Die Schweizer trinken mehr Whisky als Kirsch. So erstaunt es nicht, dass dieser die Importstatistik der Spirituosen anführt. Zudem produzieren immer mehr heimische Brennereien Whiskys allererster Güte.
Die Iren haben einen engeren Kontakt zu Rom als die Schotten. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden, dass die Wiege des Whiskeys mit «e» in Irland liegt. Denn das Wissen über die Gewinnung von Alkohol wurde durch reisende Mönche ab dem 11. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet. Der Punkt für die erste urkundliche Erwähnung von Whisky ohne «e» geht hingegen an Schottland. Denn laut Buchhaltungsunterlagen des königlich schottischen Haushalts, den «Exchequer Rolls», wurde 1494 der Mönch John Cor beauftragt, aus «eight bolls of malt» Aqua Vitae herzustellen.
Obwohl Whisk(e)y – der einfacheren Lesbarkeit halber schreiben wir nur noch Whisky – mit Schottland, Irland und Nordamerika assoziiert wird, ist die Spirituose längst globalisiert. So zählt Japan zu den grössten Whisky- Produzenten. Die taiwanische Kavalan Distillery gewann an den World Whiskies Awards 2016 in London die höchsten Auszeichnungen in den Kategorien «Best Single Malt» und «Best Single Cask». Selbst die ursprünglich wichtigsten Getreidearten Gerste, Mais, Roggen und Weizen werden heute mit Reis, Amarant, Hirse oder Quinoa ergänzt.
Zwar ändern sich die Bestimmungen für Whisky von Land zu Land. Nur Getreide als gemeinsame Basis ist überall gleich. Im Weiteren besagt das Gesetz, dass Whisky mindestens drei Jahre in Holzfässern von maximal 700 Litern Inhalt reifen muss, dass er mit mindesten 40 Volumenprozenten Alkohol abzufüllen ist und dass er nicht gesüsst werden darf. Einzig in den USA kann ein weisses Getreidedestillat, das niemals ein Fass von innen gesehen hat, das Wort «Whiskey» auf dem Etikett tragen.
Die internationalen Richtlinien wurden auch für die heimische Whisky-Produktion übernommen. Im Ersten Weltkrieg verboten, darf in der Schweiz seit dem 1. Juli 1999 wieder Getreide destilliert werden. An jenem Morgen um fünf Uhr entfachte Ernst Bader auf seinem Hof in Lauwil/BL das Feuer unter dem Brennhafen. Als Erster destillierte er Getreide, das er dann zu Whisky reifte. Den Tipp dazu bekam Ernst Bader übrigens von einem Inspektor der Eidgenössischen Alkoholverwaltung. «Ernst», sagte der Inspektor, «du machst einen guten Kirsch. Das sollte auch für Whisky langen.» Zahlreiche Brenner folgten dem Beispiel Baders genau zu der Zeit, als der Trend zu ungewöhnlichen Whiskys seinen Anfang nahm. Heute produzieren 59 Schweizer Brenner Whisky. Tom Wyss kennt sie alle. Der Whisky-Kenner arbeitet hauptberuflich als Reisezugbegleiter bei der SBB. Nebenbei hat er 2500 Flaschen Whisky aus 40 Ländern zusammengetragen. Sein Wissen publizierte Tom Wyss mit Spirituosenfachfrau Julia Nourney als Co-Autorin im Buch «Whisky Trails Schweiz – ein Reisehandbuch».
Tom Wyss Fazit: «Schweizer Brenner sind sich von geschmacklich sehr sensiblen Fruchtdestillaten wie dem Kirsch gewohnt, sauber zu arbeiten. Vorlauf, Herz und Nachlauf werden präzise getrennt.» Auch Julia Nourney ist von der Qualität der Schweizer Whiskys überzeugt. «Es ist nicht sinnvoll, Schweizer Whisky mit einem Single Malt Scotch zu vergleichen», erklärt die Expertin, die sich seit 24 Jahren mit Whisky befasst. «Jedes Getreide und jedes Fass ergibt ein anderes Resultat. Es kommt ja auch niemandem in den Sinn, Irish Whiskey oder amerikanischen Bourbon mit Scotch zu vergleichen.»
In Schottland, mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 8,5 Grad Celsius, milden Wintern und kühlen Sommern, reift Whisky langsamer. Im Alpenraum mit kalten Wintern und warmen Sommern ist die Interaktion in den Fässern viel grösser. Mit steigenden Temperaturen dehnt sich das Destillat aus und wird ins Holz der Fässer gedrückt. Sinken die Temperaturen, zieht sich das Destillat wieder zusammen, extrahiert Farbe und Gerbstoffe und reift dadurch schneller als in Schottland. Die Schwierigkeit dabei ist: Wie bringe ich mein Destillat über die drei vorgeschriebenen Jahre durch das Fass, ohne dass dieses zu viel Holz aufnimmt und zu früh reif wird? «Wenn ich dürfte, würde ich manchmal bereits nach zwei oder zweieinhalb Jahren abfüllen», sagt Luzi Boner von Bio-Weinbau und Brennerei zur Krone in Malans/GR. «Ein weiterer Faktor ist die Hygiene der Fässer. Bei einer jährlichen Produktion von nur zwei Barriques ist diese extrem wichtig.» Bei 17 000 Fässern, welche beispielsweise die japanische Suntory Distillery wöchentlich abfüllt, würde ein unsauberes Fass nicht auffallen.
Juni anlässlich der grossen Werkschau des Schweizer Whiskys. 22 Produzenten folgten der Einladung des Schweizer Schnaps Forums und zeigten einem interessierten Publikum, was in ihren Kellern reifte.
Dass die Schweizer Whisky-Produktion einen Boom erlebt, liegt vermutlich an den Kombinationsmöglichkeiten und der Leidenschaft der Brenner. Beide scheinen grenzenlos zu sein. Das beginnt mit der Wahl der Rohstoffe, geht über die Produktion, die Reifung in Sherry-Fässern oder Barriques, in denen Schweizer Wein reifte, bis hin zur Assemblage.
Einige Beispiele:
Nach Jahren des Experimentierens kommen Schweizer Brenner auf den Geschmack einheimischer Gerste, Urdinkel und Rheintaler Ribelmais. Zurzeit sei die Nachfrage grösser als die Landwirtschaft produzieren könne. Dazu Julia Nourney: «Einheimische Rohstoffe, die saubere Luft, das gute Wasser, das Klima sowie die Lagen, die einiges höher liegen als in Schottland, lassen einen ganz speziellen Geschmack entstehen, der sich inzwischen anschickt, internationale Märkte zu erobern.» Die zahlreich angebotenen Möglichkeiten, Schweizer Whisky zu verkosten, sollte man auf keinen Fall versäumen.
Gabriel Tinguely
Die unterschiedlichen Schreibweisen lassen Rückschlüsse auf die Herkunft zu. So werden irische und amerikanische Whiskeys in der Regel mit «e» geschrieben. Schottland und alle anderen Länder, in denen der schottische Whisky als Vorbild gilt, verzichten auf das «e». In der Schweiz ist die Schreibweise variabel und orientiert sich zumeist am verwendeten Grundmaterial.