«2016 wurde zu viel gejammert – 2017 nicht»

In den letzten zwei Jahren wurden die Schweizer Winzer zur Unzeit vom Frost heimgesucht. Wie schlimm steht es um den Wein tatsächlich?

Frost und Kerzen: Was im Bild schön aussieht, bescherte den Winzern in den letzten Jahren manch schlaflose Nacht. (ZVG)

Das Wehklagen der Weinbauern war gross am Morgen des 28. April 2016. In der Nacht davor floss arktische Luft über die Schweiz, die Temperaturen sanken auf mehrere Grad Celsius unter Null. Viele junge Triebe überlebten die Nacht nicht. Einige Winzer versuchten, ihre Reben mit Frostkerzen zu schützen und gewannen damit 1 bis 1,5 Grad. Die meisten aber machten sich zu spät auf die Suche nach den Kerzen – sie waren längst ausverkauft. Viele Triebe erfroren.

Zu teuer: Kaum einer hatte seine Reben gegen Frost versichert

Eine Frostnacht zur Unzeit, wie sie die Schweiz seit 1981 nicht mehr erlebte. Einzelne Weinbauern sprachen je nach Lage und Rebsorte von einem Ausfall von bis zu zwei Dritteln der Ernte, wobei sich seriöse Prognosen wohl nicht in den ersten Tagen nach dem Frost tätigen liessen. Denn noch war unklar, ob sich nach dem Absterben der Hauptaugen in den darauffolgenden Wochen Nebenaugen entwickeln würden. Diese werden normalerweise entfernt, nach dem Frost aber hätten sie die Ernte des 2016er-Jahrgangs retten können.

Wie schlimm erwischte es die Winzer, von denen sich aufgrund der hohen Kosten und der kleinen Wahrscheinlichkeit kaum einer eine Versicherung gegen Frostschaden geleistet hatte, letztlich? Der Schweizer Weinhändler Gerstl lud kürzlich zur «Degustation Schweiz und Österreich» ins Zürcher Volkshaus. Die Hotellerie Gastronomie Zeitung nutzte die Gelegenheit, um bei den Vertretern der Bündner Herrschaft nachzufragen.

«Vom Chardonnay 2017 wird es rund achtzig Prozent weniger geben.» -Thomas Studach, Winzer aus Malans/GR
 

«Wir sind sehr glimpflich davongekommen», berichtet Peter Wegelin, der in Malans zu Hause ist. Er keltert neun Hektaren Trauben, von denen über die Hälfte auf seinen eigenen Parzellen wächst. «Wir haben fast eine volle Ernte erzielt.» Ähnlich klingt es bei Matthias Möhr-Niggli, dessen Pinot Noir «Pilgrim» in den letzten Jahren zum neuen Shootingstar der Region heranwuchs: «Alles halb so wild, wir sind zufrieden. Der Schock war gross, aber letztlich haben sich die Reben gut erholt und schöne Früchte heranreifen lassen.»

Peter Wegelin gesteht mit einem Lachen im Gesicht: «Im Jahr 2016 haben viele Winzer zu früh und zu laut gejammert. Das sind halt Bauern und die jammern halt immer gerne.» Diese Meinung teilt auch Gian-Battista von Tscharner, der auf 5,3 Hektaren Fläche in Maienfeld, Jenins, Chur und Felsberg nicht nur Wein anbaut, sondern auch Spargeln: «Viel Lärm um nichts – der 2016er ist definitiv nicht das Problem.»

Verheerendes 2017 für viele Winzer – nicht für Gantenbein

Das grosse Problem der Winzer ist der 2017er-Jahrgang. In den Nächten vom 20. und 21. April fielen die Temperaturen deutlich in den Minusbereich. Weil der März davor ausserordentlich warm war, waren die Reben bereits ausgetrieben und erfroren abermals. Diesmal traf es die Winzer in der gesamten Schweiz viel härter. Manche erlitten fast einen kompletten Ausfall.

Thomas Studach, der in Malans auf drei Hektaren Jahr für Jahr Spitzenweine produziert: «Vom Chardonnay 2017 wird es rund achtzig Prozent weniger geben als sonst.» Die allermeisten Winzer traf es ähnlich hart. Einziger Lichtblick: Immerhin sind die Trauben, die gelesen werden konnten, von hervorragender Qualität.

Keinen Grund zum Trübsal blasen gibt es indes für Daniel Gantenbein, dessen Fläscher Weine weit über die Landesgrenzen bekannt sind: «Wir hatten frühzeitig genügend Frostkerzen gekauft. Eine teure Investition, aber so blieben wir vom Frost gänzlich verschont.» 

(Benny Epstein)