Christian Bindella: «Bringt mir Prosciutto mit»

Der Bindella-Sprössling hat sich in Tel Aviv niedergelassen. Seine «Osteria Bindella» ist auf bestem Weg, zur Institution zu werden. Doch er hat auch mit Tücken zu kämpfen.

Christian Bindella in seiner Osteria, dem vielleicht besten Italiener Tel Avivs. (ZVG)

Das Filet vom Adlerfisch ist leicht glasig und butterzart, der Rotkohl trägt eine feine Rotweinnote, die gerösteten Kürbiskügelchen und die Blumenkohlcreme werten das Gericht nicht nur geschmacklich, sondern auch farblich auf. Bei Bindella wird der Herbst auf den Teller gezaubert. Nur wünscht die Kellnerin nicht «en Guete», sondern «Beteavon».

Die «Osteria Bindella» ist der Einzige der 43 Betriebe der Zürcher Gastronomenfamilie, der nicht in der Schweiz steht. Sondern mitten in Tel Aviv. Geführt wird der Italiener von Christian Bindella, Sohn von Rudi Bindella, dem grössten privaten Gastrounternehmer der Schweiz.

Sechs Jahre ist es her, da zog Christian in die israelische Trendstadt, um dort ein Semester seines Masterstudiengangs in Wirtschaft zu absolvieren. «Es hätte ein halbes Jahr werden sollen», erinnert er sich. «Doch das Leben und die Leute gefielen mir hier zu gut.» Und so eröffnete er in seiner neuen Wahlheimat vor bald drei Jahren sein eigenes Restaurant, designt vom israelischen Stararchitekten Pitsou Kedem, der später auch den Zürcher Bindella-Betrieb «Più» einrichten durfte.

Fisch und Bindella-Wein

«Ich bin jung, kein Lokaler, mache einen modernen Fusion-Italiener – das konnte nur gut kommen», analysiert Bindella. Sagt sich leicht, wenn man in Tel Aviv ein Restaurant führt, das auf bestem Weg ist, sich zur Institution zu mausern. Bis zu 300 Gäste bedient seine Equipe an Spitzentagen, halb so viele sind es im Schnitt. Die Tropfen des Toskaner Weinguts seiner Familie sind beim Publikum beliebt. Einen zusätzlichen Schub gab die Verpflichtung von Küchenchef Yoram Nitzan vor einem halben Jahr, der den Ruf als bester Fisch- und Meeresfrüchtekoch des Landes geniesst.

Doch der Absolvent der Universität St. Gallen HSG hat in Israel auch mit Tücken zu kämpfen. Ausgebildetes Servicepersonal sucht man hier vergebens. «Die Serviceangestellten sind hier überall Studenten im Nebenjob. Eine Hotelfachschule oder andere Ausbildungsmöglichkeiten im Gastrobereich gibt es nicht.» Das bedauert Bindella, der sich von zuhause ein anderes Service-Niveau gewohnt ist. Doch er hat gelernt, sich der Mentalität des Ortes anzupassen. «Es ist, wie es ist», hält er fest, ohne dabei desillusioniert zu klingen.

Vielmehr möchte der 31-Jährige damit betonen, dass er sich den Gegebenheiten angepasst hat und ihm der Kontrast zu Zürich gefällt. «Die direkte, offene Art der Leute entspricht mir sehr. Wenn dem Gast etwas nicht passt, sagt er dies unverzüglich und unmissverständlich. Zürcher sind reservierter, anständiger.»

Unpünktlich und heissblütig

Auch die Sitzungen im Team – total beschäftigt der Betrieb rund 55 Mitarbeiter, viele davon allerdings im Teilpensum – spielen sich anders ab als bei den 42 Schweizer Bindella-Betrieben. «Erstens beginnt kein Meeting pünktlich und zweitens ist die Gesprächskultur eine andere. Es wird rasch mal laut und hitzig. Die Leute sind sehr heissblütig.» Die Sitzungen finden auch mit Bindella auf Hebräisch statt. Der Jungunternehmer ist der Sprache längst mächtig. «Und fehlt mir mal ein Begriff, klappt es natürlich auch auf Englisch.»

Das Englische dürfte er künftig noch mehr brauchen: In seinem Kopf schwirrt die Idee von einem weiteren Restaurant. «London würde mich reizen. Ich habe dort auch schon gelebt. Eine echte Weltstadt, in der es zwar schon alles gibt, doch der Markt ist riesig.» Wie weit ist dieses Projekt schon fortgeschritten? «Ich habe eine Idee, doch der Zeitpunkt ist noch nicht der richtige. Ich bin in Tel Aviv noch nicht so weit, dass ich mal für zwei, drei Monate nach England verreisen kann.»

Um dennoch Abwechslung zu erleben, lud er Ende Oktober Pascal Schmutz als Gastkoch in seine Osteria. Der 32-Jährige Schweizer verwöhnte seine Gäste mit einem Schweizer Menü, in dem ein Fondue nicht fehlen durfte. «Wir hatten an beiden Abenden volles Haus, die Leute waren begeistert», sagt Bindella. Als nächstes plant er, einen Drei­sternekoch als Gast willkommen zu heissen.

Anspruchsvoller als in Zürich

Bindella bietet seinen Gästen einiges. Das muss er auch, erklärt er. «Die Leute sind anspruchsvoller als in Zürich. Zudem hat es in Tel Aviv weniger zahlungskräftige Leute.» Ist der Markt kleiner, muss er seine wachsende Stammkundschaft stets bei Laune halten. «In Zürich ist es sicher einfacher, profitabel zu sein. Hier geht es darum, sich über Wasser halten zu können.»

Dennoch: Eine Rückkehr in die Zwinglistadt kann sich Bindella derzeit nicht vorstellen. «In den nächsten Jahren sicher nicht. Ich besuche meine Familie und Freunde gerne alle zwei Monate ungefähr, muss dann aber wieder weg.» Was fehlt ihm aus der Schweiz? Bindella überlegt lange, dann kennt er die Antwort genau: «Eine richtig gute Salami und Parmaschinken kriege ich hier nicht. Wer mich besuchen kommt, darf mir gerne Prosciutto di Parma mitbringen!»

(Benny Epstein)


Zur Person

Christian Bindella ist einer der vier Söhne von Gastro-König Rudi Bindella. Seit bald drei Jahren führt er in Tel Aviv die «Osteria Bindella».
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