Farm Table: essen, was hier lebte und blühte

An den Events von Marko Vidmar werden nicht nur Köche und Produzenten zusammengeführt, sondern gleich auch noch die Gäste.

  • Auf dem Bauernhof Zur chalte Hose gastierte Farm Table im Juni. (Bilder Irina Garcia)
  • 72 Stunden lang sous-vide gegart: Diese Rindsrippe schmilzt auf der Zunge.
  • Initiator Marko Vidmar (l.) und Gastkoch Fabian Spiquel.
  • Marko Vidmar begrüsst die Gäste auf dem Hof Zur chalte Hose.
  • Sternekoch Fabian Spiquel baute einen seiner Signature Dishes ins Menü ein: das Tatar zum selber machen – diesmal in vegetarischer Ausführung.
  • Zuvorderst am langen Tisch sassen Bauer Nils Müller (l.) und Bäuerin Claudia Wanger.

Die 72 Stunden lang sous-vide gegarte Rindsrippe schmilzt fast auf der Zunge, das Knochenmark verleiht dem gerösteten Blumenkohl den überraschenden Kick. Zur warmen, knusprigen Tomaten-Tarte-Tatin wird ein Salat mit Schweinefüssen serviert. Der sorgt erst für Stirnrunzeln, später dann für Kopfnicken und verbalen Beifall.

Ein gewöhnliches Dinner von Spitzenkoch Fabian Spiquel? Nein, für einmal kocht der Küchenchef nicht in seinem Zürcher Sternerestaurant Maison Manesse. An diesem Sonntag verwöhnt er die Gäste auf dem Bauernhof Zur chalte Hose in Küsnacht oberhalb der Zürcher Goldküste.

Die hochstehende Nachmittagssonne zeigt ihr schönstes Gesicht. Sie lässt die lange, weiss gedeckte Tafel strahlen, als wäre sie stolz auf ihren Platz mitten im blühenden Grün. Die Stimmung unter den rund vierzig Gästen ist lebhaft, umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass sich die meisten gar nicht kennen.

Zusammengekommen sind die Gäste, um Gerichte zu essen, von denen ein Teil der Ingredienzen davor auf diesem Bauernhof lebten. Der Anlass ist Teil der Event-Serie «Farm Table» von Marko Vidmar. «Ich will damit Menschen wieder besser mit ihrem Essen verbinden», erklärt der Hobbykoch. «Bei der Auswahl der Event-Orte nutze ich bereits bestehende Beziehungen zwischen Bauer und Koch.»

Nicht nur die Gäste sind von der Tierhaltung beeindruckt

Auf dem Bauernhof gibt’s zuerst eine Führung. Erst erzählt Bäuerin Claudia Wanger mit wenigen Worten die Geschichte des Betriebs und zeigt, wie gut es den Pferden geht. Dann übernimmt Bauer Nils Müller und hält vor dem Schweinestall ein Plädoyer für das Tier, das dem Menschen organisch gleicht wie kein anderes. Zuletzt erzählt er vor den Kühen, wie die Weideschlachtung vonstatten geht. Für diese ist der Bauernhof landesweit bekannt.

Der artgerechte Umgang mit den Tieren beeindruckt nicht nur die Gäste auf dem Hof. Er ist auch Fabian Spiquels Hauptgrund für die Zusammenarbeit mit Nils Müller und Claudia Wanger. «Sie geben jedem Tier einen Namen und kennen es», so der australische Koch. «Sie schlachten nur 15 Rinder pro Jahr und diese Schlachtungen sind emotionale Momente für die Bauern.»

Doch die stressfreie Schlachtung sei nicht nur eine Frage der Philosophie. Sie führe auch zu schönerem und qualitativ hervorragendem Fleisch, so Spiquel. «Die rote Farbe ist stärker, der Biss zarter.» Den Beweis liefert Spiquel vor Ort – sein Fünfgänger ist eine Freude für die Sinne.

Sogar ins Dessert baut Spiquel eine tierische Komponente ein: Zu Schokoladentarte und Rhabarberkompott gibt es Speckglace. Das provoziert, wird diskutiert – und schliesslich doch verspeist. Initiator Marko Vidmar zeigt sich begeistert: «Solche Abende machen mich stolz, Farm Table erschaffen zu haben.»

Das finanzielle Risiko trägt Farm Table alleine. Vidmar: «Ich bezahle den Koch und den Hof respektive die Lebensmittel, welche bezogen wurden.» Der Koch bereitet die Gerichte grösstenteils bereits in seiner Restaurantküche vor. «Der Hof muss keine Infrastruktur zur Verfügung stellen. Ich komme mit dem Equipment sowie mit der Outdoor-Küche an den Event.»

Bis Ende August stehen vier weitere Anlässe an. Vidmar: «Das Tolle ist, dass drei Parteien gewinnen. Die Köche erleben Abwechslung vom Alltag, die Bauern kriegen so viel Wertschätzung für ihre Arbeit wie sonst kaum. Beide gewinnen zudem wohl neue Kunden. Und die Gäste gewinnen neue Erkenntnisse, Sichtweisen auf Produkte – und vielleicht sogar neue Freunde.» 

(Benny Epstein)


Farm Table

Nächster Event: Am 28. Juli kocht Valentino Cairati vom «Alten Löwen», Zürich, auf dem Hof Blum, Samstagern/ZH. Dieser ist bekannt für seine 30 Obstsorten. Letzte Tickets sowie weitere Daten gibt’s unter farmtable.ch.