Gäste-Knigge in der Praxis

Inder, Araber, Asiaten – diese Gästegruppen weisen das grösste Wachstum im Schweizer Tourismus aus. Sie alle kommen aus Kulturen, die uns fremd sind. So gehen Hotellerie und Gastronomie damit um.

  • Alltagsszenerie in den Hotspots der Schweizer Tourismuspolen: Asiatische Touristen schiessen Erinnerungsfotos vor der pittoresken Alpenkulisse. (Keystone)
  • Die Statistik zeigt, wie die Zahlen der drei wichtigsten Fernmärkte förmlich explodiert sind. (Bundesamt für Statistik)

Das Jungfraujoch hat eine lange Tradition, wenn es um asiatische Gäste geht. Auf dem Gipfel umsorgen seit Ende der 1990er-Jahre indische Köche im Restaurant Bollywood ihre Landsleute. «Wir reagierten damit auf ein offensichtliches Bedürfnis», so Martin Soche, Manager der Restaurationsbetriebe Jungfraujoch. Es entging dem Gastronomen damals nicht, dass sich auf dem Busparkplatz von Grindelwald Grund indische Reisegruppen vom eigens mitgebrachten Koch in einer mobilen Küche bekochen liessen. 

Zeitgleich wurde das Gastronomieangebot um chinesische Menüs erweitert, die im Voraus für Gruppen bestellbar sind. Auch anderen Gästegruppen trägt man Rechnung: Jährlich werden über 100 000 Becher Cup Noodles, südkoreanische Instantnudeln, in der Kaffeebar verkauft.

Nicht nur auf dem «Top of Europe», wie das Jungfraujoch weltweit vermarktet wird, sondern im ganzen Berner Oberland pflegt man eine lange, historisch gewachsene Tradition in der Gästebetreuung. So betont Christoph Leibundgut, Mediensprecher von Interlaken Tourismus: «Unsere Region steht seit jeher für Internationalität.» Nicht nur Inder und Südkoreaner wollen die Kulisse der Bollywood-Filme live erleben, auch Araber, Chinesen und andere Gäste aus Südostasien erfreuen sich gerne an der pittoresken Szenerie der Berner Alpen.  

Das sind alles Gäste, deren Kulturen sich in kleinen, aber wichtigen Details von der unseren unterscheiden. Interlaken Tourismus bietet deshalb jedes Jahr interkulturelle Workshops an, bei denen die Märkte-Verantwortlichen, Mitarbeiter, die in Indien, China und im arabischen Raum unterwegs sind, über Kultur und Gepflogenheiten informieren. An den Kursen nehmen nicht nur Frontmitarbeitende der Hotellerie und Parahotellerie teil, sondern auch Vertreter der Bergbahnen, Polizei und Rettungsdienste. «Mit wertvollen Tipps möchten wir die tägliche Arbeit erleichtern», so Leibundgut. Zudem würde man zur Weiterbildung immer wieder Experten hinzuziehen, die in der Schweiz leben und aus einem der Länder stammen.

Eurounabhängige Märkte bewähren sich in der Krise

Obwohl die Hälfte der Gäste in Schweizer Hotels die Schweizer selber sind, hat sich die Marktbearbeitung ferner Länder, vorab Asiens und Arabiens, in den schweren Jahren rund um die Finanz- und Eurokrise gelohnt.  Sie füllte das Vakuum, dass nach dem Fernbleiben der Gäste aus dem EU-Raum entstand. Das «Swissôtel Zürich» in Zürich-Oerlikon beispielsweise ist unter der Woche ein typisches Businesshotel. Am Wochenende und an den Feiertagen logieren im Stadthotel Leisure-Gäste aus aller Welt. Viele kommen aus Indien, China, dem Nahen Osten und Japan. «Generell verzeichneten wir vergangenes Jahr einen schönen Zuwachs an Gästen aus Ländern wie Russland, Japan, Indien und China», freut sich General Manager Kevin Furrer. 

Die Übernachtungszahlen des indischen Marktes haben gar um rund 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Zur Betreuung dieser Gäste wurde eigens die Zusammenarbeit mit einem indischen Caterer gesucht, damit authentisches indisches Essen serviert werden kann. «Das ist für Inder sehr wichtig», so Furrer. Das «Swissôtel» beschäftigt rund 180 Mitarbeiter, die aus 20 verschiedenen Ländern stammen. «Unsere Grundprinzipien, Werte und Servicegedanken kann man auf alle Kulturen anwenden, und somit ist die Gefahr, ins Fettnäpfchen zu treten, nicht allzu gross», ist Furrer überzeugt. Natürlich gäbe es gewisse Unterschiede wie beispielsweise in der arabischen Kultur, in der je nach Religion die weiblichen Gäste nicht mit Handschlag begrüsst oder bei japanischen Gästen, welche eher mit einer kleinen Verbeugung als mit einem Händeschütteln willkommen geheissen werden sollten. Auch sei in gewissen asiatischen Kulturen der direkte Augenkontakt nicht sonderlich gewünscht. «Am wichtigsten jedoch ist der Respekt gegenüber dem Gast und seinen Gewohnheiten, egal, aus welcher Kultur er stammt.» 

Die Mitarbeiter des «Swissôtel» werden regelmässig in verschiedenen Bereichen geschult und auf die verschiedenen Kulturen und deren Bedürfnisse aufmerksam gemacht. «Die meisten dieser Schulungen werden intern organisiert und von unserem eigenen Team durchgeführt.» 

«Zieht der japanische Gast vor dem Betreten des Zimmers die Schuhe aus, machen wir es ihm nach.» -Caroline Jenny, Mediensprecherin Grand Hotel Les Trois Rois, Basel

 

Teilweise sind diese Trainings auch als Standard von der Hotelkette vorgegeben und werden von einem regionalen Trainingsmanager unterstützt. «Gerade Schulungen im Bereich der emotionalen Intelligenz sind sehr wichtig. Auf diese Weise können wir den Umgang mit unseren Gästen verschiedenster Kulturen kontinuierlich verbessern.»                                                                                                                  

Luxushotel wird zur Station von japanischen Gourmetreisenden 

Seitdem das hauseigene Restaurant Cheval Blanc im Grand Hotel Les Trois Rois in Basel unter der Führung von Küchenchef Peter Knogl 2016 den dritten Stern erhalten hat, nehmen die japanischen Gäste stark zu. «Wir arbeiten eng mit japanischen Tour Operators zusammen, die Gourmettouren organisieren und uns ins Programm aufgenommen haben», sagt Mediensprecherin Caroline Jenny. 

Aus diesem Grund seien für die Mitarbeiter interne Schulungen organisiert worden. «Der japanische Gast unterscheidet sich von uns, und das müssen unsere Mitarbeiter wissen», erzählt Jenny. Als Beispiel nennt sie: «Der Japaner schätzt es, zuerst das Zimmer zu betreten. Das hat den Vorteil, dass wir sehen, ob er die Schuhe auszieht. Wenn ja, tun wir es ihm gleich.» 

(Ruth Marending)


Nützliche Tipps

Broschüren 
Hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus haben gemeinsam die Broschüren «Chinesen zu Gast in der Schweiz», «Inder zu Gast in der Schweiz» und «Araber zu Gast in der Schweiz» geschaffen. Alle enthalten wertvolle Informationen über Land und Leute. 
www.hotelleriesuisse.ch

Merkblatt
Interlaken Tourismus hat für den Umgang mit arabischen Gästen ein spezielles Merkblatt erarbeitet. 
www.interlaken.ch


Interview mit Randy Hitti, Head of Duty Management and Guest Relations im «Dolder Grand» in Zürich.

Hotellerie Gastronomie Zeitung: In Ihrer Funktion als Head of Duty Management and Guest Relations verantworten Sie die Abteilung des Butler Service im «Dolder Grand» in Zürich. Was sind Ihre Aufgaben?
Randy Hitti: Zusammen mit meinem achtköpfigen Team umsorge ich unsere Suiten-Gäste. 

Aus welchen Kulturen stammen Ihre Gäste?
Die Mehrheit stammt aus den arabischen, russischen und asiatischen Märkten. Insbesondere der chinesische Markt weist ein stetig wachsendes Potenzial auf, welches noch nicht ausgeschöpft ist. Des Weiteren haben wir sehr gute Erfahrungen mit Gästen aus Südamerika gemacht. 

Welcher Gästemix ist Ihnen am liebsten? 
Wir heissen alle Nationalitäten mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen willkommen. Das gestaltet unsere tägliche Aufgabe so spannend. 

Worauf sollen Ihre Mitarbeiter besonders achten, wenn Gäste verschiedenster Kulturen bei Ihnen logieren?
Hauptsächlich geht es darum, jedem Gast in unserer Gastgeberfunktion das Gefühl eines zweiten Zuhauses zu vermitteln. Umso wichtiger ist es, dass man sich mit internationalen kulturellen Gebräuchen und Höflichkeitsformen auskennt. Insbesondere bei arabischen Gästen wäre es vermessen, die Dame bei Ankunft als Erstes zu begrüssen, geschweige denn, ihr die Hand zu reichen. Diese Form der Begrüssungsregeln ist in unserer Gesellschaft genau andersrum.

Werden die Mitarbeiter speziell geschult? 
Unsere neuen Teammitglieder im Butler Service durchlaufen eine ausführliche Einarbeitungsphase, welche von mir vorab geplant wird. Hierbei handelt es sich um verschiedene Cross Trainings in den Bereichen Housekeeping, Concierge, Room Service, Restaurant Service, Spa und Front Desk. Unser Butler fungiert als einziger Ansprechpartner für unsere Suiten-Gäste. Daher ist es unerlässlich, jegliches Produktwissen aus allen Abteilungen zu haben. Des Weiteren sind wir sehr stolz, eine eigene Training-&-Quality-Abteilung im Haus zu haben. 

Wie viele Nationalitäten vereinigt der 380 umfassende Mitarbeiterstab? 
Wir haben 58 verschiedene Nationalitäten bei uns im «Dolder Grand». Das ist eine enorme Hilfe, sollte es mal zu Verständigungsproblemen kommen. Es ist immer jemand im Haus, der unsere Gäste in der typischen Landessprache begrüssen kann. Insbesondere im Butler-Team war es mir persönlich sehr wichtig, Teammitglieder zu rekrutieren, welche verschiedene Sprachen sprechen.  

(Interview Ruth Marending)


Neun Tipps für den Umgang mit Gästen

Indien
Direkter Augenkontakt mit indischen Gästen ist kein Problem. Falls indische Gäste den Augenkontakt meiden, ist dies eine Respektäusserung und hat keine negative Bedeutung.

Manche Inderinnen scheuen sich, einem fremden Mann zur Begrüssung die Hand zu geben. Es empfiehlt sich, abzuwarten – falls sie dem Mann die Hand reichen, ist der Händedruck erwünscht. Falls nicht, ist eine höfliche verbale Begrüssung ausreichend.

Indische Touristen schätzen es, wenn man ihnen das Gefühl gibt, sie seien besonders willkommene Gäste. Eine persönliche Begrüssung durch den Hoteldirektor/die Hoteldirektorin ist daher empfehlenswert.

China
Geben Sie Ihren chinesischen Gästen nach Möglichkeit kein Zimmer im vierten Stock oder Zimmer mit Nummern, die eine Vier enthalten (4, 14 usw.). Diese Zahl wird mit Unglück oder gar dem Tod in Verbindung gebracht. Zimmernummern mit einer sechs, acht oder neun gelten hingegen als glückbringend. 

Weisen Sie auf Chinesisch klar darauf hin, wie das Pay-TV funktioniert und dass die Gebühr nicht im Zimmerpreis inbegriffen ist. 

Geben Sie Ihren chinesischen Gästen ein Zimmer mit zwei Einzelbetten: Die Mitglieder einer Reisegruppe kennen sich normalerweise vor dem Reiseantritt nicht.

Golfstaaten
Sprechen Sie bei einer Konversation sowohl den Mann als auch die Frau an. Oft antworten verschleierte Frauen selbst und nicht ihre männliche Begleitperson.

Bleiben Sie ruhig und freundlich in allen Situationen. Lassen Sie sich nicht stören, wenn Gespräche von anderen unterbrochen werden. Araber bedienen sich einer gestenreichen Sprache und sind generell laut. 

Araber können sehr fordernd sein. Versuchen Sie, ihre Bedürfnisse zu erfüllen oder erklären Sie ruhig und freundlich, wenn dies nicht geht. Bieten Sie anstelle eines «Neins» eine Alternative.