Feuer und Flamme

In Zeiten von 3D-Drucker und Robotertechnik zieht es einige Köche zurück zur ursprünglichsten Art des Kochens: mit Holz und Feuer.

  • Das archaische und elementare Hantieren mit Feuer und Glut ist in der Menschheit tief verwurzelt. Kein Wunder, gehört das Kochen mit Feuer doch zu den ältesten Kulturtechniken. (Bilder Lukas Lienhard, AT Verlag)
  • Verkohlter Blumenkohl mit Kirschkernvinaigrette und Mandeln. Ein Rezept von Valentin Diem, dem die Geschmackskombination von Kohle, Kohl und Mandel besonders gut gefällt.

Wenn Marius Frehner kocht, will er das spüren. Die Hitze seines Holzkohlegrills nimmt er auch wahr, wenn er mit dem Rücken zum Grill steht. «Auf dem Induktionsherd verbrennt mir heute noch ab und zu etwas», sagt Frehner, der in der Nähe der Bäckeranlage in Zürich das Restaurant Gamper führt. Zu abstrakt ist ihm diese elektromagnetische Wärmeerzeugung, bei der er die Hitze mittels Zahlen regulieren muss. «Eins, zwei, drei – was bedeuten diese Stufen überhaupt?» 

Beim Kochen auf dem Feuer stellt sich diese Frage nicht. Frehner spürt die Hitze und weiss genau, wie weit von der Glut entfernt er die Speisen und Töpfe platzieren muss. «So bin ich einfach näher am Kochvorgang. Ich liebe das Ursprüngliche, die Wärme, den Schweiss.» In einer Zeit, in der Computer die meisten Bereiche unseres Lebens übernommen haben und man an der Digitalisierung nicht mehr vorbeikommt, hat er in seinem Restaurant einen Gegenpol geschaffen.  

Auch der Salat kommt übers Feuer

Das Kochen mit Feuer kennt Marius Frehner schon aus seiner Kindheit. Er wuchs in einem alten Bauernhaus auf: «In der Küche wurde mit Holz gefeuert und so das ganze Haus beheizt.» Noch heute erinnert er sich gerne an die heimelige Küche zurück, an kalten Tagen der einzig richtig warme Raum im Haus.

Eine wichtige Rolle spielte das Feuer auch in seiner Zeit im «Abac» in Barcelona. Frehner war zwei Jahre lang in dem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant tätig, bevor er in die Schweiz zurückkehrte. «Nachdem ich dort regelmässig auf einem Holzkohlegrill kochte, war für mich klar: Holz wird in meiner Küche immer einen wichtigen Platz haben.» 

Im Restaurant Gamper spielt der Holzkohlegrill dann auch die Hauptrolle. Einen Induktionsherd hat Marius Frehner zwar, dieser kommt aber nur zum Einsatz, um ab und zu schnell etwas aufzuwärmen. «Grundsätzlich kann man alles auf dem Feuer zubereiten», ist er überzeugt. Fisch und Fleisch sowieso, aber auch Gemüse und Beilagen.  

Seinen Gästen tischt er beispielsweise einen Randensalat auf, für den die Randen über Nacht in der Kohle lagen. Oder Lauch, den er im Feuer verkohlen lässt und dann schält. Sogar den Salat lässt er über der Kohle warm werden und serviert ihn dann sofort. 

Als Holzkohle verwendet er Quebracho, eine Kohle, die aus einem argentinischen Baum hergestellt wird: «Das ist ein sehr dichtes Holz mit einem guten Brennwert.» Die Holzkohle gibt nicht viel Geschmack an die Speisen ab. Dafür kommen bei gewissen Gerichten frische Kräuterzweige hinzu. «Im Herbst lege ich beispielsweise einen Wacholderzweig unter das Hirschfleisch. Die verbrannten ätherischen Öle werden vom Fleisch angenommen und verleihen ihm einen ganz besonderen Geschmack.»

Wow-Effekt für die Gäste

Holz spielt aber nicht nur in der Zubereitung eine Rolle, sondern landet immer öfter auch als Zutat auf dem Teller. So beispielsweise im Hotel, Spa und Restaurant Salzano in Interlaken/BE. Sonja Salzano, die das Hotel gemeinsam mit ihrem Mann Patrizio führt, wuchs in den Bergen auf und probierte als kleines Mädchen auch mal aus, wie das Gras schmeckte, das die weidenden Kühe neben dem Haus täglich frassen. Und auch das Holz im Wald wurde kurzerhand probiert. «Das schmeckte zwar nicht sonderlich gut, aber es liess sich gar nicht schlecht kauen», erinnert sie sich. Doch als sie später laut mit dem Gedanken spielte, Holz in der Küche einzusetzen, stiess sie vor allem auf Skepsis. «Du spinnst», hiess es dann, und die Idee wurde wieder verworfen.

«Als wir dann vor vier Jahren im «Salzano» unseren Spa-Bereich bauten und das ganze Design selber entwickelten, kam das Thema wieder auf den Tisch und liess mich nicht mehr los.» Vom naturnahen Spa sollte ein roter Faden den Weg auch in die Küche finden. So kam vor rund drei Jahren das erste Gericht mit Holz auf den Tisch. Im vergangenen Sommer waren dies etwa Eichenholzsuppe und Arvendressing, für verschiedene Gerichte wurden Holzessenzen oder Tannennadeln als Gewürze verwendet. Die neue Karte entsteht in den kommenden Wochen. 

Inspiration holt sich auch Küchenchef Stephan Koltes beim Sammeln der Zutaten im Wald. «Ich schaue, was die Region in der aktuellen Saison hergibt und welche Gerichte mit unserem Spa harmonieren könnten.» Das Kochen mit Holz bedeutet für ihn vor allem Nähe zur Natur. Und Sonja Salzano ist überzeugt: «Kochen mit Holz ist kein Rückschritt, sondern es bedeutet Innovation und eröffnet uns neue Geschmackswelten.» Bei den Gästen kommen die Gerichte mit Holz jedenfalls an. «Das gibt jedes Mal einen Wow-Effekt und geht in Richtung Erlebnisgastronomie, wenn wir etwas direkt am Tisch räuchern oder dämpfen», so Koltes.

Mit Schlangenbrot fing alles an

Rund ums Holz dreht sich auch bei Valentin Diem vieles. 2014 hat er das Pop-up Wood Food ins Leben gerufen, dessen dritte Ausgabe diesen Sommer wieder in Zürich stattfinden wird. Das Kochen mit Holz geht aber auch bei ihm zurück in die Kindheit: damals, als er mit Freunden im Wald unterwegs war, Feuer machte und sie gemeinsam Schlangenbrot und Cervelat assen. Das Schlangenbrot ist dann auch heute noch eines seiner Lieblingsrezepte, das auch in seinem Buch «Wood Food» zu finden ist. «Oft sind die einfachsten Sachen die tollsten», sagt der 32-Jährige.

Zum Kochen kam er während seines Wirtschaftsstudiums an der Hochschule St. Gallen. Damals gründete er gemeinsam mit einem Studienkollegen ein Mikrocatering, um neben dem Studium Geld zu verdienen. Das Catering entwickelte sich weiter, wurde grösser und Valentin Diem kreativer. «Ich wollte nicht nur auf Auftrag arbeiten, sondern die Schweizer Gastronomie-Landschaft weiterentwickeln.» So entstand das Pop-up Wood Food: Ein Restaurant auf Zeit, in dem alles auf Feuer gekocht wird. 

Pasta aus Tannennadeln

Diem merkte schnell, dass das Kochen mit Holz und Feuer noch viel mehr Aspekte hat als eine offene Feuerstelle in der Küche. Und so entwickelte sich sein «Wood Food» langsam weiter: Süss- und Sandelholz kommen als Gewürzhölzer zum Einsatz, von Douglasien und Angelikawurzel extrahiert er das ätherische Öl, Baumharz kommt in Marinaden oder Süssigkeiten, aus Holzteer entsteht Birkenteeglace und aus pulverisierten Tannennadeln wird Pasta gemacht. 

Der Reiz des Kochens mit Holz und Feuer ist dabei der gleiche geblieben: «In der Geschichte des Kochens, ja eigentlich der Menschheit, spielen Holz und Feuer eine extrem wichtige Rolle. Früher wurde alles mit Feuer gekocht, und das Räuchern gehört zu den ersten Konservierungsmethoden überhaupt.» Und: Praktisch jeder Mensch habe positive Assoziationen mit dem Thema Holz. Sei es das Arvenstübli in den Skiferien oder ein entspannender Waldspaziergang sonntags: «Der Wald ist ein guter Ort, gleichzeitig lebendig und ruhig. Und er verströmt einen reinen, schönen Geruch», so Diem.

Das Holz für seine Gerichte sammelt Diem denn auch heute noch oft selbst im Sihlwald oder auf dem Uetliberg. Zusätzlich bezieht er Holz von verschiedenen Schreinern und lokalen Holzproduzenten. Eines seiner Lieblingshölzer ist die Arve: «Sie schmeckt warm und fruchtig, fast ein wenig exotisch. Gleichzeitig hat sie aber auch etwas Vanilliges.» 

Seine Rezepte entwickelt Diem durch Recherche und Experimentieren. «Das Thema Kochen mit Holz und Feuer ist ja nicht neu. Es gibt alte Traditionen wie zum Beispiel ein schwedisches Brot, das mit einem Anteil Birkenschnitzelmehl zubereitet wird.» Inspiration holt er sich zudem von Köchen wie Stefan Wiesner, die sich dem Thema Holz schon länger widmen.  

Cocktails mit Holz 

Ganz nach Valentin Diems Motto «einfach gut» ist eines seiner Lieblingsgerichte «Austern aus der Glut»: Dafür werden die Austern je nach Grösse zwischen zwei und acht Minuten in die sehr heisse Glut gelegt, bis sie sich öffnen. «Es ist verblüffend einfach, schmeckt aber fantastisch.» Ebenfalls einer seiner Favoriten: Feuererbsen mit Piniennadeln. Hierzu werden die Erbsen erst blanchiert und danach in einem Metallsieb direkt über ein sehr heisses Feuer aus Pinienholz gehalten. Je nach Geschmack können zusätzlich Piniennadeln auf das Feuer gestreut werden. «Das gibt den Erbsen einen russigen Geschmack. Mit Salz bestreut, ist das ein toller Snack.»

Alle diese Rezepte finden sich in Valentin Diems Buch «Wood Food». Dieses bezeichnet er als «Zwischenstand». Denn mit der Entwicklung von Rezepten mit Holz ist er noch lange nicht fertig. «Mittlerweile habe ich schon wieder viel mehr Know-how erworben.» So gab es beim dritten Wood-Food-Pop-up im vergangenen Sommer unter anderem neu auch eine Cocktail-Bar – natürlich mit holzigen Zutaten. So gab es etwa einen «Golden Chunga»: Bourbon-Whiskey mit Amaretto, Zitronensaft, Blütenhonig, Wasser und Fichtenessig. Oder einen «Dirty Schneeweisschen», inspiriert von verbrannter Erde. Denn für die wichtigste Geschmackszutat, den mexikanischen Mezcal, werden Agaven in Erdgruben gekocht. Das verleiht der Spirituose einen rauchigerdigen Geschmack. Das zweite Holzelement ist der Zimt, der in den fertigen Cocktail gesteckt und angezündet wird (siehe Rezept).

Die Ideen gehen Valentin Diem noch lange nicht aus. Auch das macht die Faszination des Kochens mit Holz für ihn aus: «Es ist ein unerschöpfliches Thema. Ich schaue nie zurück, sondern kreiere immer wieder Neues. In Sachen Holz und Feuer in der Küche gibt es noch so viel zu entdecken und experimentieren.»

(Angela Hüppi)


Rezept

Dirty Schneeweisschen

Für 4 Personen

Zutaten
400 g  Reismilch
55 g  Mezcal blanco  (z. B. San Cosme)
2 g Ahornsirup
etwas Mezcal und gemahlener   Zimt für die Gläser
2 Zimtstangen, jeweils in  Hälften gebrochen

So wird’s gemacht
Für das Granité die Reismilch mit dem Mezcal und dem Ahornsirup vermischen und in eine flache Metallschale (etwa ein Zentimeter tief) füllen. Die Mischung in das Gefriergerät stellen und nach ein bis zwei Stunden mit einer Gabel durchrühren. Dabei Gefrorenes von Boden und Wänden der Schale abkratzen. Diesen Vorgang zwei- bis dreimal im Abstand von 30 Minuten wiederholen.

Zum Servieren jeweils ein Martiniglas innen mit Mezcal besprühen und mit Zimt bestäuben, mit Granité auffüllen und nochmals etwas Zimt darüberstreuen. Je  eine Zimstangenhälfte in das Granité stecken und mit einem Bunsenbrenner anzünden. Sofort servieren. 


Buchtipp

In «Wood Food» erklärt Valentin Diem anhand von Grundtechniken, wo das Potenzial von Holz in seinen vielseitigen Erscheinungsformen liegt. Mit exemplarischen Rezepten illustriert er einen zeitgenössischen Umgang mit Holz in der Küche. Dabei wird spezifisch auf die Themen Holzaroma, Rauch, Feuer, Teer und Kohle eingegangen. Mit Rezepten zu allen Techniken und einem Exkurs in die Geschichte der vielseitigen Verwendung von Holz in der Küche. 

AT Verlag
264 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-03800-901-6
Fr. 49.90