Der Koch, der keine Wurzeln schlägt

Spitzenkoch Ralph Schelling kocht auf der ganzen Welt für die Reichen und Schönen. Sesshaft werden ist ­­für ihn undenkbar.

Manchmal vermisse er es schon, in einem festen Team zu arbeiten, gibt Ralph Schelling zu: «Einer Mannschaft anzugehören, mit der man gemeinsam auf ein Ziel hinarbeitet und Erfolge feiern kann.» Doch das Nomadenleben – sei es in der Schweiz oder weltweit – hat es dem Spitzenkoch angetan. Rund einen Viertel seiner Arbeitszeit verbringt er im Ausland. Von seinem Atelier in Cham/ZG reist er nach Ibiza, Capri, Malibu oder Aspen. Er kocht für Luxusmarken und Superreiche, vom exklusiven Anlass in einer Kunstgalerie mit sechs Personen bis zur rauschenden Hochzeit mit 120 Gästen.


«Die besten Gerichte schaffen es, ein Gefühl auszulösen.»

Ralph Schelling


Sein Handwerk hat Ralph Schelling von den Besten gelernt. Angefangen bei Zweisternekoch Horst Petermann in Küsnacht/ZH, war er später Teil des Teams von Andreas Caminada, dann zog es ihn nach London und nach Tokio. «Mit Abstand die prägendste Zeit für mich war die Saison, die ich im ‹El Bulli› in Spanien verbracht habe», so Schelling. «Ferran Adrià ist ein bodenständiger Koch, der die Passion für seinen Beruf lebt.» 

Eine Zeit lang träumte auch Ralph Schelling vom eigenen, mit Michelin-Sternen geschmückten Restaurant. Heute, wo er seit zehn Jahren seinen eigenen Weg geht, ist das für ihn nicht mehr vorstellbar. Als Private Chef kann er seine Kreativität täglich neu ausleben und kulinarisch die Welt entdecken. Am meisten fasziniert ­ihn dabei die Alltagsküche und die Traditionen dahinter. «Die Gerichte, die am meisten in Erinnerung bleiben, sind oft einfach und bestehen aus wenigen, regionalen Zutaten.» An dieser Authentizität orientiert sich Ralph Schelling und versucht, sie in seine Arbeit einfliessen zu lassen. Von weither importierte Trendprodukte interessieren ihn nicht, einen Teller Ravioli würde er meistens einem Sieben-Gang-Menü vorziehen.

Lokale Traditionen ehren

Für seine Menüs lässt sich der Spitzenkoch am liebsten auf lokalen Märkten inspirieren. So auch in der Karibik, wo er für die Feriengäste auf der Privatinsel Jumby Bay, die zu Antigua und Barbuda gehört, ein Food-Konzept kreierte - eines seiner liebsten Projekte. «Meinen ursprünglichen Plan habe ich komplett über den Haufen geworfen, als ich das Land kennengelernt habe», erzählt Schelling. So schafften es Fungee Balls ins Menü, ein traditionelles Gericht, das hauptsächlich aus Maismehl, Wasser und Okra besteht. Aber auch in der Schweiz setzt er auf ungewöhnliche Zutaten: So entdeckte er jüngst japanische Zierquitten für sich, die in vielen Gärten wachsen und als Lebensmittel noch unbekannt sind.

Ralph Schelling nimmt die Zutaten, mit denen er kocht, gerne selbst unter die Lupe. Auch Unkonventionelles kommt bei ihm auf den Tisch. (Bruno Augsburger)

Im Alltag wird Schelling von zwei Mitarbeitenden unterstützt. «Meine rechte Hand, Lilly Gygax, übernimmt viel Organisatorisches für mich, da ich sehr chaotisch bin», erzählt er. «Früher habe ich bis zur Blumendeko alles selber gemacht, heute kann ich mich auf den kreativen Part konzentrieren.» Ralph Schelling arbeitet wie ein Aktionskünstler. Für jeden einzelnen Event kreiert er ein massgeschneidertes kulinarisches Kunstwerk, das es nur einmal gibt. Dass der Freigeist sich bald wieder an einen festen Arbeitsplatz binden lässt, ist wenig wahrscheinlich.

(Alice Guldimann)


Mehr Informationen unter:

ralphschelling.com

instagram.com/ralph.schelling