Wenn Sekundarschüler ihre Eltern einchecken

Der Fachkräftemangel macht auch vor dem Berner Oberland nicht halt. Doch Not macht erfinderisch.

Schnuppern in der Hotelküche: anfangs mit Hilfe, später selbständig. (ZVG)

Vom 30. Oktober bis zum 4. November war das Hotel Alpina in Adelboden Schauplatz eines Pilotprojekts des Hotelier-Vereins Berner Oberland und der Hotelleriesuisse. «Wir führen ein Hotel», hiess es für die 16 Jugendlichen einer neunten Schulklasse aus Grosshöchstetten/BE. Für sechs Tage tauchten sie in die Hotelbranche ein. Dank praxisorientiertem Einblick sollten den Schülerinnen und Schülern die vielseitigen Möglichkeiten der Branche gezeigt werden. Finanziert wurde die Projektwoche von Hotelleriesuisse und vom Jubiläumsbudget des Hotelier-Vereins Berner Oberland. Dieser feiert heuer sein 100-jähriges Bestehen.

In der Vorbereitung auf die Projektwoche wurde die Klasse in vier Gruppen geteilt. Urs Dummermuth, Direktionsassistent und Projektleiter des Hotels Alpina, erläutert: «Das Réceptionsteam war verantwortlich für die Buchungen und Reservationsbestätigungen für die Eltern und erledigten auch alle anderen anfallenden Réceptionsarbeiten wie die Gestaltung der Morgenpost sowie Check-ins und Check-outs. Die Servicecrew deckte die Tische für die Mahlzeiten ein, bereitete Buffets vor, nahm Bestellungen auf und servierte Menüs. Die Küchengruppe bereitete die Speisen in der warmen und der kalten Küche vor, stellte die Platten für das Frühstücksbuffet her und erledigte auch Reinigungsarbeiten. Das Hauswirtschaftsteam bereitete die Gästezimmer vor, machte allgemeine Reinigungsarbeiten, arbeitete in der Wäscherei und erledigte den Zimmerservice.»

Schüler sind nun selbständiger

Nachdem die Jugendlichen vom Hotelpersonal in die Arbeiten eingeführt worden waren, erfüllten sie die Aufgaben immer selbständiger. Darüber freut sich Klassenlehrer Andreas Oetliker ganz besonders: «Zurück im Schulalltag kann man einen echten Unterschied erkennen, was die Selbständigkeit und die Zuverlässigkeit der Jugendlichen angeht.» Das Highlight der Woche: Am Freitag reisten die Eltern der Sek-Schüler an, um im Hotel zu dinieren und zu übernachten. Die Reservationen wickelten die Jugendlichen selbst ab, das Nachtessen ebenso. «Den Freitagmorgen werde ich in spezieller Erinnerung behalten», ist Urs Dummermuth sicher. «Ich ging von Gruppe zu Gruppe, alle arbeiteten konzentriert und motiviert.» Das Hotel war übrigens während der gesamten Woche für jegliche Hotelgäste offen. Die Rückmeldungen zum jungen Personal waren äusserst positiv.

Künftig jährliche Projektwoche?

Auch die Eltern wurden positiv überrascht: Dass einige der Sek-Klässler den Service bereits mit drei Tellern aufs Mal beherrschten, verblüffte die Gäste.

Nicht zuletzt waren aber auch die Schüler positiv überrascht – nämlich von der Vielfalt der Tätigkeiten in der Hotellerie. «In der neunten Klasse ist die Berufswahl immer noch Thema», weiss Annette Köchli-Stoffel, Geschäftsführerin des Hotelier-Vereins Berner Oberland. «Teilweise haben die Schüler schon eine Richtung eingeschlagen, andere lassen sich noch inspirieren. Es könnte gut sein, dass sich ein, zwei Schüler konkreter für einen Beruf in der Hotellerie interessieren.» Bei einer Schülerin habe sich die Lust auf eine Karriere in der Hotelbranche konkretisiert, erzählt Urs Dummermuth: «Ein Mädchen zeigte grosses Interesse am Beruf der Hotelfachfrau und überlegt sich, ob eine EFZ-Lehre mit Berufsmatur das Richtige für sie sein könnte.»

Das erste Feedback aller beteiligten Parteien ist positiv. Mitte Dezember wird analysiert und entschieden, ob eine solche Projektwoche künftig fix in den Jahresplan des Berner Oberlands integriert wird, wie Annette Köchli-Stoffel bestätigt: «Der Fachkräftemangel ist ein Thema, das wir angehen. Die Nachwuchsförderung steht bei uns seit Jahren in den strategischen Zielen.» Als ehemaliges Schulhotel von Hotelleriesuisse wäre das «Alpina» geradezu prädestiniert für solche Spezialwochen.

Um die Jugendlichen rechtzeitig auf den Geschmack der Hotellerie zu bringen, denkt Urs Dummermuth indes an eine kleine Änderung: «Wir könnten uns eine Wiederholung des Projektes auch mit Schülerinnen und Schülern der achten Klasse vorstellen. Auf dieser Stufe liegt der Fokus klar bei der Berufswahl.»

(Benny Epstein)


Mehr Informationen unter:

www.alpina-adelboden.ch