Vom Kind bis zum Pensionierten – das Smartphone-Spiel begeistert. Mit gezielten Tricks können Gastronomiebetriebe damit Gäste anlocken.
Es klingt wie ein Märchen: eine New Yorker Pizzeria steigerte innerhalb eines Wochenendes ihren Umsatz um 75 Prozent. Nur weil der Inhaber das Spiel Pokémon Go richtig einsetzte.
Und tatsächlich scheint das Spiel die Menschen in den Bann zu ziehen. Seit zwei Monaten schauen sie gebannt auf ihr Smartphone. An manchen Orten in Stadtzentren tummeln sich Scharen von Menschen, einige campieren sogar auf der Strasse. «Pokémon Go» – das ist der neueste Clou des japanischen Spieleherstellers Nintendo. Weltweit wurde das Spiel eine halbe Milliarde Mal heruntergeladen. In der Schweiz gibt es etwa 200 000 aktive Spieler jeden Alters.
Das Spiel ist in der Art eine Revolution, da es die Nutzer zwingt, unterwegs zu sein. Das Ziel ist dabei, alle der 143 Pokémon zu fangen – das sind bunte Figuren aus dem ehemaligen Trickfilm, die mit etwas Fantasie an Tiere erinnern. Die Monster lauern auf den Strassen, bei Sehenswürdigkeiten und eben auch in Hotels und Restaurants. Der Spieler sieht sie dank GPS, wenn er in der Nähe ist. Dann werden die Figuren auf dem Display des Telefons in die echte Umgebung projeziert.
200 000 aktive Spieler – das sind 200 000 potenzielle Kunden. Denn je länger ein Spieler an einem «Pokéstop» bleibt, desto mehr Figuren können gefangen werden. «Oft sitzt man bis zu drei oder vier Stunden am gleichen Ort. Das ist absolut keine Seltenheit», erzählt Bruno, der mit seinem Kollegen Nico der Administrator der <link https: www.facebook.com pokemongoschweiz2016>grössten Schweizer Community auf Facebook ist. Und diese Zeit können Gastronomen oder Hoteliers wirkungsvoll für sich nutzen. «Der Hype ist noch lange nicht vorbei», erklärt Bruno, der über 17 000 Mitglieder in seiner Gruppe tagtäglich mit News versorgt und früher selbst Koch war, «mit dem neuen Update im Oktober eröffnen sich für die Gastronomie ganz neue Möglichkeiten.»
Die meisten Figuren fängt man an den so genannten Pokéstops. Diese sind willkürlich verteilt, die meisten gibt es bei Sehenswürdigkeiten in Stadtzentren. Der Casinoplatz in Bern hat gleich fünf solcher Stopps beieinander, der Sternenplatz in Luzern vier. Befindet sich ein Gastronomie betrieb in der Nähe eines Pokéstops, könnten Mitarbeitende des Betriebs so genannte «Lockmodule» kaufen.
Ein Lockmodul kostet einen Franken. Ein Paket von acht Modulen gibt es für 6.80 Franken. Ist ein Modul aktiviert, tauchen in den nächsten 30 Minuten besonders viele Pokémon an dieser Stelle auf – die ideale Zeit für ein Getränk oder Snack. Für den Spieler ist es aus einer grösseren Entfernung ersichtlich, wo und wann ein Lockstoff eingesetzt wurde.
Diesen Tipp entdeckte auch die Confiserie Bachmann in Luzern. Glücklicherweise standen bereits drei Pokéstops vor der Filiale. «Wir verstreuten zusätzlich 170 Lockmodule innerhalb von zwei Wochen», erzählt Marketingleiterin Eugenie Nicoud, «die Filiale war teilweise prall gefüllt. Und das bei einer derart kleinen Investition.» Zusätzlich druckte die Confiserie Plakate, um auf die Stopps hinzuweisen und promotete die Aktionen auf den Social-Media-Kanälen. Zudem hatten sie die Idee, Cupcakes mit einem Pokémon-Motiv zu backen, um die Spieler anzusprechen. 1000 Stück wurden davon bereits verkauft.
Einige Gastronomen lassen die Lockmodule auch von Gästen einsetzen, die im Gegenzug ein Getränk oder eine Glace erhalten.
Doch nicht nur Pokéstops locken Spieler an. Auch Arenen haben eine ähnliche Wirkung. «Viele Mitarbeiter haben bei uns gespielt und so entdeckten wir, dass direkt beim Hotel du Glacier eine Arena steht», erzählt Simone Werner, General Manager der Dom Collection Hotels in Saas-Fee. Sie druckten Flyer und Fotos, um auf die gesichteten Pokémon aufmerksam zu machen.
Ausserdem läuft im Hotel momentan eine Aktion, die auf den Levels der Spieler basiert. Je länger ein Nutzer spielt und je mehr Pokémon gefangen werden desto höher steigt man im Level auf. Ab Level fünf vergibt das Hotel einen Cookie, ab Level 21 gibt es gratis Kaffee und Kuchen. Und ab Level 25 erhält man 25 Prozent Rabatt auf den Zimmerpreis. «Wir mussten die Levels mit der Zeit sogar hochsetzen, weil uns die Kekse aus-gegangen waren», erzählt Werner. «Ich hoffe, dass es irgendwann die Möglichkeit gibt, Pokéstops zu kaufen. Dann könnten die Gäste noch mehr fangen», erwähnt sie weiter. Tatsächlich gab es für einige Wochen die Funktion, Pokéstops zu kaufen, doch diese wurde wegen der fehlenden Durchschaubarkeit wieder deaktiviert.
Ein weiteres Feature des Spiels sind die Teams, für die man sich ab dem fünften Level entscheidet. Es gibt die Teams Blau, Gelb und Rot. Das Swissôtel Le Plaza in Basel überlegte sich daraufhin, für jedes Team einen speziellen Cocktail anzubieten. Gin-Lemongrass für Gelb, Granatapfel für Rot und Gin-Gurke für Blau.
Einige Gastronomen geben ein paar Prozente auf den Verzehr, je nach Team fünf, sieben oder zehn Prozent.
Obwohl in der Lobby des Swissôtels ein Pokéstop steht, ist es grundsätzlich nicht notwendig, einen Stopp oder eine Arena in der Nähe zu haben, um das Spiel marketingtechnisch zu nutzen. Seltene Pokémon tauchen oft an den gleichen Stellen auf. Wurde eines dieser raren Monster in einem Lokal gesehen oder gefangen, könnte man das promoten.
Auf Oktober dieses Jahres hat sich ein neues Update des Spiels angekündigt. Neben noch weiteren freigeschalteten Pokémon wird es vielleicht möglich sein, live gegen andere Spieler in Arenen zu kämpfen. «Wenn das freigeschaltet wird, profitieren Gastronomen extrem davon. Sie könnten beispielsweise Turniere in den Lokalen organisieren und den Siegern ein Menü oder einen Gutschein offerieren», erklärt Pokémon-Experte Bruno.
Schliesslich ist der heisse Sommer passé. Spieler müssen sich wärmere Orte in der Umgebung suchen. Und Wirte freuen sich über zusätzlichen Umsatz.
(Anna Shemyakova)