness aus: Der Gast erwartet etwas Einmaliges. Etwas, das er nur jetzt kriegen kann, nicht vorher und nicht nachher. Etwas mit speziellem Konzept. Etwas, das vielleicht an einem Ort stattfindet, der eigentlich gar kein Restaurant ist.

Doch nicht nur für den Gast ist das Pop-up eine coole Sache. Die Vorteile für den Gastgeber liegen auf der Hand. Allein weil er ein Pop-up veranstaltet, werden er und sein temporärer Betrieb zum Gesprächsthema. Seine Gäste sind offen und unkompliziert – schliesslich lassen sie sich ja auf eine Überraschung ein. Er kann ein Fleisch- und ein Vegi-Menü anbieten – das reicht. Er muss keine langjährigen Mietverträge unterzeichnen, die Waren- und Personalkosten sind einfach überschau- und kalkulierbar. Zudem muss er viel weniger Auflagen erfüllen als ein anderer Gastronom.

Wieso also sollte der Trend am Ende sein? Das Gegenteil ist der Fall. Sogar in den USA, in Grossbritannien und Australien, wo Pop-ups bereits Kult waren, als hierzulande noch niemand diesen Begriff verwendete, blüht die Szene. Längst haben auch Stargastronomen und Spitzenköche die Vorteile erkannt und verlassen – zumindest vorübergehend – den eigenen Betrieb.

Dampf ablassen auf Facebook

Was aber können Gastronomen unternehmen, deren Namen nicht in aller Munde sind und deren stetiges Restaurant vermeintlich unter dem Pop-up-Trend leidet? René Widmer, langjähriger Küchenchef und Inhaber der Gastronomietechnik-Firma Prorest, liess vergangene Woche auf Facebook mächtig Dampf ab. «Nach dem Pop-up ist vor dem Pop-up», schimpfte er. «Vierundeins, Rübis und Stübis, Wood Food, Ralph Schelling, Valefritz, Max vom Mesa, Elif Oskan mit Markus Stöckle, Claudio Schmitz und wie sie alle heissen: tolle Köche, liebenswerte Leute und zum Teil gute Freunde. Nur, wenn ich ein normaler Gastronom wäre, würde es mir langsam den Deckel lupfen, wenn schon wieder ein Lokal für eine kurze Zeit jeden Tag 200 À-la-carte-Gäste von der normalen Gastronomie abzockt.»

Er sei absolut liberal und offen für Neues, habe auch schon an derartigen Projekten mitgewirkt. Doch beim Gedanken an die Vorschriften, Kosten und Einschränkungen, die einem Restaurateur das Leben schwer machen, platze ihm der Kragen. Widmer wünscht sich eine Lockerung der Auflagen. Gleichzeitig appelliert er an die Selbstdisziplin der Initianten. Man müsse nicht auf jeden fahrenden Zug aufspringen.

Die «Likes» folgten. Unter anderem zeigten die Sternechefs Cornelius Speinle («Dreizehn Sinne», Schlattingen/TG) und Andreas Schwab («Tentazioni», Cavigliano/TI): Daumen hoch!

So wirkt man ohne Pop-up trendig

Doch ist die Faust im Sack die Lösung gegen die Pop-up-Allergie? «Neid oder Missgunst sind nicht angebracht», ist Michel Péclard überzeugt. Der Zürcher wird häufig als Trendgastronom betitelt – wie kriegt man es denn hin, auch ohne Pop-up trendig zu wirken? «Es gilt, gut hinzuschauen. Es lohnt sich zu beobachten, was denn ein gutes Pop-up ausmacht. Vielleicht kann man das eine oder andere Element in sein Restaurant integrieren. Anderseits gilt es, den Gast gut zu beobachten, um ihn dort abzuholen, wo er es möchte.»

Genau dies würden gute Pop-up-Gastronomen tun. «Sie überlegen sich stets neu, womit man den Gast begeistern kann. Darum geht es doch.» Das verbeulte Silberbesteck und die leicht angeschlagenen Teller gehören zum Konzept in Péclards Lokalen und kommen den Emotionen, die ein Pop-up in einer umfunktionierten Garage auslöst, sehr nah.

Diese Woche beweist der Inhaber der Pumpstation Gastro GmbH zudem, dass sich auch ein herkömmliches Restaurant als Pop-up eignet: Während er seine gesamte Belegschaft für zwei Tage zum Europapark-Team-Event einlädt, übernehmen die Spitzenhotels Tschuggen, Arosa, Carlton St. Moritz, Eden Roc, Ascona, Guarda Val, Lenzerheide, und Cervo, Zermatt, mitten in Zürich die Restaurants Milchbar, Rooftop und Coco. «Das entlastet mich, ist eine tolle Abwechslung für die Gäste und eine super Marketing-Plattform für die Hotels, die meine Betriebe übernehmen.»

Globus-Foodscout Richard Kägi tadelt in seiner aktuellen Kolumne im NZZ-Lifestyle-Magazin «Z» die Flut an höchstens durchschnittlichen Street Food Festivals und Pop-ups. Kägis Kritik verkommt zugleich zur Aufforderung an die leidenden Restaurateure: «Brecht eure Konzepte auf Food-Truck-Level herunter, bleibt bei sorgfältiger Produktauswahl und behandelt diese Produkte, wie ihr es gelernt habt. Nie war es einfacher und einträglicher, trendig zu sein.» Gegenüber der Hotellerie Gastronomie Zeitung erläutert er: «Die Beizer sollen nicht jedem Trend hinterherkochen.» Sein Rat: «Das Essen liebe- und respektvoll aus sorgfältig ausgesuchten Zutaten zubereiten.»

Kitchenparty machen oder Murmeltier servieren

Wer sich dennoch nicht nur auf seine gewohnten Stärken verlassen möchte, der biete seinem Gast hie und da ein besonderes Programm. Das Baur-au-Lac-Restaurant «Rive Gauche» bat vergangene Woche in Zürich zur Kitchenparty. Für 160 Franken gab es Häppchen, Drinks und mehrgängige Highlights für das Auge und den Gaumen, zubereitet von sechs Spitzenköchen mit total 81 Gault-Millau-Punkten. Abgerundet wurde der ungezwungene Abend mit einer Live-Band, die die 160 Gäste, darunter zahlreiche Stammgäste, zum Tanzen brachte.

General Manager Wilhelm Luxem: «Solche Abende sind toll, aber wir versuchen, unsere Gäste auch beim gewöhnlichen Besuch dank Aufmerksamkeit immer wieder zu verblüffen. Es geht im Prinzip darum, nahe beim Gast zu sein, ihn in seiner Individualität und Erwartungshaltung zu verstehen. Deshalb versuchen wir, möglichst viele Marketing-Franken direkt in den Gast zu investieren. Somit entsteht Nähe und Verbundenheit.»

Im Zürcher «Quai 61» lancierte «Marmite»-Chefredaktor Andrin Willi mit Chefkoch Gustav Thöni im September wie im Vorjahr ein einmaliges Murmeli-Essen. Als Hauptgang wurde Murmeltierragout, in Herrschaftswein geschmort, serviert. Klingt absurd und fremd – ganz wie ein Pop-up eben.

(Benny Epstein)


Tipps und Fakten

Stierhoden...

gab es in Péclards Zürcher «Fischer’s Fritz»   2014. Er nannte sie ­«Alpenglocken». Was nach Dschungelcamp klingt, wurde zum Verkaufsschlager.

Tipp vom Zürcher Szene-Gastronomen Marc Blickenstorfer:

«Moules servieren – das reicht nicht. Man muss dem Gast eine gute Geschichte erzählen.»

Film ab!

Tipp vom Berner Pop-up-Profi Tom Weingart: «Ich ging auf Reisen und nahm kulinarische Highlights mit der Kamera auf.» So erinnert er sich als Gastronom später an die Emotionen und kann das Erlebte hier einfacher reproduzieren.


Inspiration vom Profi: Lesen, wie es richtig geht

Das neue Buch von Pop-up-Profi Valentin Diem, besser bekannt als ValeFritz, erscheint diese Tage im AT Verlag. «Wood Food – Kochen mit Holz, Feuer, Rauch, Teer und Kohle» ist die perfekte Inspiration, um den Gast im Restaurant oder im Pop-up mit einer tollen, runden Geschichte zu verblüffen. Mitglieder der Hotel & Gastro Union erhalten das bildstarke Buch mit 100 Farbfotos auf 256 Seiten bis zum 15. Dezember für nur CHF 39.90 anstatt CHF 49.90. Bestellungen an: <link>benny.epstein@hotellerie-gastronomie.ch.

Details zum Buch: <link https: www.at-verlag.ch buch valentin_diem_wood_food.html>

www.at-verlag.ch/buch/978-3-03800-901-6/Valentin_Diem_Wood_Food.html