Freie Stellen melden, wird zur Pflicht

Während sich Arbeitgeber empören, erhalten Arbeitslose, die in der Hochpreisinsel Schweiz leben, einen kleinen Vorsprung und somit eine Chance auf eine neue Anstellung.

Der Weg zum RAV ist nicht immer einfach. Doch er ist unausweichlich. In vielen Fällen lohnt er sich sogar. (Keystone)

Die Zuwanderung steuern und den Inländern Vorrang geben, war das Ziel der Masseneinwanderungsinitiative. Das Schweizer Stimmvolk hat diese knapp angenommen und muss sich nun mit den Folgen auseinandersetzen. Eine dieser Folgen trifft die Arbeitgeber. Ab dem 1. Juli müssen sie offene Stellen melden. Das Ziel der Stellenmeldepflicht ist die bessere Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Die 11 322 Arbeitslosen in unserer Branche, die bei Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet sind, können sich für eine Stelle bewerben, bevor diese öffentlich ausgeschrieben wird. «Für in der Schweiz lebende Arbeitnehmer ist das positiv», sagt Stefan Unternährer, Leiter Rechtsdienst bei der Hotel & Gastro Union. «Sie erhalten damit eine bessere Chance am Arbeitsmarkt.» Dem Vorwurf der fehlenden Ausbildung widerspricht das Seco: «Personen ohne Ausbildung sind nicht automatisch schwer vermittelbar. Je nach Anforderungsprofil einer Stelle kann berufsspezifische Erfahrung aus einer früheren Tätigkeit die fehlende Qualifikation  kompensieren.»

Und noch etwas gilt es zu bedenken: Die Arbeitslosigkeit geht alle etwas an. Denn alle Steuerzahler müssen die knapp sieben Milliarden Franken mitfinanzieren, die jährlich an erwerbslose Personen ausgezahlt werden.

Welche Stellen müssen gemeldet werden, und wie funktioniert das?

Auf dem Web-Portal «arbeit.swiss», dem alle RAV angeschlossen sind, können Arbeitgeber nach Kandidatinnen und Kandidaten suchen. Am 12. April waren in der Rubrik «Berufe des Gastgewerbes und der Hotellerie» 31 115 Personen registriert. Darunter 1555 Köche/Köchinnen sowie 751 Servicefachangestellte mit einer beruflichen Grundausbildung EFZ. Kommt es zur Anstellung einer beim RAV gemeldeten Person, muss die offene Stelle nicht gemeldet werden.

Die vom Bund geforderte Stellenausschreibung ist auf «arbeit.swiss» online in weniger als zehn Minuten erledigt. Keine Rede also von einem grotesken Bürokratiemonster, wie es Gastrosuisse an die Wand malt. Natürlich kann die Meldung auch per E-Mail, Telefon oder Brief erfolgen. Je präziser die Angaben sind, umso besser können die RAV den Arbeitgebern Dossiers passender Stellensuchender vorschlagen. 

Vorerst müssen dem RAV offene Stellen in Berufsarten gemeldet werden, die eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von acht Prozent oder mehr ausweisen. Gemeldet werden müssen auch Stellen der entsprechenden Berufsarten, die durch Arbeitsvermittler, Headhunter oder Temporär-Unternehmen vermittelt werden.

Zurzeit erstellt das Seco die Liste der Berufe, die bei einem Schwellenwert von acht Prozent ab kommendem Juli meldepflichtig sind. Die Liste wird voraussichtlich ab Ende April auf dem Web-Portal «arbeit.swiss» abrufbar sein. Die acht Prozent sind übrigens eine Forderung der Arbeitgeberverbände, auf die der Bundesrat eingegangen ist.

Zusätzlich werden Arbeitgeber über einen Check-up auf «arbeit.swiss» eruieren können, ob eine Stelle meldepflichtig ist oder nicht. Hinterlegt sind rund 4200 Berufsbezeichnungen. Der Schwellenwert und die damit verbundene Meldepflicht wird für jeden dieser Beruf berechnet.

Per 1. Januar 2020 wird der Schwellenwert dann auf fünf Prozent gesenkt. Bei fünf Prozent wird es, das ist schon heute klar, für folgende Berufsgruppen eine Stellenmeldepflicht geben:
- Empfangspersonal und Portiers
- Servicemitarbeiter
- Etagen-, Wäscherei- und Economatangestellte
- Küchenmitarbeiter
- Hauswirtschaftliche Betriebsleiterinnen
- Hauswirtschaftliche Angestellte

Keine Meldepflicht besteht für folgende Personen:
- Stellen, die durch Stellensuchende besetzt werden, die bei einem RAV gemeldet sind.
- Stellen innerhalb eines Unternehmens, einer Unternehmensgruppe oder eines Konzerns, die mit internen Personen besetzt werden, die seit mindestens sechs Monaten dort angestellt sind.
- Lernende, die im Anschluss an eine Lehre angestellt werden.
- Beschäftigungen, die maximal 14 Kalendertage dauern.
- Anstellungen von direkten Familienmitgliedern des Zeichnungsberechtigten im Unternehmen. Dazu gehören Ehe- und eingetragene Lebenspartner, die eigenen Kinder sowie Eltern oder Geschwister.

Als Antwort auf eine gemeldete Stelle erhält der Arbeitgeber innert drei Arbeitstagen vom RAV Dossiers von passenden Stellensuchenden. Der Arbeitgeber prüft diese und teilt dem RAV mit, welche Kandidatinnen und Kandidaten er als geeignet erachtet. Diese lädt er zu einem Bewerbungsgespräch oder einer Eignungsabklärung ein und meldet dem RAV, ob es zu einer Anstellung gekommen ist. Begründungen werden keine gefordert.

Das RAV als Dienstleister

Meldepflichtige Stellen unterliegen einem Publikationsverbot von fünf Arbeitstagen. Diese Frist beginnt am ersten Arbeitstag nachdem das RAV bestätigt hat, dass die Stelle im System erfasst worden ist. Während dieser fünf Arbeitstage sind die gemeldeten Stellen ausschliesslich für die beim RAV registrierten Stellensuchenden zugänglich. Damit erhalten diese auf dem Stellenmarkt einen zeitlichen Vorsprung, den sie dazu nutzen können, sich auch aus eigener Initiative rasch auf diese freien Stellen zu bewerben.

Die Stellenvermittlung ist eine neue Aufgabe für das RAV. Bisher standen vor allem Dienstleistungen für Stellensuchende im Vordergrund. Dazu gehören:
- Bewerbungstipps – was braucht es, und worauf soll geachtet      werden beim Schreiben einer Bewerbung genauso wie beim Vorstellungsgespräch.
- Standortbestimmung – was möchte eine Person und was kann sie; dazu steht eine Checkliste zum Download bereit.
- Jugendliche – der Schritt in die Arbeitswelt, wie weiter nach der Ausbildung oder nach einem Lehrabbruch.
- Arbeitssuchende 50 plus – Beratung, wie Stärken hervorgehoben werden.

Ein Besuch von «arbeit.swiss» lohnt sich für alle, die eine Stelle suchen.
 

Hilfe erhalten Arbeitnehmer beim RAV auch für die ersten Schritte nach dem Erhalt einer Kündigung. Wichtig ist, dass man sich sofort beim RAV und der Arbeitslosenkasse meldet und noch während der Kündigungsfrist damit beginnt, eine neue Stelle zu suchen. Entsprechend den persönlichen Verhältnissen beträgt das Taggeld 70 bis 80 Prozent des versicherten Verdienstes. Wie lange Leistungen bezogen werden können, hängt vom Alter und der Beschäftigungsdauer vor der Arbeitslosigkeit ab. 

Wer seine Stelle selber kündigt, ohne eine neue Arbeit in Aussicht zu haben, kann das Recht auf Arbeitslosenentschädigung vorübergehend verlieren.

Der Zwischenverdienst ist ein Vorteil für Gastgewerbler

Wer in der Zwischensaison als Aushilfe jobbt, sollte sich unbedingt beim RAV melden. Hat ein Koch einen versicherten Mindestlohn von 4120 Franken und verdient beim jobben 1800 Franken, ergibt dies einen Verdienstausfall von 2320 Franken. Davon werden nun je nach Taggeldansatz 70 bis 80 Prozent ausbezahlt. In manchen Regionen werden ein oder eineinhalb Monate Zwischensaison auch ohne Zwischenverdienst finanziell abgegolten. Obwohl alle RAV über dieselben Kernkompetenzen und Dienstleistungen verfügen, gibt es gemäss Seco regional bedingte Unterschiede. Diese sind im föderalistischen System der Schweiz explizit vorgesehen.

Das zusätzliche Geld kann  beispielsweise in die Weiterbildung gesteckt werden. Das Weiterbildungsangebot auf allen Qualifikationsstufen, das die Arbeitgeberverbände und die Hotel & Gastro Union anbieten, ist gross. «Generell gilt, dass eine Ausbildung eine gute Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist oder um rasch wieder eine neue Stelle zu finden», sagt Fabian Maienfisch, stellvertretender Ressortleiter und Mediensprecher beim Seco.

Das RAV hilft auch bei der Stellensuche im Ausland

Im Ausland gemachte Erfahrungen sind ein Pluspunkt in jedem Lebenslauf. Auch diesbezüglich bieten RAV und Seco Hand. Die Schweiz hat mit diversen Staaten so genannte Stagiaires-Abkommen abgeschlossen, um jungen Berufsleuten die Erweiterung ihrer beruflichen und sprachlichen Kenntnisse im Ausland zu ermöglichen. Auch auf dem europäischen Portal Eures, einem Kooperationsnetz der öffentlichen Arbeitsverwaltungen der EU- und EFTA-Staaten, kann man sich vorab über Auslandsaufenthalte informieren.

(Gabriel Tinguely)


Weiterbildung im Gastgewerbe für Stellenlose ohne Berufslehre

Der fünf Wochen dauernde Basiskurs Perfecto Futura wird neu an die Progresso- Lehrgänge angerechnet.  

Erwerbslose ohne Berufsabschluss im Gastgewerbe haben dank eines Angebotes aus der Branche die Möglichkeit, sich berufliche Basiskenntnisse anzueignen. Der kostenlose Kurs, welcher durch das RAV vermittelt werden muss, heisst Perfecto Futura und wird für die Bereiche Küche, Service sowie Hauswirtschaft, Buffet und Reinigung angeboten. Er dauert fünf Wochen und lehrt grundlegende Fertigkeiten, welche für die praktische Arbeit im Gastgewerbe gebraucht werden. Voraussetzungen für die Kursteilnahme sind Deutschkenntnisse der Stufe B1 sowie eine grundsätzliche Eignung für die spätere Tätigkeit im gewählten Fachbereich.

Absolventen der Perfecto-Futura-Kurse Küche und Service können neu ihren nächsten Ausbildungsschritt verkürzen: Sie haben ab sofort die Möglichkeit, sich den Kurs an den Progresso-Lehrgang anrechnen zu lassen. Die Basisbildung Progresso ist der nächste Ausbildungsschritt. Dieser kann mit einem Fide-Sprachkurs kombiniert werden und macht die Teilnehmenden zu Fachkräften mit einem schweizweit anerkannten Attest. Auch Progresso ist bis auf eine Einschreibegebühr kostenlos. Das ist so im für alle Mitarbeiter geltenden Landes-Gesamtarbeitsvertrag geregelt.

«Für Arbeitslose mit tiefer Qualifikation schafft Perfecto Futura eine sinnvolle Verbindung zur gastgewerblichen Basisausbildung Progresso.» -Stefan Unternährer, Leiter Rechtsdienst Hotel & Gastro Union
 

Mit der neuen Kombination müssen ehemalige Perfecto-Futura-Absolventen nur noch die Kursteile zwei und drei von Progresso absolvieren. Die Kurszeit verkürzt sich dadurch auf drei Wochen. Dies ist innerhalb von zwei bis drei Monaten möglich. Zwischen Kurs zwei und drei ist zwingend eine Betriebsphase zu absolvieren, in welcher gestellte Aufgaben gelöst und von den Vorgesetzten bewertet werden müssen. 

Die Chance packen 

Die Anrechnung gilt rückwirkend für alle Perfecto-Futura-Absolventen mit einem Abschluss ab 2015. Arbeitslosigkeit im Gastgewerbe ist keine Sackgasse – sie kann vielmehr der Start zu einer Weiterbildung sein, die attraktive Chancen in der Berufswelt von Restaurants und Hotels bietet.

(gab)


Zahlen und Fakten

4,9Millionen Personen sind in der Schweiz erwerbstätig. Umgerechnet entspricht dies 4,08Millionen Vollzeitkräften.

700 000Stellen werden in der Schweiz jedes Jahr ausgeschrieben und durch externe Mitarbeiter besetzt.

Bei einem Schwellenwert von acht Prozent sind elf Prozent der offenen Stellen meldepflichtig.

20 000 von insgesamt 75 000 offenen Stellen werden bereits freiwillig gemeldet.

20 Prozent aller Stellensuchenden und 25 Prozent der neu zugewanderten Ausländer sind in einem meldepflichtigen Beruf tätig.

13 958 Gastgewerbler waren Ende Jahr arbeitslos gemeldet. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 9,2 %.

Nur Baugewerbe und Handel haben mehr Arbeitslose.

6,85 Mia. Franken pro Jahr zahlt die Arbeitslosenversicherung.


Adressen und Kontakte

Arbeitgeber, die Stellen melden wollen, und Arbeitnehmer, die arbeitslos werden, finden schweizweit Hilfe bei 132 regionalen Arbeitsvermittlungszentren, 155 Arbeitslosenkassen und 68 kantonalen Arbeitsämtern. Alle 355 Adressen sind auf der Webseite arbeit.swiss gelistet.