Das Zimmermädchen, die Hüterin der Geheimnisse – eine Zeitreise

Es gab in der Hotellerie keine Berufsgruppe, die so viele und so intime Einblicke ins Privatleben der Gäste hatte wie Zimmermädchen.

Zimmermädchen waren früher Putzfrau, Zofe, Einkäuferin und Vertraute der Gäste zugleich. (Hotelarchiv)

Berufsbild und Renommee der Zimmermädchen haben sich in 120 Jahren stark verändert. Heute kümmern sich Hotelfachleute und ausländische Reinigungskräfte um die Sauberkeit der Zimmer. Früher waren auf der Etage hauptsächlich junge, mehrsprachige Schweizerinnen angestellt. Sie arbeiteten meist ohne Lohn, lebten nur vom Trinkgeld. Ihre Hauptarbeiten standen immer in direktem Bezug zur persönlichen Hygiene des Gastes und seiner individuellen Bedürfnisse.

Putzfrau, Zofe, Einkäuferin und Vertraute in Personalunion

Das Zimmermädchen war bei der Ankunft der Gäste im Zimmer, um deren umfangreiche Garderobe sofort auszupacken. In der Regel blieben die Gäste ja mehrere Wochen im Hotel. Zeit genug, um sich näher kennenzulernen.

So nah, dass es einem im wahrsten Sinne des Wortes stinken konnte. Bevor es Wasserklosetts gab, war das Leeren des Nachttopfes und das fachgerechte Entsorgen der Exkremente die wichtigste Aufgabe der Zimmermädchen. Dazu kippten sie den Inhalt der Nachttöpfe von verschiedenen Zimmern in einen speziellen Eimer. Dieser hatte einen Deckel. So sollte die Geruchsemission niedrig gehalten werden, wenn der Kotkübel durchs Haus getragen wurde.

Für weibliche Gäste gab es neben dem Nachttopf einen weiteren intimen Kübel. Dort hinein legten sie ihre benutzten, aus ägyptischer Baumwolle handgenähten Monatsbinden. Diese waren sehr wertvoll. Sie wurden daher nicht weggeworfen, sondern vom Zimmermädchen gewaschen, getrocknet und der Madame zur Wiederverwendung diskret in die Schublade gelegt. Das Zimmermädchen war auch für die Pflege der Kleider zuständig. Zudem bediente es weibliche Gäste, die ohne eigene Zofe anreisten. Die Damen brauchten jemanden, der ihnen das Korsett schnürte oder die Haare hochsteckte.

Umgekehrte Karriereleiter

War ein Zimmermädchen sehr geschickt, sprach sich das herum. Die Gäste buchten bei der Reservation auch gleich dieses bestimmte Mädchen. Stimmte das Trinkgeld, reisten clevere Zimmermädchen den Gästen von Hotel zu Hotel nach. «Es gab auch welche, die mit und auf Kosten der Gäste reisten oder fest in deren Dienste traten», weiss Evelyne Lüthi-Graf, Geschäftsführerin Hotelarchiv Schweiz. Ihre eigene Grossmutter war ein solches Zimmermädchen. «Meine Grossmutter hat sich von der Saaltochter zum Zimmermädchen und zur Etagen-Gouvernante hochgearbeitet. Eine Lady nahm sie für ein Jahr sogar mit nach London.»

Damals war es ein sozialer Aufstieg, wenn man aus dem Service auf die Etage wechseln durfte. Und statt hoch, arbeiteten sich die Zimmermädchen runter. Vom vierten Stock auf die Belle-Etage, wo die wohlhabendsten, einflussreichsten Gäste logierten.

Schweigepflicht

«Ein Zimmermädchen hatte nie frei. Es stand den Gästen rund um die Uhr zur Verfügung und musste schweigen können», sagt Evelyne Lüthi-Graf. Zwar hatten die Zimmermädchen offiziell pro Woche einen halben Tag Urlaub, doch diesen verbrachten sie meist damit, Besorgungen und Botengänge für die Gäste zu erledigen. Manche davon führten heimlich in die Apotheke. Es war zu der Zeit noch üblich, dass Ehemänner ihre Frauen schlugen. Zimmermädchen haben das natürlich mitbekommen. Sie waren für die diskrete Versorgung von blauen Flecken und Wunden zuständig. Auch sonst bekamen die Zimmermädchen einiges mit. Ein Hinweis darauf ist ein Brief, der im Archiv eines längst geschlossenen Hotels oberhalb von Montreux liegt. In diesem bittet ein Londoner Anwalt den Hoteldirektor darum, ihm Etagenpersonal als Zeugen in einem Scheidungsprozess zur Verfügung zu stellen.

Erotische Fantasien

Hotels, die auf sich hielten, stellten nur die hübschesten jungen Frauen als Zimmermädchen ein. Etwa so, wie es Fluggesellschaften teilweise noch heute tun. Die fachliche Qualität und die Schönheit der Zimmermädchen trugen sehr zum Ruhm eines Hotels bei. Ihr stets freundliches, dienstbefliessenes Auftreten weckte bei den männlichen Gästen und Hotelangestellten jedoch gewisse Gelüste. Um die jungen Frauen vor Übergriffen zudringlicher Gäste zu schützen, stellten die Hotels für alleinreisende Herren männliche Zimmermädchen ein. Die sogenannten Valet de chambre.

Ob es genützt hat? Wer weiss. Das kokette oder devote, aber immer sexy Zimmermädchen jedenfalls ist nach wie vor eine beliebte Figur in erotischen Fantasien. In der Literatur ebenso wie im Film.

(Riccarda Frei)