Abwaschen oder wegwerfen

Porzellan oder Plastik? Das ist nicht nur eine Frage des Stils, sondern auch des Profits.

Temperaturbeständig und bruchsicher: Mehrweggeschirr aus Melamin und Bestecke aus Polystyrol. (iStock)

Bei der Mille Portails – Special Caterings & Events GmbH kommen an den meisten Anlässen Porzellan, Metallbesteck und Gläser zum Einsatz. Dies auch bei der Freilicht­inszenierung Helvetische Revolution in Murten. Vom 18. Mai bis 2.Juli wird im «Patrizierstübli» auf dem Gelände des historischen Theater-Events an jedem Spiel-abend ein Drei-Gang-Menü serviert. Zur Bewirtung der jeweils bis zu 300 Gäste wurden in Brokenstuben Porzellanteller zusammengesucht. «Es kann sein, dass jeder Gast einen anderen Teller erhält», sagt Franziska Abplanalp, Mitinhaberin von Mille Portails, dem offiziellen Gastronomiepartner des Events. «Die alten Dekors auf dem Porzellan passen in die napoleonische Zeit, in der die Helvetische Revolution spielt.»

Für sieben Wochen wurde rund zwei Kilometer ausserhalb der Murtener Stadtmauern ein kleines Dorf errichtet. «Anders als beim Event vor zwei Jahren, als wir das Geschirr in unserer Berner Zentrale reinigten, haben wir dieses Jahr einen Geschirrspüler vor Ort», ergänzt Franziska Abplanalp. «Das vereinfacht die Logistik und spart Transportkosten.»

An den Selbstbedienungsständen in der Public Zone, wo sich bis 1500 Zuschauer verpflegen, kommen Einwegschalen und -teller aus Palmblättern zum Einsatz.

Guter Ruf, aber ein ökologischer Unsinn

Einweggeschirr, das sich anfühlt wie Kunststoff, hat einen schlechten Ruf. «Während Jahrzehnten wurde uns eingetrichtert, Plastik schade der Umwelt», sagt Hanspeter Isch von der EJS Verpackungen AG in Schüpfen/BE. Deshalb beruhigten wir unser Gewissen mit Holzbesteck und Tellern aus Palmblättern. Der Energieaufwand in der Produktion wurde ausgeblendet. «Geschirr aus Palmblättern hat ein positives Image, obwohl dessen Produktion mehr Energie verschlingt als Kartonteller, einem ebenfalls nachwachsenden Rohstoff», sagt Hanspeter Isch. Auch Einweggeschirr aus Maisstärke sei energieintensiv in der Herstellung und keine wirkliche Alternative. Der Rohstoff dafür käme aus Ländern, die oft selber zu wenig von allem hätten.

Selbst das Argument der Kompostierbarkeit ist für Hanspeter Isch nicht stichhaltig. «Palmblatt- und Maisstärkegeschirr kann nur in professionellen Anlagen kompostiert werden. Denn dazu braucht es eine gewisse Temperatur und die richtige Feuchtigkeit.» Deshalb lande das meiste in der Kehrichtverbrennung. Viel Energie in die Produktion zu stecken, sei ökologischer Unsinn. Auch wenn aus dem Abfall wieder Energie oder Wärme entstünde.

Mehrwegbecher haben eine bessere Ökobilanz

Die Umweltministerien Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gaben eine Studie in Auftrag, die im Rahmen des Nachhaltigkeitskonzepts für die Fussball-Europameisterschaft 2008 die Ökobilanz von Mehrwegbecher-Systemen mit Einweg-Lösungen verglich. Dieses Jahr steht wieder eine Fussball-EM bevor und die Studie hat nichts an Aktualität eingebüsst. Denn unter Berücksichtigung des Mehraufwandes für den Transport und des Waschens schnitt damals das Mehrweg-System deutlich besser ab.

Noch heute führt das beste Einwegszenario zu einer doppelt so hohen Umweltbelastung wie das ungünstigste Mehrweg-System. Die Studie bestätigt die Aussage von Hanspeter Isch, wonach Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen nicht zwingend ökologisch günstiger seien als dieselben Produkte aus konventionellen Kunststoffen. Berns Lösung für saubere Veranstaltungen Öffentliche Veranstaltungen bereichern jede Stadt. Umso wichtiger ist es, den öffentlichen Raum auch in Festlaune entsprechend zu pflegen. Saubere Veranstaltungen schonen die Umwelt, führen zu einer grösseren Akzeptanz in der Bevölkerung und fördern das Image der Veranstaltung und der Stadt bei Einheimischen sowie Besuchern gleichermassen.

Aus diesem Grund hat die Stadt Bern als erste Schweizer Stadt für bewilligungspflichtige Veranstaltungen auf öffentlichem Grund die Mehrweg- und Pfandgeschirrpflicht eingeführt. Einweggebinde sind nicht erlaubt. «Ausnahmen gibt es höchstens am Grand Prix von Bern bei der Unterwegsverpflegung der Läufer», sagt Rolf Bolz von Entsorgung und Recycling der Stadt Bern. «Nach dem Rennen wird eingesammelt, was liegen bleibt.» Auf ihrer Webseite hält die Stadt einen Leitfaden für saubere Feste sowie einen Abfallkonzept-Raster zum Herunterladen bereit. «Die Veranstalter sind von dieser Dienstleistung begeistert. Darin vermitteln wir nicht nur Adressen von Anbietern von Mehrweggeschirr, sondern wir rechnen auch vor, wie viel Geld gespart werden kann, wenn weniger Abfall zu entsorgen ist», erklärt Rolf Bolz.

Das Berner Modell macht Schule und wurde bereits von den Städten Thun, Basel und Fribourg übernommen. Auch andere Städte verlangen von Veranstaltern Abfallkonzepte. In den Leitfäden werden Mehrwegbecher und -geschirr mit Depot empfohlen. Die meisten empfehlen auch aus ­Sicherheitsgründen, auf Glasgebinde zu verzichten. Am Gurtenfestival kommen bedruckte Becher und Teller sowie eingefärbtes Besteck zum Einsatz. Pro Becher werden zwei Franken Depot verlangt, für Teller und Besteck je ein Franken und 50 Rappen für PET-Flaschen. «Wir arbeiten ohne Jetons und haben damit gute Erfahrungen gemacht», sagt Simon Haldemann, Verantwortlicher für Food & Beverage. Das Depot hilft aufzuräumen. Wenn jemand seine Sachen liegen lässt, gibt es garantiert einen anderen, der diese einsammelt und dafür das Depot kassiert. Zudem werden die Kunden angehalten, sorgsam mit dem Geschirr umzugehen. Bei entsprechender Kommunikation können Veranstalter darauf hinweisen, dass sie bei der Rückgabe von defekter Ware kein Depot zurückerstatten.

Mitarbeiter müssen nie mehr abwaschen

Die Vorteile von Mehrweggeschirr überzeugen. 87,8 Prozent der Schweizer Festivalgäste bevorzugen Mehrweg. Dieser hebt das Image der Veranstaltung. Und das Wichtigste dabei ist, dass die Mitarbeiter nicht abwaschen müssen. Denn Vermieter wie Swiss Cup Service in Interlaken/BE, Cup Systems in Münchenstein/BL oder Cup & More mit Niederlassungen in Niederwil/SG und Vuisternens-en-Ogoz/FR erstellen ein massgeschneidertes Konzept für jede Art von Anlass. Sie liefern ­Geschirr und Becher in hygienischen Transportboxen. Das gebrauchte, schmutzige Geschirr wird wieder in die Transportboxen verpackt und beim Anbieter gereinigt. Swiss Cup Service bietet mit dem Logo des Veranstalters bedruckte Becher an und übernimmt die Auslieferung, Reinigung, zentrale Lagerung sowie die Abrechnung. PET-Flaschen, Biertanks und Château Carton Wasser und Süssgetränke in 50-cl-PET-Flaschen sind von Grossveranstaltungen nicht wegzudenken. Gegen Bier aus dem Tank gezapft, hat niemand etwas einzuwenden.

Nur beim Wein sind viele Veranstalter immer noch der Ansicht, dass dieser aus Flaschen ausgeschenkt werden müsse. Dabei gibt es mittlerweile sehr gute Gewächse aus der Box, wie Château Carton diese anbietet. Zudem ist eine Box einfacher zu entsorgen als Glasflaschen.

Gabriel Tinguely