Gezähmte Pilze und Bakterien

Patrick Marxer hat Milliarden von fleissigen Mitarbeitenden. Bakterien und Pilze helfen ihm, fermentierte Basisprodukte für kreative, experimentierfreudige Köche herzustellen.

  • Kombucha ist Teamwork. Ein Kollektiv aus Mikroorganismen wandelt zuerst Zucker in Alkohol und dann den Alkohol in Essigsäure um. Dieses Hefe-und-Bakterien-Kollektiv wird Scoby
    oder auch Kombucha-Mutter genannt. (Bilder Unsplash, Stefanie Koehler)
  • Vor zehn Jahren machte Patrick Marxer seine Leidenschaft für qualitativ hochwertige, ökologisch produzierte Lebensmittel zum Beruf. Er gründete die Firma DasPure mit dem Ziel, gute Produkte noch besser zu machen. Die ersten Jahre hat sich der gelernte Laborant und Mikrobiologe in seiner Manufaktur in Wetzikon aufs Räuchern von Fisch und Fleisch sowie aufs Wursten spezialisiert. Nun weitet er sein Sortiment auf fermentierte Gemüse, Früchte, Getränke und Würzpasten aus.
  • Knoblauch eignet sich sehr gut, um erste Erfahrungen mit der Thermofermentation zu machen. Während des Prozesses wird der Knoblauch schwarz und sehr bekömmlich.
  • BUCHTIPP: «Das Noma-Handbuch Fermentation» ist ein Basiswerk. René Redzepi und David Zilber liefern Grundlagenwissen über die verschiedenen Fermentationstechniken. Sie geben Infos zur Ausstattung und über Bezugsquellen, teilen ihre Erfahrungen und Rezepte. Vor allem aber inspirieren und motivieren sie mit ihrem reich bebilderten Buch dazu, selber mit fermentierten Lebensmitteln und Getränken zu experimentieren.

Spricht Patrick Marxer über Schimmel- und Hefepilze, Essigmuttern und Kefirkristalle, leuchten seine Augen. Voller Begeisterung erklärt er Köchen, die er zu einer Degustation eingeladen hat, welche Aufgaben diese «Mitarbeiter» für ihn erledigen. Der Unternehmer stellt in seiner Firma DasPure in Wetzikon ZH unter anderem Kombucha, Koji, Miso und Essige her. Zudem fermentiert er Fisch- und Gemüsesorten. Marxer produziert für den eigenen Laden sowie im Auftrag von Köchen, die ihren Gästen neue Geschmackserlebnisse bieten möchten. «Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Je intensiver ich mich mit Fermentation befasse, desto mehr neue kulinarische Welten eröffnen sich», sagt Patrick Marxer begeistert. 

Das Experimentieren mit verschiedenen Fermentationsmethoden fasziniert ihn. Dass fermentierte Lebensmittel leichter bekömmlich sind und eine probiotische Wirkung haben, ist ein weiterer Aspekt, der ihn interessiert. Zusätzlich reizt es ihn, exotische fermentierte Produkte wie beispielsweise Miso-Paste und Fischsauce aus einheimischen Rohstoffen herzustellen.

Von Verblüffung bis Verzückung

Stolz wie ein Künstler, der an einer Vernissage sein neuestes Werk enthüllt, präsentiert Patrick Marxer seine Kreationen. Er lüftet Wachstücher, die Flüssigkeiten in Einmachgläsern abdecken, oder schraubt Deckel von Gläsern, deren Inhalt ein bisschen aussieht wie Bodenproben aus Gärten. In Wahrheit handelt es sich um verschiedene Miso-Gewürzpasten. Je nach verwendetem Rohstoff und Röstungsgrad haben die Pasten unterschiedliche Brauntöne. 

Der ehemalige Laborant lässt seine Gäste an den Gläsern schnuppern und anschliessend mit Holzstäbchen probieren. Er tröpfelt Flüssigkeiten aus Pipetten auf Probierlöffel (Essige) oder in Gläser (Kombucha und Kefir). Der Schalk in seinen Augen verrät Marxers Vorfreude auf die spontanen Reaktionen der Degustierenden. Diese reichen von anfänglicher Skepsis über Verblüffung bis zu Verzückung und unverhohlener Begeisterung über die Gaumenerlebnisse. Mal schmecken die Flüssigkeiten und Pasten würzig, mal fruchtig, malzig, blumig, krautig, nussig, säuerlich, salzig oder süss, aber immer interessant. So wie das Kürbiskern- oder Baumnuss-Miso, für dessen Herstellung Marxer den Trester, ein Restprodukt aus der Ölgewinnung, verwendet.

Miso in zig Varianten

Baumnuss-Miso ist, wie Kürbiskern-Miso und glutenfreies Miso aus weissem Mais, eine der vielen Variationen, die Marxer entwickelt hat. «Wie man Miso verwendet? Das muss jeder Koch selber ausprobieren. Das Baumnuss-Miso beispielsweise habe ich in einen Brotteig gegeben. Das Brot hatte einen sensationellen Geschmack, war luftig und blieb schön lange feucht», sagt Marxer. Auch als Brotaufstrich, zum Beispiel auf einer Brioche, schmecken das Baumnuss- oder das Kürbiskern-Miso sehr gut. Oder zu Käse. Egal, wie man es verwendet, man sollte Miso nicht heiss machen, weil es dann an Aroma verliert.

Kleine Tipps mit grossem Effekt

Patrick Marxer wird oft nach Rezepten gefragt. Ein Kochbuch zu machen, sei für ihn vorläufig kein Thema. Das Entwickeln von Rezepten überlasse er den Profis. «Ich liefere die Basisprodukte und bin gespannt, was die Köche daraus machen.» 

Ein paar Tipps hat er dennoch auf Lager. So empfiehlt er, die Pilze für ein Omelett mit Tannenschössling-Essig abzulöschen. «Damit erhält das Gericht eine sehr schöne Waldnote.» Für diesen Essig hat Marxer Trinkspiritus, Wasser, Tannenschösslinge und Essigmutter angesetzt. «Das gibt ein viel intensiveres Aroma, als wenn man die Tannenschösslinge einfach in Essig einlegt.» 

Auch für Getränke hat Patrick Marxer Ideen. Selbst gemachter Kombucha sei ideal, um Gästen einen ganz individuellen, alkoholfreien, saisonalen Hausdrink zu bieten. Als Basis kann jeder Tee verwendet und mit Scoby (Kombucha-Mutter) angesetzt werden. Bei kurzer Fermentationsdauer schmeckt Kombucha süss, bei langer säuerlich. «Kefir, mit Rosenblüten- oder Lavendelsirup abgeschmeckt, ist ebenfalls ein toller alkoholfreier Apérodrink.» Weil Metall den Kefirkulturen schadet, sollte man sie mit Plastiklöffeln umrühren. 

Patrick Marxer züchtet Kefirkristalle und Scoby selber. Um eine langsamere Reifung und somit eine schönere Perlung zu erhalten, kreuzt er verschiedene Kulturen. Seine Dörfer, wie er die Pilz- und Bakterienkulturen nennt, verkauft er unter anderem an experimentierfreudige Köche.

Hegen und pflegen wie ein Haustier

Ob Essigmutter, Kefirkristalle oder Scoby – solche Kulturen zu pflegen, ist ein bisschen so, als hätte man ein Haustier. Zwar muss man mit Scoby & Co. nicht Gassi gehen, aber regelmässig füttern, hegen und pflegen muss man die Bakterien- und Pilzkulturen. Und man muss wissen, welches «Tierchen» unter welchen Bedingungen am besten gedeiht und arbeitet. 

Kefirpilze beispielsweise fühlen sich bei wenig Sauerstoff und Zimmertemperatur am wohlsten. Zudem wollen sie regelmässig mit Zucker gefüttert sein. «24 Grad und wärmer sowie viel Sauerstoff sind für Essigbakterien super», sagt Patrick Marxer. Eine konstante Wärme von 60 Grad brauchen die Gemüse und Fische, die er luftdicht verpackt fermentiert. Blumenkohl, Knoblauch, Topinamburknollen und sogar Rettich lässt er über Wochen und Monate quasi im eigenen Saft (enzymatische Reaktion) in einer Thermokiste gären, bis sie wortwörtlich schwarz sind. Mit der Farbe verändern die Lebensmittel auch ihren Geschmack. Der Knoblauch wird mild, die Topinambur süss. Wie der Rettich schmeckt, weiss selbst Patrick Marxer noch nicht. Es ist sein erster Versuch mit diesem Gemüse.

Gespannt auf das Resultat ist der Mikrobiologe und Unternehmer auch in Bezug auf seine Bohnensauce. Diese hat er im Frühling aus Ackerbohnen und Buchweizen angesetzt. Bis zum Verkauf muss die Bohnensauce mindestens sechs Monate reifen. Zusätzlich hat er auch noch eine Fischsauce in Arbeit. Für diese hat er ausschliesslich Hecht aus Schweizer Seen verwendet. Patrick Marxer ist überzeugt: «Wenn mit der Fermentation alles klappt, haben wir ein einzigartiges, regionales Produkt erschaffen.» • 

(Riccarda Frei)


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