Neue Massnahmen für die Gastronomie? Die Bundesratssitzung von morgen Mittwoch, 28. Oktober, lässt das vermuten. An einer Medienkonferenz in Zürich legt die Spitze von Gastrosuisse dar, wie schlimm es um die Branche steht – auch ohne weiterführende Massnahmen.
«Das Gastgewerbe steht kurz vor dem Kollaps», sagt Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse. «Viele unserer Betriebe stehen vor dem Aus und ohne Unterstützung der Politik überlebt die Gastronomie diese Krise nicht.» Wie dramatisch die Situation ist, zeigt eine kürzlich durchgeführte Mitgliederbefragung. Fast alle Betriebe haben weniger Umsatz als im Vorjahr erwirtschaftet. Besonders schlimm sei die Situation in grossen Städten. Mehr als zwei Drittel der Betriebe (69,4 Prozent) befinden sich aufgrund der Corona-Pandemie in finanziellen Schwierigkeiten. «Beinahe der Hälfte der Betriebe droht Anfang 2021 der Konkurs», sagt Platzer.
Im ersten Halbjahr 2020 sind gemäss dem Bundesamt für Statistik 33'000 Arbeitsplätze im Gastgewerbe verloren gegangen. Langfristig seien rund 100'000 gefährdet. «Wenn wir nicht so viele Arbeitsplätze verlieren wollen, müssen Sofortmassnahmen zur Unterstützung der Branche eingeleitet werden», so Platzer.
Unterstützt in seinen Forderungen wurde Gastrosuisse-Präsident Platzer an der Medienkonferenz in Zürich von drei Regionalpräsidenten des Verbandes: Maurus Ebneter vom Wirteverband Basel-Stadt, Urs Pfäffli von Gastro Zürich-City sowie André Roduit, Président Gastro Valais. In allen drei Regionen klingt es ähnlich: «Uns fehlen die Events, die Anlässe, Messen, Kongresse, Bankette und die ausländischen Touristen.» Die Betriebe in der Stadt seien insbesondere auch durch die Weisung zum Homeoffice betroffen. «Die Mieten in den Zentren sind hoch, diese Betriebe sind auf starke Frequenzen angewiesen. Wenn nun aber das Mittagsgeschäft noch mehr wegbricht, ist das ein harter Schlag», sagt Maurus Ebneter.
Urs Pfäffli pflichtet bei: «Seit dem erneuten Aufruf zum Homeoffice in der letzten Woche steht Zürich wieder still. Ich habe noch nie eine so drastische Annullierungswelle erlebt.» Restaurants in der City haben vielerorts einen Einbruch von 60 bis 70 Prozent erlitten. Für den Zürcher Gastronom steht daher ausser Frage: «Unsere Regierung riskiert, dass die Gastronomie innert ganz kurzer Zeit frontal an die Wand gefahren wird.»
Auch der Präsident von Gastro Valais, André Roduit, befürchtet gleiche Szenarien für seine Region: «Von unseren Mitgliedern gehen alarmierende Signale aus. Sollte die Situation anhalten und die Wintersaison nicht stattfinden können, gibt es einen allgemeinen Zusammenbruch der Branche und eine beispiellose Krise.»
Erwiesenermassen, so die Referenten, sei nicht die Gastronomie der Ort, wo die meisten Ansteckungen registriert werden. Zudem wird der Nutzen einer angedachten Polizeisperrstunde angezweifelt: «Was nützt es, wenn wir trotz unseres strengen Hygieneregimes pro Tisch nur vier Personen dulden dürfen, im privaten Bereich aber Feste ohne Schutzkonzept bis zu 15 Personen erlaubt sind?»
Dass der Wirt derzeit in der Praxis tatsächlich in die Rolle eines Polizisten schlüpfen muss, bestätigt Esther Friedli, SVP-Nationalrätin und Wirtin im Gasthaus zur Sonne in Ebnat-Kappel/SG. «Bei der Vier-Personen-Regel ist es schwierig, dem fünften und sechsten Gast zu verbieten, sich an den gleichen Tisch zu setzen.» Das Schlimme dabei sei, dass der Wirt gebüsst werde, wenn er dies nicht zu verhindern wisse. Für Friedli waren besonders die letzten zehn Tage schlimm. «Wegen der steigenden Fallzahlen sagten viele Gäste ab.» Verstärkt würde dies durch öffentliche Aussagen von Mitgliedern der Covid-Taskforce, die von einem Restaurantbesuch dringend abraten.
Deshalb die Botschaft aller Anwesenden an die Politik: Das Gastgewerbe erwartet ohne substanzielle Hilfe einen gewaltigen Stellenabbau und eine noch nie dagewesene Konkursflut. Casimir Platzer plädiert in seinem Schlusswort zudem dafür, dass die Kurzarbeitsentschädigung über den 31. Dezember hinaus entrichtet werden soll: «Die Krise ist nicht am 1. Januar 2021 vorbei.» Die Branche brauche unbedingt wieder Planungssicherheit und eine Perspektive. Casimir Platzer fordert: «Ein zweiter Lockdown muss unbedingt vermieden werden.»
(Ruth Marending)