Ein Hotel ohne Hierarchien: Sie gehen in Pontresina neue Wege

Bald eröffnet ein neues Sunstar-Hotel in Pontresina/GR seine Tore. Die Direktorinnen setzen auf eine neue Art der Arbeitsorganisation.

«Die Arbeit, die in einem Hotel anfällt, können wir nicht ändern», sagt Eva Leitner, Co-Direktorin des Hotels Sunstar Pontresina. «Woran wir etwas ändern können, ist die Aufteilung der Verantwortung, die Art der Organisation, die Löhne.» Das will sie gemeinsam mit Co-Direktorin Noëmie Ruckstuhl im neuen Betrieb der Schweizer Hotelkette angehen.

Schon das Konzept wird sich im «Sunstar Pontresina» von anderen Hotels unterscheiden. Es ist eine Mischung aus Ferienwohnung und Hotel. Der Betrieb umfasst 21 Loft-Apartments mit Küchenecke für vier Personen und 26 Doppelzimmer. 17 der Lofts können mit einem Doppelzimmer verbunden werden – für grössere Familien beispielsweise.

Auch beim Essen sind die Gäste flexibel. «Wir haben festgestellt, dass viele nicht mehr jeden Abend am selben Tisch ein Halbpensionsmenü essen wollen», so Ruckstuhl. «Bei uns ist deshalb nur das Frühstück inbegriffen.» Ansonsten haben die Gäste die Wahl: selber kochen, ein Restaurant im Dorf besuchen oder eine Mahlzeit von der kleinen Karte im Aufenthaltsbereich des Hotels, genannt «Social Area», bestellen.

Neben den Gästebedürfnissen spielt auch der Fachkräftemangel bei der Ausgestaltung des Konzepts eine Rolle. «Die Zimmerreinigung ist bei uns nicht automatisch inbegriffen», so Ruckstuhl. Auch eine Réception im klassischen Sinne gibt es nicht, die Buchungen laufen über die Sunstar-Zentrale. So haben die Mitarbeitenden im Bereich Guest Relations Zeit, sich auf die Anliegen der Gäste zu fokussieren.

Mut steht an erster Stelle

Ein grosser Teil der Mitarbeitenden für das «Sunstar Pontresina» haben Ruckstuhl und Leitner bereits gefunden. Gesucht haben die Gastgeberinnen ihr Team mit einem einzigen Stelleninserat. «Bist du mutig?», so die Überschrift. Ein klassisches Anforderungsprofil fehlte. «Wir suchten Leute, die Freude am Beruf haben, offen und flexibel sind», sagt Eva Leitner.

Es sei auch möglich, in mehreren Abteilungen zu arbeiten, zum Beispiel im Housekeeping und im Service. Unabdingbar sei eine gewisse Selbständigkeit. Denn es wird keine Gouvernante und keinen Chef de service geben. «Wir setzen auf Selbstorganisation und teilen die Verantwortung im Team auf», so Leitner. Konkret geschieht diese Aufteilung über so genannte Mini-Rollen. Das kann das Giessen der Pflanzen sein, das Bestellen von Lebensmitteln oder die Stundenkontrolle. Geht die für eine Aufgabe verantwortliche Person in die Ferien, muss sie dafür sorgen, dass jemand für sie übernimmt. «Die Mini-Rollen verteilen wir im ganzen Team, und wir werden die Aufteilung regelmässig überprüfen», erklärt Noëmie Ruckstuhl.

Eva Leitner (links) und Noëmie Ruckstuhl freuen sich auf den Start. (zvg)

Wer mehr Verantwortung trägt, kann im «Sunstar Pontresina» auch entsprechend mehr verdienen. Das Lohnkonzept geht von einem Basislohn aus, der für alle Mitarbeitenden gleich hoch ist. Neben der Verantwortung gibt es drei weitere Lohnbausteine: das Alter, die Berufserfahrung und die Ausbildung.


«Wir werden viel kommunizieren und an der Selbstorganisation arbeiten müssen.»

Noëmie Ruckstuhl, Co-Direktorin


Zwischen zwölf und 15 Personen werden im «Sunstar Pontresina» arbeiten. Gut die Hälfte der bisher Eingestellten hat eine Ausbildung im Gastgewerbe. «Unser Konzept eignet sich auch für Quer- und Wiedereinsteigende», so Eva Leitner. Die neue Art der Organisation stösst auf Interesse. So war das Konzept im letzten Herbst für den Hotel Innovation Award nominiert. Die beiden Co-Direktorinnen können die Eröffnung, die auf die Sommersaison vorgesehen ist, kaum erwarten. «Wir wissen nicht, ob alles klappt, wie wir es uns vorstellen. Wenn wir es aber jetzt nicht versuchen, wer macht es dann sonst?»

(Alice Guldimann)


Mehr Informationen unter:

pontresina.sunstar.ch