Das Gartenrestaurant im Wandel der Zeit

Jedes noch so kleine Restaurant stuhlt heute ein, zwei Tische aufs Trottoir hinaus. Das war noch vor ein paar Jahrzehnten ganz anders.

Das Restaurant Bauschänzli in Zürich liegt auf einer künstlich angelegten Insel in der Limmat. 1907 bewilligte der Stadtrat, auf dem Bauschänzli einen Biergarten anzulegen. (ZVG)

Blenden wir zurück in die 1980er-Jahre. Damals war die Schweizer Restaurantkultur noch eine ganz andere. Währschafte, meist rauchgeschwängerte Wirtschaften waren üblich. Jedes Dorf hatte sein «Rössli», seinen «Bären» oder seinen «Ochsen». In einigen Städten gab es traditionelle Zunftbeizen und andere rustikale Restaurants. Wer einen schönen Innenhof oder gar einen angrenzenden Garten oder eine Terrasse hatte, nutzte dies, um an schönen Tagen die Gäste im Freien zu bewirten. Dass ganze Strassenzüge von Aussenwirtschaften gesäumt waren, wie es heute in so mancher Schweizer Stadt vorkommt, kannte man damals nur aus den Ferien am Mittelmeer.

Wann das erste Gartenrestaurant, das diesen Namen verdient, eröffnet wurde, lässt sich nicht beantworten. Ein wichtiger Meilenstein ist aber sicher der deutsche Biergarten, der vor 250 Jahren – so besagt es die Legende – in München erfunden wurde. Da das Bierbrauen aus Brandschutzgründen zwischen Georgi (23. April) und Michaeli (29. September) verboten war, wurden seit dem späten 18. Jahrhundert tiefe Kellerhöhlen ins Erdreich gegraben. Darin wurde im Frühjahr, wenn im März zum letzten Mal gebraut worden war, das Märzenbier eingelagert. Darüber pflanzten die Brauer als Sonnenschutz Kastanien, die mit ihren flachen Wurzeln nicht zu tief ins Erdreich vordrangen. Weil technische Kühlanlagen noch nicht erfunden waren, holten die Münchner das tägliche Bier frisch von der Brauerei – und konsumierten es vor Ort. Der Grundstein für den Biergarten war gelegt.

Auch in der Schweiz bauten Brauerei-Restaurants solche Gärten zu ihren Restaurants. Ein Beispiel hierfür ist das Restaurant Ziegelhof in Liestal. Der Name geht auf eine ehemalige Ziegelei im Gürtel der Stadtmauer zurück, die während 400 Jahren Ziegelsteine für die Basler Stadtmauer brannte. Nach deren Schliessung wurde am selben Ort 1850 die Brauerei errichtet, die der Vorgängerfirma durch die Namensgebung ihren Tribut zollte. Zwar wurde die Biermarke 2006 an die Luzerner Brauerei Eichhof verkauft, doch das Restaurant mit zugehörigem Garten ist bestehen geblieben. Ähnlich lauschige Gärten waren seit jeher von Klöstern bekannt, wo notabene in vielen Fällen auch Bier hergestellt und konsumiert wurde. Oftmals wurden diese Schenken nicht in den klösterlichen Mauern, sondern in der Nähe erstellt.

Tourismus spielt eine wichtige Rolle

Als ab dem 19. Jahrhundert der Tourismus in der Schweiz Einzug hielt, entstanden zahlreiche Hotels, wie etwa im Jahr 1838 das «Baur en Ville» in Zürich, 1859 der «Schweizerhof» in Bern und 1865 das «Euler» in Basel. Durch die Eisenbahn und den Ausbau des Strassennetzes, insbesondere der Alpenpässe, wurde das Reisen zu den Schweizer Alpen bedeutend einfacher. Eine noch vor 200 Jahren als feindselige und schwer zugänglich erscheinende Natur und Landschaft erschloss sich der Menschheit. Wichtiges Element war auch die angemessene Bewirtung, wo bei angenehmen Temperaturen schon alleine wegen der Aussicht draussen getafelt wurde. Wie etwa auf der Terrasse des Bergrestaurants auf Niesen Kulm, einem Berggipfel im Berner Oberland. Bereits 1856 wurde dieses erbaut, und von Beginn weg wurde auf dem Vorplatz herausgestuhlt. Einst nur mit einfachen Bänken, heute auf einer modern ausgebauten Terrasse. Doch auch in urbanen Gebieten zog es die Bevölkerung immer mehr ins Freie. Dies ist vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auszumachen, als es in den Stadtmauern immer enger wurde. Die «Spuren» sind hier und dort bis heute auszumachen. In Basel entstand in jener Zeit beispielsweise die Lange Erlen, ein Naherholungsgebiet am Stadtrand. Initiative Basler gründeten 1871 den Tierpark Lange Erlen am Fluss Wiese. Gleichzeitig wurde zur Verkostung das Parkrestaurant Lange Erlen aus der Taufe gehoben – ein Betrieb, der bis heute existiert. Oder in Zürich findet sich das «Buuschänzli», wie es im Dialekt genannt wird. Dabei handelt es sich um ein Relikt der barocken Stadtbefestigung aus dem 17. Jahrhundert. Als südlichste Bastion diente sie zum Schutz gegen Angriffe vom See. Da Zürich nie ernsthaft bedroht war, wurde das Bauschänzli vor allem als Festplatz genutzt. Zwischen 1835 und 1883, bis zum Bau der Quaibrücke, diente es als Landungsstelle für das erste Dampfschiff auf dem Zürichsee. 1841 trat der Kanton das Bauschänzli an die Stadt ab, mit der Bedingung, dass es als Platz dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben müsse. Seit 1907 wird die Limmatinsel als Gartenwirtschaft genutzt. Seit 1988 führt die Fred Tschanz Gruppe das nur im Sommer geöffnete Restaurant.

Tod des weissen Plastikstuhls

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten die Aussenbereiche vor allem zwei Dinge: Gratis-Sonnenschirme eines Zulieferers sowie weisse Plastikstühle. Ab 2004 erliess Bern neue Richtlinien für die Aussenbestuhlung und trat damit eine schweizweite Bewegung los. Mobiliar aus Holz, Metall, Stoff und Aluminium sollte das Strassenbild aufwerten. Basel und Zürich zogen umgehend nach. Heute ist Plastikmobiliar nur noch vereinzelt und vorab in Bergregionen und ländlichen Gebieten auszumachen.

(Ruth Marending)