Mit Sport Gäste anlocken: die Trends im Sporttourismus

Das diesjährige Sport-Tourismus-Forum in St. Gallen zeigte auf: Sportveranstaltungen und Empfehlungen aus dem sozialen Umfeld prägen Buchungsentscheidungen stärker als traditionelle Image-werbung. Ein Überblick über die neuesten Treiber und Trends.

Sport und Tourismus – immer öf-ter gehen diese beiden Bereiche Hand in Hand. Auch das diesjährige Sport-Tourismus-Forum in St.  Gallen zeigte: Insbesondere Sport-Events, aber auch weitere sportliche Angebote sind wichtige Treiber für den Tourismus. Doch wie entscheiden potenzielle Gäste überhaupt, wohin es in den Ferien gehen soll? Pietro Beritelli, Professor an der Universität St. Gallen, gab überraschende Antworten auf diese Frage.

Er stellte zu Beginn seines Referats klar: «Die entscheidende Frage ist nicht: Von welchen Urlaubszielen träumen die Gäste? Sondern: Wohin gehen sie am Ende tatsächlich?» Den grössten Einfluss auf die Buchungsentscheidung habe letztlich der Faktor, mit wem man in die Ferien fahre. Eine Familie mit kleinen Kindern wird ihr Ziel ganz an-ders auswählen als eine Gruppe von Freunden zwischen 20 und 30 Jahren. Weitere entscheidende Faktoren sind der Zeitraum und die Dauer des Aufenthalts. Erst wenn diese Punkte geklärt sind, kommt die Frage, wohin es denn tatsächlich gehen soll.

Traum oder Buchung?

Das Budget von Tourismusdestinationen ist begrenzt. Wo also in-vestieren? Pietro Beritelli stellt eine gewagte These auf: weniger in Imagekampagnen, mehr in die Angebotsentwicklung. Über viele Jahre hat er Menschen befragt, auf welcher Grundlage sie ihre Urlaubsziele wählen, und 2020 eine Studie zum Thema veröffentlicht. «Der Tenor ist klar: Eine grosse Mehrheit entscheidet sich für ein Ziel, weil sie dort Bekannte oder Familie hat, weil man geschäftlich unterwegs ist oder aufgrund von Mund-Propaganda.» Nach diesen sozialen Aspekten locken vor allem konkrete Angebote oder Anlässe Gäste in eine Region. Beritelli rät Destinationen daher, mehr Geld dorthin fliessen zu lassen. «Die Gäste träumen vielleicht von einer Wunschdestination, aber das allein bringt sie noch nicht dazu, tatsächlich zu buchen.»

Empfehlung vor Werbung

Pietro Beritellis Studie umfasst 256 Teilnehmende und 768 Reisen weltweit. Er ist überzeugt: «Imagewerbung von Destinationen hat keinen Einfluss auf die Buchungsentscheidung von Reisenden.» Gemäss der Studie gebe es nur wenig Ausnahmen. So liess sich eine Teilnehmerin von einem Bild auf Instagram zu einem Urlaub auf der griechischen Insel Santorini inspirieren. «Am Ende buchte sie aber Kreta, weil Bekannte ihr dort ein gutes Hotel empfehlen konnten.» Ist der Gast erst einmal vor Ort, könne man ihn zudem mit Infos zu Tagesausflügen und entsprechenden Buchungsmöglichkeiten dazu bringen, zusätzliche Leistungen zu beziehen.

Aber wirkt Imagewerbung nicht vor allem im Unterbewusstsein, lange bevor eine Buchung getätigt wird? «Das höre ich sehr oft, doch leider gibt es dafür keine Beweise», so Beritelli. Wichtiger als Imagewerbung sei daher die Pflege der bestehenden Gäste, welche dank Mund-Propaganda für neue Gäste sorgen. Zudem lockten auch Veranstaltungen Gäste in die Destination. Wie Events für Gäste sorgen und welche Trends es derzeit im Sporttourismus gibt, darüber wurde am Sport-Tourismus-Forum intensiv diskutiert. Im Folgenden ein Überblick über die spannendsten Inputs.

(Illustration Sonja Demarmels)

(Angela Hüppi)


Spielerisch zum Ziel

Der Begriff «Gamification», zu Deutsch Spielifizierung, ist in aller Munde. Das wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern, im Gegenteil. Psychologisch gesehen ist die Chance höher, Menschen zu motivieren, wenn man dies spielerisch tut. Die Möglichkeiten sind dabei vielfältig: Eine Sportdestination kann beispielsweise Gäste an sich binden, indem mittels einer App Trophäen gesammelt werden können – für die Anzahl gefahrener Pisten, besuchter Sehenswürdigkeiten oder auch für Einkäufe über die App. Quasi ganz nebenbei werden dabei auch wertvolle Daten gesammelt, die ausgewertet werden können, um das Angebot zu verbessern. Zur Gami­fication gehören aber zum Beispiel auch Schnitzeljagden, die als zusätzliches Angebot Einnahmen generieren und nicht nur bei Familien, sondern auch bei Paaren und Gruppen gut ankommen.

Besucher geschickt lenken

Seit die Einschränkungen der Pandemie der Vergangenheit angehören, strömen die Gäste wieder in die Destinationen. Das freut das Touristikerherz, sorgt aber auch immer wieder für Probleme. Eine gute Besucherlenkung wird daher immer wichtiger, um Warteschlangen sowie verärgerte Gäste und Einheimische zu vermeiden. Künstliche Intelligenz erleichtert diese Aufgabe. So kann man die Gäste beispielsweise über eine App informieren, wenn eine Seilbahn stark ausgelastet ist und sie gleichzeitig auf mögliche Alternativen aufmerksam machen. Aber auch ohne App funktioniert die Besucherlenkung: Auf dem Stoos im Kanton Schwyz sind beispielsweise die drei Erlebniszonen «Sicher», «Ruhig» und «Aktiv» eingerichtet worden. So kommen sich die verschiedenen Zielgruppen nicht in die Quere und das Besucheraufkommen verteilt sich besser.

Kreative Werbung

Die Zusammenarbeit mit Marken wird immer wichtiger. Im besten Fall ergibt sich dadurch mehr Sichtbarkeit für alle Beteiligten. Damit das gelingt, sind neue Konzepte gefragt. So hat beispielsweise Schwarzwald Tourismus kürzlich gemeinsam mit Puma eine Sneaker-Kollektion herausgebracht. Diese wurde inspiriert von Sujets wie der Schwarzwälder Kuckucksuhr und war nach zehn Tagen ausverkauft. «Damit haben wir uns eine neue, junge Zielgruppe erschlossen, die wir sonst nur schwer erreicht hätten», sagt Geschäftsführer Hansjörg Mair. Andere Destinationen setzen auf umfassende Werbekampagnen einer einzelnen Marke: von der Gondel über Equipment bis zu Pistenfahrzeugen sind den Werbeflächen fast keine Grenzen gesetzt. «Das generiert eine hohe Wiedererkennung und motiviert Marken, Geld in Destinationen zu investieren», sagt Daniel Meyer von der Agentur Alpdest.

Mehr als Ski und Velo

Wer sich als Sportdestination etablieren möchte, sollte neue Trends nicht verpassen. So will beispielsweise das Projekt «Graubünden Trailrun» in Graubünden einen Hotspot für die Sportart Trailrunning etablieren. Trailrunning ist eine Form des Langstreckenlaufs, die in der Natur und abseits asphaltierter Strassen stattfindet. «Joggen ist in der Schweiz ein Volkssport», sagt Nico Dalcolmo von «Graubünden Trailrun». Man will die Parallelen des Trailrunnings zum Joggen aufzeigen und es als massentaugliches Naturerlebnis für verschiedene Zielgruppen positionieren. «Auch wer gewisse Strecken – zum Beispiel aufgrund der Steigung – geht statt läuft, gehört zur Trailrunning-Community.» Das Projekt beinhaltet Trailtreffs für Interessierte zum gemeinsamen Laufen, Einsteigertrainings für Anfänger sowie ein Hotel-Label für Trailrunning-freundliche Häuser.

Grosse Events, viele Gäste

Immer wichtiger werden für viele Destinationen Gross­-events wie Skirennen, Velorennen oder Konzerte. So hat sich etwa die Stadt Chur das Ziel gesetzt, sich dank des Freestyle-Events Big Air Chur als dynamische und attraktive Region zu positionieren. «Solche Grossanlässe sind nicht nur Publikumsmagnete, sondern haben auch eine mediale Strahlkraft weit über die Region hinaus», sagt Victor Zindel von der Kontaktstelle Wirtschaft der Stadt Chur. Gute Erfahrungen hat auch die Stadt Bremen mit dem Event Deutschland-Tour gemacht. Erstmals fand das Finale 2023 in Bremen statt. «Das hat uns das bisher beste touristische Jahr beschert», sagt Oliver Rau, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bremen. Er ist überzeugt: Insbesondere der Städtetourismus ist in erster Linie Eventtourismus. Die Deutschland-Tour generierte in Bremen 10 000 Übernachtungen an zwei Tagen.

Jeder Schritt zählt

Wintersport und Nachhaltigkeit – lässt sich das überhaupt vereinen? Ja, ist der Verein Snowstainability überzeugt. Er wurde von Swiss-Ski und der Nachhaltigkeitspartnerin BKW gegründet und fördert Projekte im Bereich der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit in Schneesportgebieten. «Jeder Wille zum Fortschritt zählt. Auch kleine Schritte in Richtung Nachhaltigkeit erzielen eine Wirkung», sagt Vizepräsident Michael Morgenthaler. So unterstützte Snowstainability beispielsweise die Installation einer energieeffizienten Beleuchtung der Skisprungschanze in Einsiedeln/SZ, die auch eine geringere Lichtverschmutzung zur Folge hat. Oder die Herstellung von recycelbaren Bannern, welche nach dem Gebrauch zu Skitaschen weiterverarbeitet werden. Projekte werden in Form einer Partnerschaft, Gönnerschaft oder einer Spende gefördert.

Der gläserne Gast

Künstliche Intelligenz macht’s möglich: Der gläserne Gast ist heute in vielen Bereichen bereits Realität. «Der Begriff ist eher negativ konnotiert. Doch viele Gäste geben ihre Daten gerne preis, wenn sie davon einen Vorteil haben», sagt Bernhard Huber vom Software- und Medienunternehmen Intermaps. Gerade im Tourismus sind die Möglichkeiten bezüglich Datenerhebung riesig. So kann man beispielsweise mittels Bilderkennung schon auf dem Parkplatz erfassen, wie viele Gäste wann anreisen, woher sie kommen und wie lange sie bleiben. Auf Pisten können zurückgelegte Strecken, Bewegungsmuster oder Geschwindigkeiten gemessen werden. Und mittels Wifi-Tracker lässt sich ermitteln, wie viele Gäste sich zu welcher Zeit an welchen Orten befinden. Der Nutzen solcher Daten ist riesig: Wer weiss, wie sich seine Gäste verhalten, kann das Angebot entsprechend anpassen und gestalten.