„Was soll mit dem Gast passieren?“

Raphael Otto ist Innendesigner. Mehr als 40 Restaurants, Bars und Hotels in der Deutschschweiz tragen seine Handschrift. HGZ hat den Ostschweizer in Paris anlässlich der wichtigsten europäischen Einrichtungsmesse „Maison et Objet“ zum Interview getroffen.

Innendesigner Raphael Otto. (ZVG)

HGZ: Raphael Otto, braucht ein Restaurant wirklich einen Innendesigner?

Raphael Otto: Was ich tue, will ich nicht überbewerten. Ein Restaurant mit schlechtem Essen oder schlechtem Service funktioniert nicht. Ein Betrieb mit schlechtem Design kann dennoch funktionieren.

Weshalb lohnt sich die Zusammenarbeit mit einem Innendesigner dennoch?

Weil das passende Design und ein rundes Konzept eben doch wichtig ist für ein Hotel, ein Restaurant oder eine Bar.

Die „Maison et Objet“ gilt als richtungsweisende Messe – wohin geht der Trend?

Der Trend mit den Vintage-Stücken geht weiter. Viele alte Möbel werden kopiert. Die Händler grasen hierfür Brockenhäuser ab und schicken die Fundstücke nach Asien, um sie dort als Industrial Chic reproduzieren zu lassen.

Es werden also kühle, schlichte Räumlichkeiten mit rustikalem Charme eingerichtet.

Ja, viele Möbel aus den Zwanziger, Dreissiger und Vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts werden wieder verwendet.

Wurden Sie an der „Maison et Objet“ von einer Stilrichtung überrascht?

Nein, wenn man jedes Jahr zweimal hingeht, wird man nicht überrascht. Ich gehe gezielt hin, um Händler zu besuchen und zu kaufen.

Einrichtung besichtigen und einkaufen – das geht heute doch auch übers Internet.

Naja. Manche Interior Designer sagen, sie fänden auch im Netz alles. Das stimmt aber nur bedingt, da Händler oftmals passwortgeschützte Websites haben. Diese Interior Designer kommen also meist nicht an alles heran und müssen oft über Zwischenhändler gehen, was den Preis in die Höhe treibt. Ich darf mit Gewissheit sagen: Ich kann jedes Möbel auftreiben. Mit meinem grösseren Bezugsnetz erschaffe ich mir einen Marktvorteil. Dank intensiver, jahrelanger und vor allem persönlicher Beziehungen kann ich sogar Massanfertigungen produzieren lassen.

Kaufen Sie in Paris jeweils gezielt für laufende Projekte ein?

Eigentlich nicht. Ich habe mittlerweile ein kleines Lager mit Möbel auf Vorrat. Für das kaufe ich ein und kann mich dann dort bedienen. Für gezielte Einkäufe reicht dann ein E-Mail oder ein Anruf an den Händler.

Wem empfehlen sie die Reise nach Paris?

Jedem Gastronomen und Designer zur Inspiration. Die Investition ist klein und ich ziehe viel davon heraus.

Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit mit einem Gastronom?

Der Gastronom braucht eine Gesamtidee. Ich will, dass er sich fragt: Was soll passieren, wenn der Gast ins Restaurant kommt?

Das müssen Sie erklären.

Menükarte, Design, Essen, Atmosphäre und vieles mehr – all das muss zusammen einen Sinn ergeben, damit der Besuch zum Erlebnis wird und Lust aufs Wiederkommen macht.

Sie richten also nicht nur das Lokal mit Ihren Möbeln hübsch ein, sondern machen sich über das gesamte Konzept Gedanken?

Ja, klar. Aus dem Gespräch mit dem Gastronomen will ich herausfinden, was dieser will. Ich zwinge niemandem einfach mein Design auf.

Wie gehen Sie vor?

Mein erster Schritt ist das Erstellen eines Mood Boards: Auf einem Blatt Papier zeichne ich und klebe Papierschnipsel auf, die zum Betrieb passen könnten. Das Blatt soll die Stimmung aufzeigen. Daraus entsteht eine Diskussion, die es dann auszuarbeiten gilt.

Wie lange dauert die Umsetzung von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Feinschliff?

Normalerweise drei bis vier Monate.

Was sind die grössten üblichen Hürden?

Das sind sicherlich die Kosten. Ich muss hie und da schon viel Überzeugungsarbeit leisten, um den Gastronomen oder den Hotelier zu überzeugen, dass die nicht ganz billige Investition Sinn macht. Zum Glück kann ich da schon viele gute Referenzen vorweisen. Im Nachhinein sind alle Auftraggeber happy über das Resultat.

 

Zum Thema

Raphael Otto (44) ist gelernter Bühnenbildner. Sein erster Auftrag in der Gastro-Welt war die Einrichtung der einstigen Zürcher Beiz Tramstation, der heutigen Helvti-Bar. Vor vier Jahren machte er sich selbständig. Entsprechend seinem Jahrgang heisst sein Innendesign-Unternehmen Atelier 72.