In der Altstadt geht die Post ab

Sursee boomt. An den Wochenenden kommen Leute aus der ganzen Region in die Altstadt. Doch was, wenn der Betrieb ausserhalb liegt?

  • Die Stadt Sursee entwickelte sich im Spätmittelalter zu einem Gemeinwesen, das seine Bedeutung als Etappen- und Marktort an der alten Gotthardroute, als Verwaltungsort für wichtige Klöster wie durch regsames Handwerk und Gewerbe zum Ausdruck brachte. (Bilder Priska Ketterer)
  • Die historische Altstadt von Sursee vermittelt noch immer das Bild dieser spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Entwicklung.
  • Rechts unten: Im Vordergrund steht das alte Hotel Hirschen in Oberkirch und hinten der Neubau.
  • Gespräch im «Hirschen» mit der HGZ. Von links: Mario Gsell, Markus Wicki, Moritz Rogger, Barbara Friedli und René Foster.

Sursee und Oberkirch sind zwar zusammengewachsen, aber zwei eigenständige Gemeinden. Laut Eigenwerbung ist Sursee eine goldene Kleinstadt im Herzen der Schweiz. Da Sursee bahn- und strassenmässig gut erschlossen ist, wächst die ganze Region. 2008 hatte Sursee noch 8690 Einwohner. Heute sind es knapp über 10 000. Oberkirch ist in derselben Zeit von 3411 Einwohnern auf über 4700 gewachsen. In den beiden Gemeinden zusammen gibt es 40 Betriebe, die bei Gastrosuisse Mitglied sind. Laut dem Präsidenten von Gastro Sursee Moritz Rogger seien dies praktisch alle Gastronomiebetriebe ausser einigen Imbissen und Take-aways. Insgesamt geht es den Restaurants in Sursee und Oberkirch gut. Sie profitieren von der wachsenden Einwohnerzahl und von 14 000 Arbeitsplätzen, die allein Sursee bietet. Viele Mitarbeiter gehen über Mittag nicht nach Hause und verpflegen sich auswärts. Zudem ist die Altstadt von Sursee am Wochenende Partymeile für die ganze Region – nicht immer zur Freude der Einwohnerinnen und Einwohner des Zentrums. So gibt es immer wieder Klagen über zu später Nachtstunde lärmende Restaurantbesucher und -besucherinnen.  

Von einer Nachtruhestörung sind die Gesprächsteilnehmer des Roundtable der HGZ weniger betroffen. Réne Fosters Betrieb, der «Wyhof», liegt zwar in Sursee, aber eben nicht in der Altstadt, sondern gegenüber dem Bahnhof. So weit entfernt von der Altstadt kommt das Partyvolk nicht vorbei. Das gleiche Problem kennen Moritz Rogger vom Hotel Restaurant Feld und Markus Wicki vom Hotel Restaurant Hirschen. Sie haben ihre Lokale in Oberkirch. Und dahin verirrt sich das Partyvolk gar nie. Was tun also die drei Betriebe, um ihre Lokale auch an den Abenden und an den Wochenenden zu füllen. Das und vieles mehr ist Thema des Gespräches im «Hirschen». Dieses Lokal haben wir gewählt, weil Markus Wicki seinen Betrieb gerade massiv ausbaut. Was übrigens die vierte Person am Tisch, Barbara Friedli von Sempachersee Tourismus, freut.

Markus Wicki, Sie eröffnen in Kürze ein neues Hotel. Wie kommt es, dass Sie hier in Oberkirch so viel investieren?
Markus Wicki
: Wir hatten vorher neun Zimmer und eine Gastronomie. Die Zimmer kamen in die Jahre, und wir mussten uns entscheiden, auf das Anbieten von Zimmern zu verzichten oder zu investieren. Denn neun Zimmer sind wirtschaftlich nicht tragbar. Es ging darum, entweder einen Schritt rückwärts oder vorwärts zu machen. Also nur noch fünf statt sieben Tage offen zu haben, sechs Wochen Betriebsferien zu machen und das Restaurant nur über Mittag und am Abend zu öffnen. Oder zu vergrössern und sieben Tagen offen zu bleiben. Wir entschieden uns, zu vergrössern, damit die Wirtschaftlichkeit wieder gegeben ist. Neu werden wir 48 Zimmer und 4 Suiten haben. Barbara Friedli: Es gibt in der Region einige sehr grosse Betriebe wie das Seminarhotel oder den Campus und dann mehrere eher kleinere Betriebe. Wenn wir Gruppenanfragen haben und diese alle am gleichen Ort übernachten wollen, kommen wir schnell an Kapazitätsgrenzen.

Markus Wicki, mit welcher Auslastung rechnen Sie?
Wicki: Der Benchmark liegt bei 57 Prozent. Aber ich habe natürlich ganz andere Erwartungen. Man muss natürlich gut sein – mit tollen Zimmern zu einem fairen Preis. Der Kunde ist heute preisbewusst. Früher waren vor allem Firmen noch eher bereit, einen hohen Preis zu bezahlen. Aber heute mit Onlinebuchungssystemen sind die Preise vergleichbar, und der Gast fragt nach dem besten Preis. Zudem haben wir das ganze Jahr dieselben Preise. Wir können hier nicht wie Messeorte oder Saisongebiete die Preise je nach Auslastung erhöhen. Also auch nicht, wenn mal ein Jodlerfest oder sonst ein grosser Anlass in der Region stattfindet. 

Rechnen Sie vor allem mit Individualtouristen oder mit Gruppen?
Wicki: In der Mehrheit werden es Individualtouristen sein. Und Angestellte von Firmen sowie Handelsreisende. Oder einfach Familien, die mal nach Sursee kommen. 

Barbara Friedli, wer kommt eigentlich nach Sursee zum Übernachten?
Friedli: Zum ganz grossen Teil sind es Personen aus der Schweiz.

Wie viele Logiernächte haben Sie in der Region? 
Friedli: 2018 waren es 203 000. 2017 waren es 200 000. Wir verzeichnen in den letzten Jahren ein leichtes Wachstum. 

Wo liegen die Probleme im Tourismus in der Region?
Friedli: Das Problem ist der Bekanntheitsgrad. Wir sind eine typische Durchgangsregion. Es geht also darum, die Gäste dazu zu bringen, auch einige Tage zu bleiben und nicht nur für eine Nacht auf der Fahrt in den Süden. Das andere Problem sind die fehlenden Betten. Deshalb sind wir, wie erwähnt, froh, wenn Betriebe wie der «Hirschen» aufrüsten. 

Wo werben Sie für die Region?  
Friedli: Wir sind an der Luga in Luzern und am Slow-up präsent. Wir können nicht an die grossen europäischen Messen. Das können wir nicht finanzieren. Vieles läuft über einen Newsletter und unsere Webseite.

Moritz Rogger, wie geht es eigentlich den Restaurants generell in Sursee und Oberkirch? 
Rogger: Generell geht es den Restaurants hier gut, wenn man die Situation mit der ganzen Schweiz vergleicht. Wir haben ein gutes Wachstum. Die Bevölkerungszahlen in der Region steigen enorm. Trotzdem sind die Mietpreise für Gastrobetriebe noch tragbar. Wir haben eine grosse Vielfalt an Konzepten. Und wegen der grossen Konkurrenz ist das Niveau hoch. Wir haben auch viele verschiedene Länderkonzepte. Die klassische Gastronomie ist schon fast ein Nischenprodukt.  Betriebe wie der «Wyhof» sind Ausnahmen.
René Foster: Ja, das ist so. Gegenwärtig überlegen wir uns, ganz auf ein Brasseriekonzept umzustellen. Denn in der Region gibt es keine klassische Brasserie. So bieten wir schon heute ein Entrecôte an mit Café de Paris aus 25 verschiedenen Kräutern. Wir wollen keine grosse Karte, dafür das Angebotene gut gemacht. 

René Foster, Sie haben mit über 60 nochmals ein Restaurant eröffnet. Wie sind Sie dazu gekommen?
Foster: Ich habe zehn Jahre lang Betriebe in Zermatt geführt und war zuletzt im «Zunfthaus zur Waag» in Zürich tätig. Ich habe auch in Zürich nach einem Lokal gesucht, allerdings sind dort die Preise extrem hoch. Daher habe ich mir überlegt, in meinen schönen Heimatkanton Luzern zurückzukehren. Die Ausschreibung des «Wyhof» hat sofort mein Interesse geweckt, und ich war sehr glücklich, den Zuschlag zu erhalten. Das Lokal hat Potenzial und eine Grösse, die mit verhältnismässig wenig Mitarbeitenden geführt werden kann. Zudem ist Sursee zentral gelegen und verfügt über einen Autobahnanschluss. 

Sie haben im Februar eröffnet. Wie zufrieden sind Sie mit dem Umsatz? 
Foster: Es gibt natürlich noch einiges zu tun, um den angestrebten Umsatz zu erreichen. Schwierig ist vor allem das Wochenende. Daher haben wir den Samstag-Familientisch eingeführt. Dieser soll Familien zu einem gemeinsamen Mittagsessen zusammenführen und ihnen die Gelegenheit geben, sich auszutauschen, etwas, was im normalen Alltag meist zu kurz kommt. Mit unserem Event-Programm bieten wir ein breites Angebot von saisonalen Spezialitäten bis zu Gourmetabenden mit Spitzenköchen. Damit versuchen wir, die Leute zu uns ins Restaurant Wyhof zu bringen, bevor sie in die Altstadt gehen. 

Gibt es dieses Problem auch in Oberkirch? 
Rogger: Ja, wir haben eine wunderbare Terrasse mit Kastanienbäumen. Aber manchmal ist sie an einem schönen Sommerabend leer. Der Mensch ist heute so, er geht ins Zentrum. Man will gesehen werden. 

Was tun Sie dagegen? 
Rogger: Am Freitagabend heizen wir den Grill an. Mit guter Qualität und Mundwerbung sind wir erfolgreich unterwegs. Am besten laufen bei uns aber Bankette in den Sälen. Wir haben viele kleine Bankette und Familienfeiern.

Und wie sieht es bei Ihnen aus, Markus Wicki? 
wicki: Im Moment sind wir nicht repräsentativ. Heute Mittag war das Restaurant voll. Aber das ist zurzeit die Ausnahme. Seit wir umbauen und die Gäste nach draussen in den WC-Wagen müssen, haben wir viel weniger Gäste. Darunter haben wir ziemlich gelitten. Das haben wir leider unterschätzt. Vor 37 Jahren hatten wir einen Brand und danach ein Provisorium. Das war eine richtige Festhütte, der Betrieb ist besser gelaufen als vorher.  Deshalb ging ich davon aus, dass es einen Höhenflug gibt. Da kann man noch die Baustelle besichtigen und so weiter. Aber das interessiert niemanden. Das funktioniert in den Städten mit den Pop-ups, aber nicht hier. Irgendwann nimmt man es hin und konzentriert sich auf die Zukunft.

Markus Wicki, was ist Ihr Konzept? 
Wicki: Wir sind ein traditionelles und individuelles Gasthaus.
Rogger: Neben einem guten Konzept ist auch die Zusammenarbeit mit den anderen Betrieben wichtig. Dann kommen wir weiter, als wenn jeder nur für sich schaut.
Wicki: Dem kann ich nur zustimmen. Wenn man die Gäste gegeneinander ausspielt, schadet man allen Betrieben. Wenn wir einander helfen, kommen alle weiter. 
Friedli: Und die Zusammenarbeit läuft wirklich gut. Natürlich gibt es auch Pappenheimer, die nur ihr Ding machen, aber das sind Ausnahmen.

(Interview Mario Gsell)