Madrid Fusión 2020: Reif fürs Reifen von Fisch

«Essentielle Küche: bewusste Einfachheit» lautete das Motto der Madrid Fusión. Der Fachkongress für Gastronomie überzeugte auch in seiner 18. Ausgabe mit aufschlussreichen Präsentationen und lehrreichen Workshops. Für Begeisterung sorgte das Thema Fisch-«Aging».

  • Bei Joshua Niland werden die Fische vor und während des Agings akribisch trocken gehalten. (Bilder ZVG)
  • Koji Kimura schneidet den Fischschwanz ab und blutet den Fisch mit Hilfe mehrerer Injektionen aus ionisiertem saurem Wasser aus.

Die volljährig gewordene Madrid Fusión fand in diesem Jahr an einem neuen Veranstaltungsort statt. In zwei neuen Messehallen präsentierten 230 Unternehmungen ihr Angebot für Gastronomen und Barkeeper. Darüber hinaus wurde in einer der neuen Hallen zum ersten Mal der MIP Madrid International Pastry Kongress durchgeführt. Verschiedene Referenten zeigten auf der kleinen MIP-Bühne die professionelle Herstellung von Backwaren und erklärten den fachmännischen Umgang mit Schokolade. Für wissenshungrige Gastronomen stand hingegen das grosse Auditorium im Fokus ihres Interesses. Verteilt auf drei Tage präsentierten dort Profis aus fünf Kontinenten in über 30 spannenden Vorträgen, wie zeitgemässe Kulinarik geht.

Aging-Technik, die auf Wasserentzug basiert

An der diesjährigen Madrid Fusión sorgten zwei Präsentationen über das Aging von Fisch für viel Aufmerksamkeit. Chefkoch Josh Niland (Saint Peter, Sydney), auch bekannt als «Fischmetzger» (Fish Butchery, Sydney), möchte mit dem von ihm entwickelten Reifungsprozess unseren Konsum von Meeresfischen verändern. Bekanntlich lautet das Kredo beim Fisch «je frischer, umso besser die Qualität». Niland sieht das anders, denn seiner Meinung nach entwickelt sich das arttypische Aroma eines Fisches erst nach mehreren Tagen. Die von Niland präsentierte Aging-Technik basiert unter anderem auf dem Entzug von Wasser. Nach jahrelangem Tüfteln erkannte er, dass Wasser, respektive wasserabgebendes Eis der grösste Feind von totem Fisch und für dessen Verderb massgeblich verantwortlich ist. Deshalb werden bei Niland die Fische vor und während des Agings akribisch trocken gehalten.
Bei dem vom Australier entwickelten Dry-Aging-Verfahren wird zuerst die äussere Fischhaut abgeschnitten und anschliessend wird der Fisch in aufsaugendes Papier eingewickelt. Der trockene Fisch wird dann in einem Kühlraum (zwischen 0° und -2° Grad Celsius) bei einer Luftfeuchtigkeit von 75 bis 80 Prozent bis zu einem Monat abgehangen. Dabei wird das Einwickelpapier regelmässig gewechselt. Bei Nilands Präsentation mit auf der Bühne war der spanische Spitzenkoch Dani García. Dieser hat die revolutionäre Reifetechnik von Niland studiert und bereits erfolgreich auf Lobsterschwänze adaptiert.

Ausbluten und in Salzlake reifen lassen

Zwei Tage später zeigte der Japaner Koji Kimura (Sushi Kimura, Tokio) eine weitere Art des Fischreifens. Hierfür schneidet Kimura den Fischschwanz ab und blutet den Fisch mit Hilfe mehrerer Injektionen aus ionisiertem saurem Wasser aus. Mit solchen Spülinjektionen tötet er gleichzeitig auch unerwünschte Bakterien ab. Der vollständig entblutete Fisch wird dann oberflächlich mit Fischöl eingerieben. Anschliessend wird der Fisch in eine dreiprozentige Salzlake eingelegt, welche täglich gewechselt wird. Nach weiteren Behandlungen mit Salz reift der Fisch, abhängig von der Grösse und des Alters, schliesslich bis zu 60 Tage.
Gleich wie beim Verfahren von Nieland verändert sich während des Reifens die Textur und der gereifte Fisch entwickelt sein typisches Eigenaroma und Umami. Es scheint, als sei nach dem Reifen von Wild und Fleisch nun die Zeit reif für das Reifen von Fisch. Dies ist aus Textur- und Geschmacksgründen sinnvoll und ist darüber hinaus Teil eines nachhaltigen Umgangs mit Fisch. Entsprechend ist es nur eine Frage der Zeit, bis Köche und der Handel das Dry-Aging-Verfahren für Fisch anwenden.

(Patrick Zbinden)