Die Krux mit der Zimmerstunde

Der Artikel «Chefs müssen flexibler sein» in der HGZ 30/19 über das Treffen der von der Hotel & Gastro Union initiierten Task Force löste grosses Echo aus. Besonders die Zimmerstunde gab zu reden.

Die Zimmerstunde auf der Piste verbringen – noch heute ist das oft mit ein Grund, eine Saisonstelle überhaupt anzunehmen.(Swiss Image)

Für die einen gehört die Zimmerstunde abgeschafft, für andere ist sie eine willkommene Pause. Für Adrian Beutler, dem stellvertretenden Leiter Gastronomie/Leiter Küche am Spital STS AG Thun, ist sie ein notwendiges Übel.

Höhere Personalkosten

«Die Zimmerstunde ist für viele Arbeitnehmende unattraktiv und ein markanter Demotivationsfaktor», weiss Adrian Beutler. Er würde gerne Dienstpläne ohne Zimmerstunde erstellen, doch dies ist ihm nicht möglich. «Wir haben mit einer externen Beratungsfirma die Abschaffung der Zimmerstunde angeschaut. Der einzige Weg, wie wir sie umgehen könnten, bedingt eine Aufstockung des Personalbestands.» Die zusätzlichen Stellen konnte das Spital aus Kostengründen aber nicht schaffen. «Als Alternative haben wir im Küchenlagergang einen Ruheraum gebaut. Dahin können sich Mitarbeitende in der Zimmerstunde zurückziehen.»

Ganz verabschiedet von der Idee, die Zimmerstunde abzuschaffen, hat sich Adrian Beutler aber noch nicht. Er möchte das Thema noch einmal angehen. Diesmal mit seinen Mitarbeitenden. «Ich gehe davon aus, dass sie motiviert mithelfen werden, eine Lösung zu finden. Dienste ohne Zimmerstunde entsprechen ja ihrem Bedürfnis.»

Es geht auch ohne Zimmerstunde

Beat Imhof ist Geschäftsführer des Casinotheaters Winterthur. Er hat früher als Koch selber viele Jahre mit Zimmerstunde gearbeitet und diese sehr unterschiedlich erlebt. «In der Wintersaison in Arosa war die Zimmerstunde grandios. Im Stadthotel ist sie hingegen mühsam, wenn man nicht in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnt.» 

Im Casinotheater hat Beat Imhof die Zimmerstunde für seine Mitarbeitenden weitgehend abgeschafft. «90 Prozent der Dienste sind bei uns inzwischen ohne Zimmerstunde.» Dieser Umstand sei bei der Akquise von neuen Mitarbeitenden sehr hilfreich. «Manche Mitarbeitende finden es aber auch richtig gut, Zimmerstunde zu haben», hat Beat Imhof festgestellt. Er persönlich bevorzugt das Modell «Vier Tage arbeiten, drei Tage frei». Kennengelernt hat er diese Arbeitszeitvariante in Norwegen, wo es keine Zimmerstunde gibt. «Das Vier-Drei-Modell sehe ich für die Zukunft als sehr starken Attraktivtätsfaktor.»

Für ihn besteht die grösste Herausforderung bei der Abschaffung der Zimmerstunde darin, dies ohne Erhöhung der Lohnkosten zu schaffen. «Es ist eine Frage von Effizienz versus Attraktivität», sagt Imhof. Diesen Spagat hinzubekommen, sei besonders für kleine Betriebe schwierig. 

Ein Hotel, das seit 2018 mehrheitlich auf die Zimmerstunde verzichtet und damit gute Erfahrungen gemacht hat, ist das Seminarhotel Lihn in Filzbach/GL. 

Um die Zimmerstunde abschaffen zu können, wurden hier unter anderem der Buffet-Service eingeführt und die Seminartätigkeit ausgebaut. Diese Massnahmen verbessern die längerfristige Planbarkeit der Mitarbeitereinsätze und garantieren, dass auch nachmittags Gäste, die im Haus sind, bedient werden können.

«In der Saison war die Zimmerstunde grandios, in der Stadt mühsam.»
 

In dem Seminarhotel, hoch über dem Walensee, arbeiten auch Menschen mit Beeinträchtigungen. Für sie ist es einfacher, sich auf die Arbeit einzustellen, wenn ihr Tag nicht durch eine Zimmerstunde unterbrochen wird. Zudem können sie so ihre Schicht mit nur einer direkten Bezugsperson durcharbeiten. 

Jüngere Mitarbeitende wollen keine Zimmerstunde

Einer, der die Pause mitten im Arbeitstag schätzt, ist Elmar Welthert, Praktikant Restauration im Seminarhotel Lihn. «Ich finde, man kann diese Zeit viel produktiver nutzen, als wenn man den ganzen Tag gearbeitet und am Abend keine Energie mehr hat», sagt der junge Mann.  Mit dieser Einstellung scheint 
Elmar Welthert in seiner Generation einer Minderheit anzugehören. Arbeitgeber, darunter auch Adrian Beutler und Beat Imhof, haben die Erfahrung gemacht, dass junge Jobsuchende – im Gegensatz zu älteren Bewerbern – Stellen mit Zimmerstunde nur selten annehmen.  

(Riccarda Frei)

 


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