«Unser Erfolg erhöht den Druck auf andere Skigebiete»

Die Ski-Saisonkarte für 222 Franken – Saas Fee ist ein Marketing-Coup gelungen. Über die Nachhaltigkeit lässt sich allerdings streiten. Urs Zurbriggen, stv. CEO der Saastal Bergbahnen, blickt im Exklusiv-Interview in die Zukunft.

  • Gelungener Marketing-Coup: Das Skigebiet Saas-Fee ist in aller Munde. (ZVG)
  • Urs Zurbriggen, COO und stellvertretender CEO der Saastal Bergbahnen. (ZVG)

Seit dem 21. Oktober 2016 können sich Personen über die Plattform <link http: www.we-make-it-happen.ch>www.we-make-it-happen.ch für eine Saas-Fee Wintercard registrieren und stark vergünstigte Skipässe für ein Jahr (222 Franken), drei Jahre (622 Franken) oder 15 Jahre (2999 Franken) gekauft werden. Die Bedingung, dass der Deal realisiert wird: Es müssen bis zum 27. November 100'000 Skipässe verkauft werden. Nun wurde der Deal bereits bei 75'000 Käufern realisiert. Während Hoteliers in der Walliser Region jubeln, ist die Branche gespalten: Ob die Marketing-Idee nachhaltig nutzt oder doch den Preisdruck in diesem Verdrängungskampf weiter erhöht, wird sich zeigen.

Urs Zurbriggen, stv. CEO der Saastal Bergbahnen, spricht im Exklusiv-Interview über die Aktion und wagt einen Blick in die Zukunft.

HGZ: Herr Zurbriggen, weshalb entschieden Sie bereits bei 75'000 Abonnenten, den Deal durchzuziehen?

75‘000, das ist doch ein Wahnsinn! 25 Mal mehr als das ganze Saastal Einwohner hat. Mit dem Entscheid, bereits jetzt zu kommunizieren, dass der Deal stattfindet, wollen wir uns bei allen Teilnehmenden bedanken. Die täglichen Bestellungen für die vergünstigten Saisonabonnemente der Saastal Bergbahnen zogen im Verlauf der Woche enorm an. So stark, dass das wir bereits vier Tage vor dem offiziellen Ablauf der Crowdfunding-Aktion das Zustandekommen des «Hammerdeals» verkündet. Mehr noch: Wir rechnen damit, dass das erforderliche Quantum von 99999 Bestellungen übertroffen werde, heisst es vom Unternehmen. Uns selber macht es natürlich auch Spass zu sehen, dass innovative Ideen durchaus Erfolg haben können. Dazu läuft die Aktion noch weiter. Bis zum 27. November werden wir wohl die 100‘000er Grenze geknackt haben. Alle wollen dabei sein. Der spielerische, kreative und gemeinschaftliche Charakter der Aktion ist von da her sogar gesellschaftlich relevant.

Rechneten Sie zu Beginn wirklich damit, dass die Aktion umgesetzt wird, oder wollten Sie damit erst mal vor allem Aufmerksamkeit erhalten?

Obwohl in den Medien immer wieder von einem Marketing-Gag gesprochen wurde, waren wir von Anfang an überzeugt, dass wir es schaffen können. Manchmal braucht es einfach Kreative, Mutige und Verrückte, dass innovative Projekte überhaupt angegangen werden. Wir haben über 8 Monate intensiv daran gearbeitet und der Erfolg zeigt uns, dass wir nicht bloss richtiglagen, sondern so weitermachen müssen.

Wie kamen Sie auf diese innovative Idee?

Klar, wir hatten kreative Querdenker von aussen. Menschen, die nicht bloss jammerten, dass die Logiernächtezahlen und die Anzahl Skierdays seit Jahren rückläufig waren. Als das Projekt vorgestellt wurde, waren wir sofort überzeugt: das ist es. Das Stichwort heisst Crowdfunding – ein Business Modell welches bereits in anderen Industrien erfolgreich umgesetzt wurde. Damit bringen wir die Zahlen wieder nach oben und Schneesport in der Schweiz wird wieder attraktiv. Die minutiös geplante Wintercard ist deshalb auch eine Antwort auf den Euro und die Konkurrenz in Österreich.

Wie kam die Idee intern an? Gab es Zweifel?

Die Begeisterung der Bevölkerung war einfach grossartig. Klar, es gibt auch immer einige destruktive Stimmen, wenn man innovative Wege geht. Einige Menschen tun sich halt schwer mit neuen Ideen. Dass der Erfolg der einen Destination gleichzeitig den Handlungsdruck auf andere Skigebiete erhöht, liegt in der Natur des Wettbewerbs.

Was erhoffen Sie sich von den verbleibenden Tagen bis zum 27. November?

Die Menschen lassen sich begeistern. Wir sind überzeugt, dass über 100‘000 Menschen zu den Glücklichen gehören wollen. Mit einem Anteil von 40 Prozent an den eingegangenen Bestellungen haben Hotels und andere Leistungsträger massgeblich zum Erfolg beigetragen. Sie sind es gleichzeitig, die sich in den kommenden Wintern grosse Vorteile von der Aktion versprechen. Anstelle der üblichen Mehrtagesabos können die Hotels ihren Gästen die preiswerten Ein- oder Mehrjahresabonnemente ab 222 Franken anbieten. Die Hoffnung, die Gäste mögen dank des Saison-Freipasses erneut in die Destination zurückkehren, scheint sich bereits zu erfüllen, wie erste Hoteliers bestätigen.

Sie bieten 1-, 3- und 15-Jahresabos an. Von welchen Verkäufen sind Sie am meisten überrascht?

Vor der Bekanntgabe der Durchführung des Deals waren die 1-Jahrespässe sehr gefragt. Seit wir wissen, dass der Deal stattfindet, sind die 3-Jahres-Saisonpässe sehr beliebt. Und da bieten wir auch die Möglichkeit, vom Jahrespass auf den Mehrjahrespass zu wechseln. Diese Treue ist sehr erfreulich und spricht für die Qualität der Destination, in einer Zeit wo es immer weniger Stammkunden gibt.

Wie viele Abos haben Sie in den letzten Jahren verkauft?

Im vergangenen Winter haben wir ca 125'000 Pässe verkauft (vom 1/2-Tagespass bis zum Saisonpass).

Wie werten Sie die 75'000 Abos?

Wir sind sehr stolz, dass so viele Teilnehmer an dieses innovative Produkt glauben. Auch die durchwegs positiven Rückmeldungen zeigen, dass Innovation, Kreativität und Mut auch im Tourismus sehr wichtig sind. Wir sind stolz als Pioniere diese Entwicklung anzustossen. Neben dem sensationellen Feedback von unseren Kunden konnten wir das erfolgreichste Crowdfunding-Projekt Europas realisieren.

Woher stammen die 75'000 Abonnenten?

Zurzeit sind etwa 85% der Buchungen sind aus der Schweiz, wo auch der Fokus der Kampagne war. Die restlichen 15% sind aus dem Ausland, wobei der grösste Teil davon aus Deutschland, England und den Benelux-Ländern kommt.

Wie haben Sie die Aktion im Ausland bekannt gemacht?

Wir haben die Aktion durch Medienmitteilungen und Aktionen unserer Partner auch im Ausland bekannt gemacht. Dazu gehörten zum Beispiel Auftritte in Skihallen von London und Amsterdam, aber auch diverse Print- und Onlineberichte unserer Marketingpartner. Zudem haben unsere Hotels und Vermieter ihre Stammkunden im Ausland auf das Produkt aufmerksam gemacht.

Es droht der grosse Ansturm. Kann Saas-Fee so viele Skigäste aufnehmen?

Ja, Saas-Fee kann die Gästezahl bewältigen, da die Lenkung grösstenteils über die Bettenkapazität der Destination stattfindet. Wir haben im Saastal etwa 12'000 Gästebetten zur Verfügung. Durch die Distanz zu grösseren Zentren gehen wir davon aus, dass Schneesportler ihren Aufenthalt mit Übernachtungen im Tal verbinden. Wir werden zudem mit Elektro-Skibussen einen Shuttleservice vom Parkplatz zu den Bergbahnen anbieten.

Wie haben Sie die Realisierung des Deals gefeiert?

Noch nicht. Klar, wir haben echt Freude, dass unsere Erwartungen so eingetroffen sind. Wir spüren eine grosse Solidarität unter den lokalen Leistungsträgern. Es herrscht eine sehr positive Stimmung im Dorf. Aber die Arbeit kommt nun erst richtig. Wir wollen schliesslich über 100‘000 glückliche Menschen beherbergen.

Auf welche innovativen Ideen darf man sich demnächst freuen?

Wir sind schon an neuen Ideen dran. Unsere Kreativität wurde mit dem Erfolg gepusht. Mit diesem Schritt haben wir die Basis gesetzt für das digitale Marketing und wir möchten die Tourismus- und Bergbahnbranche revolutionieren. Mit dieser Aktion können wir viel von unserem Gast lernen und ihm in der Zukunft bedürfnisgerechte Produkte anbieten können.

Sie werden durch diese Aktion grosse Einnahmen generieren, in den folgenden Jahren allerdings deutlich weniger, da die Gäste nun ja ausgestattet sind. Wie gehen Sie diese Herausforderung an?

Das sehen wir ganz anders, da wir jetzt schon den Umsatz für dieses Jahr in der Kasse haben und wenn wir den Kunden richtig bedienen und pflegen, dann wird er wieder zu uns kommen. Keine Frage: Mit der Wintercard Aktion ist uns ein Marketing-Coup gelungen. Das Skigebiet Saas-Fee ist in aller Munde, kaum ein Schweizer Medium, welches nicht über das Angebot berichtet hat. Ob die Aktion Vorbildcharakter hat oder vielmehr einen gefährlichen Präzedenzfall darstellt, kann heute noch niemand abschliessend beurteilen. Dass der Erfolg der einen Destination gleichzeitig den Handlungsdruck auf andere Skigebiete erhöht, liegt in der Natur des Wettbewerbs. Zudem ist die Nachfrage nach der Wintercard derart gross, dass wir dieses Produkt weiter ausbauen werden. Wir können mit dem Geld unsere Angebote verbessern. Und wir sind für neue Überraschungen bereit.

(Interview Benny Epstein)