Hotelgärten – Oasen der Ruhe

Das «Gartenjahr 2016», eine Initiative unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset, macht auf die Bedeutung von Grünflächen aufmerksam. Acht findige Hoteliers nutzen die Chance auf eigene Weise.

  • Der Park des Bio-Schlosshotels Wartegg wird regelmässig für öffentliche Anlässe genutzt.

Petrus ist schlecht gelaunt. Es regnet den ganzen Tag. Doch der Park des Bio-Schlosshotels Wartegg in Rorschacherberg am Bodensee hat trotzdem seinen Charme. Er wirkt wie ein verwunschenes Paradies inmitten der verbauten Schweizer Seite des Bodensees. Dabei hätte der Park überbaut werden sollen. Eine entsprechende Abbruchbewilligung ist bereits vor Jahrzehnten erteilt worden. Retter in der Not ist 1994 die Familie Mijnssen, die das Schloss kauft. Sie renoviert das vom Verfall bedrohte Gebäude und eröffnet es 1998 als Hotel. Gastgeber sind Imelda Senn und Richard Butz, die das Haus in einer Co-Direktion führen. Senn kam als Quereinsteigerin vor acht Jahren ins Haus, Butz, der die Schweizerische Hotelfachschule Luzern SHL absolvierte, ist seit etwas mehr als zwei Jahren im Amt. «Der Park ist zentral für uns», sagt Richard Butz. «Unsere Gäste sind gerne dort, es gibt viel zu erleben.» Der Garten mit seinen 13 Hektaren ist weitläufig. Überall laden Nischen und Ecken zum Verweilen ein. Hier finden Vogelkonzerte statt, für Kinder gibt es eine grosse Spielfläche. In einer Ecke des Parkes weiden Bündner Oberländer Schafe, eine vom Aussterben bedrohte Rasse. Grillstellen laden zum gemütlichen Beisammensein ein. Es gibt Park-, Garten- oder Wildkräuterführungen. Auch für Apéros ist der Park beliebt, besonders für Hochzeiten. «Ab jetzt haben wir jedes Wochenende einen solchen Anlass im Haus», freut sich Butz. Der Vorteil für die Brautpaare: «Fürs Fotoshooting müssen sie sich keinen anderen Ort aus- besuchen.»

Gemüsegarten beeinflusst die Speisekarte

Der Gemüse- und Kräutergarten mit seinen 3000 Quadratmetern hat eine biologisch-dynamische «ProSpecieRara»-Ausrichtung. Hier wachsen 40 Kräuter und unzählige Gemüsesorten. Bereits am frühen Morgen streifen die Küchenmitarbeiter durch die Beete. Eine von ihnen ist Köchin Anna Kohse, die aus Norddeutschland stammt und seit einem halben Jahr am Bodensee arbeitet. «Die Saison beginnt jetzt so richtig», freut sie sich. Seit einem Monat können die Mitarbeiter der Küche die ersten Kräuter ernten. Die Vogelwicke, das Erbsenkraut oder den Giersch, mit denen sie ein herrliches Wildkräuterpesto herstellen. Die Restaurantküche, die mit 13 GaultMillau-Punkten ausgezeichnet ist, richtet sich nach dem Angebot des Gartens, die Menüs werden laufend angepasst. So hat Anna Kohse bereits in den wenigen Monaten auf Schloss Wartegg die Ernte der Limonen miterlebt. «Wir haben die Früchte in der Küche gescheibelt, eingelegt, gezuckert, aufgegossen und ziehen lassen.» Das Servicepersonal kochte daraus Limonensirup, so wie mit der Lavendel- und der Holunderernte auch. Und der Pâtissier setzte eine Limonenterrine auf die Dessertkarte. Am schönsten sei aber, freut sich Kohse, dass jetzt die Teller so herrlich dekoriert werden können. «In den Wintermonaten arbeiteten wir mit verschiedenen Chips, zum Beispiel solchen aus Randen. Jetzt aber können wir mit den Kräutern die Teller wunderschön gestalten.» Besonders die Kapuzinerkresse eigne sich mit ihren schön geformten Blättern bestens.

Dass Kräuter und Gemüse für die Küche bereitstehen, dafür sorgt Gärtner Mathias Thalmann, der seit der Hoteleröffnung 1998 zu hundert Prozent vom Hotel angestellt ist. Als er damals, vor bald zwanzig Jahren, seine Arbeit aufnahm, traf er einen stark verwilderten Park vor. «Der Baumbestand war sehr überaltert», erinnert er sich.

Die Anlage wurde einst von Herzogin Louise-Marie von Bourbon-Parma geplant und angelegt, die nach der Entthronung der spanischen Bourbonen durch Napoleon auf «Wartegg» Exil fand. Vorbild waren englische Landschaftsgärten, die sich durch ihre Natürlichkeit und den Einbezug der Natur auszeichnen. Diesen Charakter verspürt der Besucher noch heute: Verschlungene Wege, Sträucher und Wiesenflächen zeichnen den Park aus. Mit seinen dreizehn Hektaren gilt er gar als nationales Gartendenkmal. «Die Gartenpflege ist sehr personalintensiv», weiss Richard Butz. Doch mit einem entscheidenden Vorteil: «Die Einmaligkeit des Parks hilft in schwierigen Zeiten, trotz Eurokrise konnten wir letztes Jahr ein Logierwachstum verzeichnen.»

Warum eine neue Kooperation

Das Bio-Schlosshotel Wartegg ist eines der acht Häuser, die sich zur Kooperation «Garten Hotels Schweiz – Zeit für mich und mehr» zusammengeschlossen haben. Initiant ist Jörg Deubner, Gastgeber des Romantik & Swiss Historic Hotels Villa Carona in Carona-Lugano. «Die Initiative ‹Gartenjahr in der Schweiz 2016› hat mich auf die Idee gebracht, Hotels mit wunderschönen Gärten unter einem Dach zu vereinen», so Deubner. Neben dem Romantik Hotel Villa Carona und dem Bio-Schlosshotel Wartegg haben sich das Hotel Villa Novecento in Locarno-Muralto, das Hotel Chesa Salis in Bever, das Berghotel Schatzalp in Davos, Schloss Münchenwiler, das Romantik Hotel Bären in Dürrenroth und die Kartause Ittingen in Warth der Kooperation angeschlossen. «Gärten werden zunehmend als Ort der Ruhe und des Rückzugs entdeckt», führt Deubner aus, «so entstand die Idee, unsere Hotelgärten ins Zentrum zu rücken zur Entspannung und für eine persönliche Auszeit. Die Gäste können bei uns das ‹Glück des einfachen Seins› aus der Kombination ‹Ankommen, Abschalten, Entspannen› und aufrichtige Gastfreundschaft sowie kulinarische Erlebnisse erfahren.»

Alle Hotels haben in ihren herrlichen Gärten individuelle Animationen, die mit der Kooperation noch mehr ausgebaut werden sollen. Auch Jörg Deubner bietet in seinem Garten ein kleines feines Kursangebot an, das den Gästen Entspannung, Meditation, Yoga und Achtsamkeitsmeditation in der Natur näherbringt. «Unsere Besucher sollen mit mehr Gelassenheit und Ruhe in den Alltag zurückkehren», erklärt er. Mit 1500 Quadratmetern ist Deubners Park zwar nicht so gross wie derjenige auf der «Wartegg», aber nicht minder erholsam. «Sobald das Wetter es zulässt, ist der Garten der ‹Hauptaufenthaltsraum› unserer Gäste. Sie faulenzen auf den Sonnenliegen, entspannen sich im Hot-Pot und nehmen ihre Mahlzeiten im Freien ein.» Da ist zum einen die Frühstücksterrasse oder die Pergola mit einer hundertjährigen Glyzinie. Es gibt Rückzugsmöglichkeiten auf den Liegewiesen oder unter dem Tulpenbaum.

Zum Garten schaut das Direktionspaar selber. «Das ist Chefsache», betont Deubner. Unterstützt wird er vom Haustechniker und einer Gartenhilfe. Doch er gesteht: «Pflege und Unterhalt sind eine finanzielle Herausforderung. Die Kosten können wir nicht eins zu eins auf die Übernachtungspreise umwälzen.»

Hotelpärke für die Öffentlichkeit

Die Kartause Ittingen in Warth ist ein weiteres Hotel, das sich der Kooperation angeschlossen hat. Im zwölften Jahrhundert machten die Herren von Ittingen ihre Burg zu einer Augustinerprobstei. Seit 1977 lenkt die privatrechtliche Stiftung Kartause Ittingen die Geschicke des ehemaligen Klosters. Die Stiftung betreibt zusammen mit dem Kunstmuseum Thurgau, dem Ittinger Museum sowie dem Tecum, Zentrum für Spiritualität und Bildung, ein Kultur- und Seminarzentrum. Auch wenn die ehemalige Klosteranlage sehr belebt ist, finden Hotelgäste lauschige und ruhige Orte zum Entspannen, sei es im grossen Kreuzgarten, beim Thymianlabyrinth, bei der eigenen Quelle oder im Ittinger Wald. «Viele Gäste kommen wegen der traumhaften Gartenanlage und den über tausend Rosenstöcken aus mehrheitlich historischen Sorten in die Kartause Ittingen», weiss Corinne Rüegg Widmer, Leiterin Kommunikation und Marketing. Verschiedene Orte in der Anlage wie der Barockgarten bieten perfekte Möglichkeiten für Apéros.

Auch Schloss Münchenwiler bei Murten ist ein Platz, der zur Erholung einlädt. «Der Schlosspark mit seinen drei Hektaren ist offen für Passanten, Spaziergänger, Radfahrer, Hundebesitzer oder Reiter.» Dennoch finden die Hotelgäste ihre Ruhe: «Bei uns gibt es eine Vielzahl von Rückzugsmöglichkeiten», sagt Gastgeberin Brigit Leicht. Ein Pavillon mit Ofen und Whisky-Auswahl, die Mönchs-Grotte beim Kräutergarten, ein Bade-Teich mit Springbrunnen, Sitzmöglichkeiten beim Sequoia-Baum und andere mehr. Für den Parkunterhalt ist ein Landschaftsgärtner und für den Kräutergarten ein Gärtner engagiert. Ein weiterer Gärtner ist für den Gemüsegarten und die Gemüseproduktion zuständig.

Alles in allem, so Brigit Leicht, würde der Aufwand für den Garten acht Prozent des betrieblichen Gesamtaufwandes ausmachen. Ein Aufwand, der sich lohnt, denn: «Der Park ist die Erweiterung zum Schloss, zum Innenraum gehört der Aussenraum.»

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