Schweizer Wein hat Potenzial zur Reife

Einmal im Jahr öffnet das Mémoire des Vins Suisses seinen Tresor. Dann können gereifte Jahrgänge der 56 besten Weine verkostet werden.

Ein kritischer Blick und wohlwollendes Nicken: Zahlreiche Weinliebhaber reisten nach Sierre zur Schatzkammerpräsentation des Mémoire des Vins Suisses. (Bild Hans-Peter Siffert/weinweltfoto.ch)

Wie lange lässt sich dieser oder jener Wein lagern? Das ist eine häufig gestellte, jedoch höchst unpräzise Frage. Denn jede Flasche kann beliebig lange im Keller liegen. Ob der Inhalt dann noch schmeckt? Alt ist in Bezug auf Wein negativ behaftet. Nicht jeder Wein besitzt Reifepotenzial. Gereift ist das positive Attribut, und die Frage müsste lauten: Wann erreicht dieser oder jener Wein seine optimale Trinkreife?

«Weine, die über mehrere Jahre reifen und dabei immer besser werden, sind nobel. Dazu gehören auch die besten Schweizer Weine.» -Andreas Keller, Gründungsmitglied des Mémoire des Vins Suisses


Dass Bordeaux, Burgunder oder Barolo reifen muss, wird als selbstverständlich hingenommen. Beim Schweizer Wein lautete lange Zeit die Devise: im Jahr nach der Lese zu trinken – viel zu jung, um die optimale Trinkreife jemals erreichen zu können.

Das «Mémoire» dokumentiert die Nobilität der besten Crus

Sind Schweizer Weine nobel?
Antworten auf diese Frage suchten vier Weinjournalisten um Andreas Keller und 24 Weinproduzenten, die im Jahr 2004 das Mémoire des Vins Suisses gründeten. Von jedem Winzer wurde ein Wein ausgewählt. Davon lieferte er jedes Jahr 60 Flaschen in ein zentrales Lager. 14 regelmässig verkostete Jahrgänge geben Aufschluss: Die besten Schweizer Weine haben die gleiche Nobilität wie die grossen Weine der Welt.

Jeweils Mitte März öffnet das Mémoire des Vins Suisses seine Schatzkammer und präsentiert neben den Arrivagen, dem jüngsten Jahrgang, mehrere gereifte Jahrgänge. Wer heuer in Sierre/VS nicht mit dabei sein konnte, hat am letzten Montag im August im Rahmen von Mémoire & Friends/Swiss Wine Tasting im Schiffbau in Zürich eine weitere Gelegenheit dazu.

Die Arbeit des Mémoire des Vins Suisses wird im In- und Ausland mit Interesse verfolgt. Stephan Reinhard, Verkoster für Robert Parkers «Wine Advocate», hat mehreren Schweizer Weinen 90 und mehr Punkte verliehen. Für internationale Auftritte wie an der Prowein in Düsseldorf oder an die Vievinum in Wien greift die Swiss Wine Promotion, die halbstaatliche Absatzförderungsorganisation, gerne auf die Schatzkammer des Mémoire zurück.

Wachstum verlangt nach neuen Strukturen

Vermehrte Kommunikation und intensivere Absatzförderung sind denn auch neue Aufgabenbereiche. Dafür hob der kleine Verein von 2004 seine Statuten auf ein neues Niveau. Mit 56 Weinmachern hat sich die Zahl der Produzenten bis heute mehr als verdoppelt. Zahlreiche weitere Winzer möchten Mitglied werden. Auch die Zahl der Journalisten und neu auch Gastronomen ist von vier auf 24 angestiegen.

(Gabriel Tinguely)


Mémoire & Friends

Die grosse Weinverkostung mit rund 130 Schweizer Produzenten wird zum Swiss Wine Tasting. Dieses Jahr findet der Anlass am Montag, 27. August, im Schiffbau in Zürich statt.
www.swiss-wine-tasting.ch


Mehr Informationen unter: 

www.mdvs.ch/de/home