Winzerin mit einem Faible für Sauvignon Blanc

Seit ihrem Debüt mit Sauvignon Blanc realisiert die Önologin Schritt für Schritt eigene Ideen.

Die Weinbranche ist eine Männerdomäne. So scheint es auf den ersten Blick. Unter den 25 besten Sommeliers der Schweiz befinden sich gemäss «Vinum» fünf Frauen. Zwei weitere sind Mitglied eines Teams. Auch an der Spitze von Weingütern sind Frauen in der Minderheit. «In meiner Önologie-Klasse waren wir vier Frauen und über ein Dutzend Männer», bestätigt Nadine Saxer. Sie führt das gleichnamige Weingut in Neftenbach/ZH in zweiter Generation.

Im Handel liegt die Macht jedoch bei den Frauen. Marktbeobachter bestätigen, dass viele Frauen beim Einkauf der Lebensmittel auch entscheiden, welcher Wein zum Essen serviert wird. «Auf dem Weingut würde nur selten ein Mann einen Wein kaufen, der seiner Frau nicht schmeckt», sagt Nadine Saxer. Braucht es also mehr «Weinfrauen», die «Frauenweine» keltern? «Überhaupt nicht», ist sie überzeugt. «Das sind Klischees, die sich hartnäckig halten. Fruchtige Weine mit Restsüsse sprechen nicht nur junge Frauen an. Sie gefallen auch älteren Herren.»

Nadine Saxer ist Winzerin und Unternehmerin auf dem 8,5 Hektar grossen Familienweingut in Neftenbach/ZH. (zvg)

Die Frage, ob Frauen anders verkosten, eine feinere Nase oder einen sensibleren Gaumen haben, ist nicht einfach zu beantworten. «Wenn ich mit Stefan verkoste, stelle ich keine Unterschiede fest», sagt Nadine Saxer. Ihr Ehemann Stefan Gysel führt das Weingut Aagne in Hallau/SH. Vinifiziert werden die Ernten beider Wein­güter im 2015 erweiterten Keller in Neftenbach. «Das Nutzen von Synergien hat viele Vorteile», ist Nadine Saxer überzeugt.

Fliessender Generationenwechsel

Nach einem Praktikum in Süd­afrika kehrte Nadine Saxer im Jahr 2002 auf den elterlichen Betrieb zurück. Mit dem Ziel, diesen später zu übernehmen. Damals stand die erste Ernte des neu angepflanzten Sauvignon Blanc bevor. «Mein Vater überliess mir die Vinifikation. Dezent wurde dies auf der Rückenetikette mit ‹Création Nadine› deklariert», erinnert sich Nadine Saxer. «Den Kundinnen und Kunden hat der Wein gemundet und sie fragten im darauffolgenden Jahr nicht nach Sauvignon Blanc, sondern nach dem ‹Nadine-Wein›.» Schritt für Schritt verfeinerte sie die Vinifikation, pflanzte mit Riesling, Gamaret sowie Merlot drei neue Rebsorten und übernahm im Jahr 2011 die Verantwortung über den gesamten Betrieb.


«Ich mag fruchtbetonte Weine mit Schmelz.»

Nadine Saxer, Winzerin


Ein grosser Schritt erfolgte 2015.  Damals konnten der in den Boden gegrabene Erweiterungsbau mit Flaschenlager und Barriquekeller sowie der Verkostungs- und Verkaufsraum mit Blick ins Tal in Betrieb genommen werden. Ebenfalls 2015 präsentierte Nadine Saxer das neue, heute noch aktuelle Etikettenkonzept.

Gut vernetzte Winzerin mitpreisgekrönten Weinen

Die Winzerin und Unternehmerin mag fruchtbetonte Weine mit Saft, Schmelz und Kraft. Wenn der Wein zudem Frische besitzt, will sie sich nicht auf eine Sorte festlegen. «Ich bin neugierig und mag viel Verschiedenes. Klar, Sauvignon Blanc gefällt mir besonders. Doch auch die Klassiker Riesling x Silvaner, die bei mir Sylvie und Nobler Weisser heissen, oder Pinot Noir sind immer spannend», sagt die Geniesserin, die jeden Tag ein Glas Wein trinkt. Dabei darf es zur Abwechslung auch mal ein kräftiger Tropfen sein. Und dies nicht nur aus dem eigenen Keller.

Nadine Saxer ist in der Branche gut vernetzt. An Weiterbildungsevents stört es sie nicht, dass sie eine der wenigen Frauen unter zahlreichen Männern ist. «In unseren Diskussionen zählt das Fachliche», sagt sie. Fast alle ihre Weine sind an nationalen und internationalen Wettbewerben ausgezeichnet worden. Und Nadine Saxer ist Mitglied der Vereinigung «Nous Artisanes du Vin». Sie findet es schade, dass nur vier Frauen aus der Deutschschweiz Mitglied der «Artisanes» sind. «Wir haben aus Gründen der geografischen Distanz einen eher ­losen Kontakt. Doch wir ermutigen uns gegenseitig im Chat, wenn es Frost oder Hagel gab», sagt ­Nadine Saxer.

(Gabriel Tinguely)


Zur Person

Nadine Saxer entschied sich erst für eine kaufmännische Ausbildung. Nach einem Jahr Praktikum studierte sie in Wädenswil Önologie. Dort lernte sie Stefan Gysel, ihren Ehemann, kennen. Das Paar hat drei Töchter und wohnt in Neftenbach.


 

«Wir sind stolz, Winzerinnen zu sein»

Mélanie Weber, drei Winzerinnen gründeten 1999 die Vereinigung Nous Artisanes du Vin. Weshalb?
Mélanie Weber: Gemeinsam sind wir stark. Das gilt für den Erfahrungsaustausch genauso wie für gemeinsame Auftritte.

Was hat sich seither verändert?
Die Anzahl der Mitglieder ist von den drei Gründerinnen auf 22 angestiegen. Dieses Jahr sollen weitere Winzerinnen aufgenommen werden. Dann gab es eine Anpassung der Statuten. Eine Winzerin muss nicht mehr im Besitz eines eigenen Rebbergs sein, um dem Verein beizutreten.

Was konnten die «Artisanes» in den vergangenen 25 Jahren bewegen?
Seit einigen Jahren organisieren wir erfolgreich den Salon Divines. Dieser und der Verein haben dazu beigetragen, dass mehr über Frauen in der Weinbranche gesprochen wird.

Wie feiern Sie das Jubiläum?
Gut, dass Sie mich daran erinnern! Wir werden einen Adventskalender mit Weinen der Mitglieder zusammenstellen.

Unterscheiden sich die Weine einer Winzerin von denen ihrer männlichen Kollegen?
Ich glaube nicht, dass Frauen andere Weine keltern als Männer. In einer Blindverkostung findet man dies nicht heraus. Wissen es die Verkostenden, entdecken sie jedoch immer Unterschiede. Dazu gilt es zu sagen, dass sich das Rollenbild geändert hat. Meine Mutter war noch die Frau des Winzers. Mein Mann und ich sind gleichberechtigte Partner. Das trifft auch auf die Konsumentinnen und Konsumenten zu.

Haben Sie einen Wunsch an Sommeliers und Gastgeber?
Wir arbeiten beide in Berufen, die Leidenschaft erfordern. Da wünsche ich mir, dass wir uns häufiger treffen und uns in persönlichen Gesprächen austauschen. Zum Beispiel über die Kombination von Speisen und Wein. Denn in der Schweiz haben wir sechs Weinbauregionen, viele verschiedene Rebsorten und Weine, die reich an Farben und Aromen sind.

Mélanie Weber ist Winzerin in fünfter Generation in Cully/VD und Präsidentin der Vereinigung «Nous Artisanes».

(gab)


Mehr Informationen unter:

nadinesaxer.ch

artisanes.ch