Die Hotel & Gastro Union hat eine Task Force gebildet, um Rezepte gegen den Fachkräftemangel zu finden. Ein Grund, warum Fachkräfte die Branche verlassen, ist die schlechte Planbarkeit der Arbeitseinsätze. Die Task-Force-Teilnehmenden diskutierten, ob und wie die Planbarkeit verbessert werden kann.
Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann». Wer jemals selber Arbeitseinsatzpläne schreiben musste, weiss das nur zu gut. Es ist wirklich eine kaum zu bewältigende Aufgabe, Arbeitspläne so zu erstellen, damit alle Mitarbeitenden glücklich und zufrieden sind. Zumal der Plan gemäss Landes-Gesamtarbeitsvertrag zwei Wochen im Voraus bekanntgegeben werden muss.
Gerade bei Betrieben, deren Gästeaufkommen stark schwankt oder wetterabhängig ist, müssen die Arbeitspläne oft im letzten Moment noch abgeändert werden. Einer, der dieses Problem kennt, ist Alexander von Waldburg. Der Leiter Gastronomie bei der Rigi Bahnen AG in Vitznau sagt: «Bei schlechtem Wetter brauche ich drei, bei schönem Wetter 20 Mitarbeitende. Ich muss flexibel agieren können.»
Flexibilität ist auch für Beat Imhof, Geschäftsführer des Casinotheater Winterthur, essenziell. Er bringt es auf den Punkt: «Je kurzfristiger ein Betrieb planen kann, desto wirtschaftlicher kann er arbeiten.» Das setze aber grosse Flexibilität und Motivation der Mitarbeitenden sowie Verbundenheit mit dem Betrieb voraus.
Wie der Erfahrungsaustausch in der Task-Force-Gruppe zeigt, ist die spontane Verfügbarkeit der Mitarbeitenden eine Knacknuss. Besonders, wenn Betriebe neu eröffnet werden.
Benito Omlin ist Mitgründer der Pastarazzi GmbH in Luzern. Das Gastronomie- und Cateringunternehmen betreibt Restaurants an sechs Standorten in der Zentralschweiz. Er weiss: «Bei einer Neueröffnung sind die Personalkosten in den ersten Monaten immer höher als an schon länger bestehenden Standorten.» Es brauche eine gewisse Zeit, bis die Mitarbeitenden eingespielt seien und man Erfahrungswerte in Bezug auf das Gästeverhalten und -aufkommen gesammelt habe. Bis es so weit sei, tendiere man dazu, eher zu viel als zu wenig Personal einzusetzen.
Wie bedeutend der Faktor Erfahrung für eine gute Arbeitseinsatzplanung ist, hat Florian Bettschen in den letzten Monaten erlebt. Er ist Küchendirektor und Mitglied der Geschäftsleitung im Casino Bern. Dieser Betrieb ist im September 2019 nach zweijähriger Umbauzeit mit neuem Konzept wiedereröffnet worden.
«Wir wollten gute Arbeitgeber sein und haben Arbeitspläne einen Monat im Voraus bekanntgegeben», sagt Florian Bettschen. Damit habe man die Mitarbeitenden aber unzufrieden gemacht, weil die Pläne zu oft an neue Situationen angepasst werden mussten. «Uns fehlte es einfach an Erfahrungswerten. Die Mitarbeitenden mussten Verständnis haben, dass der Betrieb neu ist und auch wir noch am Lernen sind.»
Verständnis scheint eine Voraussetzung für gute Planung zu sein. Benito Omlin jedenfalls versucht, seine Mitarbeitenden besser kennenzulernen und zu verstehen, was der jeweiligen Person wichtig ist. «Kennt man die Interessen der Mitarbeitenden, kann man sie individuell passend im Betrieb einsetzen und ihnen interessante Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven bieten.» Das sei nötig, wenn man Mitarbeitende langfristig im Betrieb halten oder zu Führungskräften aufbauen wolle.
Keine leichte Aufgabe, denn die Vertreterinnen und Vertreter der so genannten Generation Z gelten als recht anspruchsvolle und unstete Zeitgenossen. «Die Generation der nach 1995 Geborenen hat drei Hauptbedürfnisse: Sie wollen alles sofort haben – auch Infos und Feedback. Sie wollen selbst flexibel sein und erwarten von ihrem Arbeitgeber, dass er so flexibel ist, ihnen diesen Lebensstil zu ermöglichen. Und sie wollen Klarheit», zählt Yannick Blättler auf. Er erforscht das Verhalten der Generation Z seit einigen Jahren.
Den Task-Force-Teilnehmenden erklärt Yannick Blättler, wie diese Generation als Arbeitnehmer tickt: «Das gute Verhältnis im Team und zum Vorgesetzten ist ganz klar Nummer eins der Motivationsfaktoren. Der Lohn kommt erst an siebter Stelle.» Wichtig sei den Z-lern, dass die Arbeit interessant ist, sie in ihrer Tätigkeit einen Sinn erkennen, sich einbringen und weiterentwickeln sowie Karriere machen können.
Die beiden jüngsten Teilnehmenden an der Task-Force-Runde, Laura Loosli, Drittjahr-Kochlernende, und Jacob Schümperli, Zweitjahr-Restaurantfachlernender, stimmen ihm zu. Für beide ist das Arbeitsklima im Betrieb sowie die Art und Weise, wie sie von ihren Ausbildnern gefördert werden, enorm wichtig. «Mein Chef ist Rolf Fuchs. Es macht einfach Spass, bei ihm zu arbeiten, und es ist super, wie er mich unterstützt», sagt die «Gusto 19»-Gewinnerin. Wegen des familiären Umgangs fühlt sie sich extrem mit dem Betrieb verbunden. Emotional nicht ganz so eng mit seinem Arbeitgeber, der Swiss Re, verknüpft, ist Jacob Schümperli. Doch auch der Junior-Servicemeister 2020 weiss es sehr zu schätzen, wie engagiert der Arbeitgeber ihn ausbildet und fördert. Er ist überzeugt: «Schaffen es Lehrbetriebe, den Lernenden drei Jahre lang eine interessante Ausbildung zu geben und Perspektiven zu eröffnen, bleiben diese in der Branche.» Er gibt aber auch zu: «Meine Generation ist verwöhnt. Wenn es uns nicht passt, müssen wir nicht bleiben. Wir haben so viele Optionen und sind bereit, sie auszuprobieren.»
Beat Imhof, Geschäftsführer Casino Winterthur, nimmt den Ball auf und sagt: «Wir müssen uns den Jungen anpassen und die Kultur im Betrieb so hinbekommen, dass die Mitarbeitenden sich stärker einbringen können, das auch wollen und sich trauen.»
Sich gerne mehr einbringen würde Martina Cheung-Frauchiger. Die Hauswirtschaftsleiterin ist Mutter von Zwillingen. Sie würde sofort wieder eine Kaderstelle im Gastgewerbe übernehmen, wegen der Kinder kommt für sie aber nur ein 60-Prozent-Pensum in Frage.
Alexander von Waldburg würde auf der Rigi gerne mehr Mütter in Teilzeitpensen einstellen. «Sie sind meist gut ausgebildete und haben viel Potenzial – auch wenn sie nicht so spontan einsetzbar sind, wie kinderlose Teilzeitkräfte», sagt er.
Martina Cheung-Frauchiger bedauert, dass es auf Kaderstufe an Teilzeit- oder Jobsharing-Möglichkeiten fehlt. Selbst wenn es die gäbe, hätte die junge Mutter ein Planungsproblem. «Hauswirtschaftsleiterinnen fangen um sieben Uhr an zu arbeiten. Die Kindertagesstätte öffnet aber erst um diese Zeit.» Gäbe es Kitas mit gastronomiekompatiblen Öffnungszeiten, wären gastgewerbliche Berufe und Familienleben besser verein- und planbar.
Die Gastronomie sei schon jetzt gut planbar, findet Nico Schefer. Der Koch und Absolvent der Hotelfachschule Belvoirpark ist zuständig für Business Development bei der Prognolite GmbH (siehe Interview). Er ist der Meinung, die Branche müsse nur lernen, vorhandene Datensätze besser zu nutzen.
Obschon es unzählige digitale Personalplanungstools auf dem Markt gibt, werden sie zögerlich eingesetzt. Einerseits, weil es zeitaufwendig sei, das passende Tool für seinen Betrieb herauszusuchen, andererseits, weil es noch zu oft Probleme mit den Schnittstellen gebe. Das werde sich in Zukunft ändern, ist Nico Schefer überzeugt. Er kündigt an: «Wir stellen die Gastronomie in den nächsten zwei Jahren auf den Kopf.» Prognolite arbeitet neu mit Pauli’s Kitchen Solution zusammen, um das Prognosetool mit einem Warenbewirtschaftungssystem zu verknüpfen.
«Die Tage, in denen der Küchenchef die Lebensmittel manuell bestellen muss, sind gezählt», prophezeit Nico Schefer. Er erklärt: «Unsere Prognosen sagen schon heute, welche Menüs in welcher Menge an einem bestimmten Tag benötigt werden. Künftig kann die Warenbestellung vollautomatisch und spezifisch auf die bevorstehende Nachfrage ausgelöst werden.» Das spare Warenkosten und mindere Food Waste. Gleichzeitig habe der Küchenchef mehr Zeit, sich um wertschöpfendere Dinge sowie seine Mitarbeitenden zu kümmern.
Auch stehe die Umsetzung von Schnittstellen zu Personalplanungstools bevor. Die Systeme werden in Zukunft untereinander kommunizieren und den prognostizierten Umsatz den geplanten Mitarbeiterkosten gegenüberstellen. Der Chef sehe auf einen Blick, ob die Mitarbeiterplanung im Vergleich zu dem am jeweiligen Tag zu erwartenden Umsatz zu hohe oder zu tiefe Kosten verursachen wird. Er könne so frühzeitig passende Massnahmen ergreifen, wie Leute Überstunden abbauen lassen oder Aushilfen engagieren.
Einen Knackpunkt hat das Mitarbeiterplanungstool allerdings noch zu lösen: Mitarbeitende sind Menschen und keine Roboter. Sie haben individuelle Fähigkeiten und Eigenschaften. Sie unterscheiden sich in Know-how, Arbeitstempo, -genauigkeit und -motivation. Sollten jedoch dereinst Daten zur Qualifikation jedes einzelnen Angestellten hinterlegt sein, wird der Algorithmus das perfekte Team für den jeweiligen Einsatz automatisch zusammenstellen können.
(Riccarda Frei)
Mehr Informationen unter:
www.hotelgastrounion.ch
NICO SCHEFER
Das Planungs-Hilfsmittel Prognolite wurde entwickelt, um Gastgebern Voraussagen über das Gästeaufkommen, den Personal- und Warenaufwand und den Umsatz zu geben. Wie funktioniert das?
NicoSchefer: Unser Algorithmus greift auf die Kassendaten zu, analysiert sie unter Einbezug verschiedener Faktoren wie: Wetter, Wirtschaftslage und vielem mehr. Weiss der Algorithmus, welchen Einfluss diese Faktoren in der Vergangenheit auf den Betrieb hatten, kann er diesen für die Zukunft berechnen.
Und was kann er nicht?
Der Algorithmus kann nur prognostizieren, was schon einmal eingetroffen ist. Das heisst, Auswirkungen einer möglichen Pandemie oder Naturkatastrophe auf den Umsatz aus dem Nichts heraus, sind unmöglich. Die nötige Datengrundlage, um den zu erwartenden Umsatzrückgang zu prognostizieren, hat er erst nach ein bis zwei Wochen gesammelt.
Wie hoch ist die Trefferquote Ihrer Prognosen?
Sie liegt zwischen 90 und 95 Prozent. Mit anderen Worten: Sagen wir einem Betrieb, er mache am Tag XY einen Umsatz von 1000 Franken, wird er
an dem Tag zwischen 900 und 1100 Franken einnehmen.
Für welche Betriebstypen ist dieses Prognose-Tool geeignet?
Für die Individualgastronomie, die Erlebnis- und Systemgastronomie. In der Gemeinschaftsgastronomie sind wir noch nicht ganz so weit, gleich aussagekräftige Prognosen erstellen zu können.
Warum nicht?
In der Gemeinschaftsgastronomie werden Sammelmenüs getippt. Das bedeutet: Man tippt das Tagesmenü eins oder zwei. Das Kassensystem weiss aber nicht, ob das Menü eins Schnitzel-Pommes oder Spaghetti Napoli ist. Auf dieser ungewissen Datengrundlage kann das System zwar problemlos Umsatz-, aber nicht Artikelprognosen erstellen.
Welche Daten muss ein Betrieb zur Verfügung stellen, um genaue Prognosen zu bekommen?
Die Kassendaten von mindestens einem Jahr. Optimal wären Daten von zwei bis drei Jahren. Weitere Angaben zum Beispiel aus dem CRM oder manuelle Eingaben durch den Restaurant Manager sind nicht nötig.