«Natürlich ist immer eine gewisse Anspannung da»

Die gelernte Konditorin/Confiseurin arbeitet für zwei Jahre bei Sven Elverfeld im Dreisternelokal Aqua in Wolfsburg (DE). Ein Rückblick nach sechs Monaten.

Jasmin Enzler fühlt sich wohl im Restaurant Aqua in Wolfsburg. (ZVG)

HGZ: Jasmin Enzler, warum zog es Sie nach Wolfsburg ins Restaurant Aqua?

Jasmin Enzler: Für mich war schon immer klar, dass ich einmal in einem Dreisternelokal in Deutschland arbeiten wollte. So habe ich mich letztes Jahr bei mehreren deutschen Punktelokalen beworben. Für die Auswahl zog ich die San-Pellegrino-Liste zu Rate. Neben dem «Aqua» mit Sven Elverfeld war ich bei Joachim Wissler, bei Klaus Erfort und bei Tim Raue probearbeiten. Aber das «Aqua» hat mich einfach am meisten überzeugt.

Aus welchem Grund?

Das ist ganz schwierig zu sagen. Das Restaurant ist einerseits Teil des «The Ritz Carlton» in Wolfsburg. Ich fand es spannend, in einem Lokal zu arbeiten, das ein so grosses Unternehmen im Rücken hat. Andererseits hat mich auch die Philosophie des «Ritz» überzeugt. Diese lautet: We are Ladies and Gentlemen serving Ladies and Gentlemen.

Gleich mehrere Betriebe haben Sie zum Probearbeiten eingeladen. Haben Sie mit so einer positiven Resonanz gerechnet?

Nein, überhaupt nicht. Es hat mich selber überrascht. Aber als Pâtissière hatte ich wohl Vorteile. Denn gerade in Deutschland sind diese sehr gesucht. Es gibt nur wenig Konditoren/Confiseure, die in die Gastronomie wechseln. Und die Köche arbeiten in der Regel nicht gerne als Pâtissier. Für Köche ist es schwieriger, eine Stelle zu finden, denn die Konkurrenz ist viel grösser. Doch da bietet der Schweizer Kochverband skv seinen Mitgliedern Unterstützung mit seiner Auslandsjobvermittlung. Erfahrene Berufsleute, so genannte Ambassadoren, verhelfen in über 27 Destinationen zu hilfreichen Kontakten.

Wie sind Sie bei den Bewerbungen vorgegangen?

Beim «Aqua» habe ich mich schriftlich beworben, obwohl die Bewerbungen eigentlich online eingereicht werden sollten. Zudem war gar keine Stelle ausgeschrieben. Wie es der Zufall wollte, hatte meine Vorgängerin gekündigt und mein Dossier lag passenderweise bei Sven Elverfeld auf dem Tisch. So wurde ich zu einem Gespräch eingeladen. Ich glaube es ist wichtig, dass man mit seiner Bewerbung auffällt und sich nur schon in der Gestaltung des Dossiers abhebt.

Wie fühlt sich nun der Arbeitsalltag in einem Dreisternelokal an?

Ich liebe es. Natürlich ist immer eine gewisse Anspannung vorhanden. Denn ich möchte natürlich, dass immer alles perfekt ist. Doch trotz dieser hohen Ansprüche ist das Arbeitsklima sehr locker und entspannt. Ich bin umgeben von Kollegen, die alle dasselbe Ziel haben. Wir helfen uns gegenseitig und können uns aufeinander verlassen.

Wie erleben Sie Ihren Küchenchef Sven Elverfeld?

Er hat immer ein offenes Ohr für seine 14 Mitarbeiter. Er arbeitet sehr ruhig und konzentriert. Zudem sprüht er vor Ideen. Seinen Leuten lässt er sehr grossen  Freiraum. Sie sind als Commis pâtissière angestellt.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?

Ich bin verantwortlich für die gesamte Mise en place und arbeite aktiv bei neuen Gerichten mit. Ich beginne meist um 13 Uhr und produziere die Mise en place für den Abend oder für grössere Projekte wie die Pralinen. Zudem backen wir jeden Tag frisches Brot. In regelmässigen Abständen sind wir auch immer wieder mit dem Kreieren von neuen Desserts und Pralinen beschäftigt.

Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche?

Wir arbeiten nur 39 Stunden. Mehr ist in Deutschland nicht mehr gestattet. Das ist eine grosse Herausforderung für uns, die Arbeit in dieser Zeit zu schaffen. Und für mich ist es eine riesige Umstellung, da ich in der Schweiz immer viel mehr gearbeitet habe und zudem noch in der Kochnationalmannschaft war. Aber ich schätze es natürlich, mal Zeit für mich und meine Projekte zu haben.

Können Sie uns Näheres zu diesen Plänen erzählen?

Es gibt da vor allem ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt. Ich denke, es könnte zu einem langfristigen Unternehmen werden. Ich möchte ein Pâtissier-Team gründen, das sich an Wettkämpfen engagiert und in die Jugendförderung investiert. Denn es gibt so viele Pâtissierwettbewerbe wie etwa den «Coupe du Monde de la Pâtisserie» in Lyon. Nach Wettkämpfen wie den SwissSkills und den WorldSkills verschwinden die jungen Talente jedoch von der Bildfläche. Das ist schade.

Folgen im Anschluss weitere Auslandsaufenthalte?

Einerseits würde es mich reizen, andererseits zieht es mich in die Heimat zurück. Ich bin mir auch noch nicht sicher, ob ich weiterhin in der Gastronomie arbeiten oder lieber in die Backstube zurückkehren möchte.

Zur Person

Jasmin Enzler absolvierte von 2007 bis 2010 eine Lehre als Konditorin/Confiseurin bei der Confiserie Doessegger in St. Gallen. Sie schloss als Beste der Kantone SG, AR, AI, GL sowie Liechtenstein ab. Danach wechselte sie in die Gastronomie und sammelte Erfahrung im Kongresshaus Zürich, in der «Fischerzunft» in Schaffhausen sowie bei «Lampart’s» in Hägendorf. Danach wirkte das Mitglied des Schweizer Kochverbandes bei Rolf Mürners Swiss Pastry Design. Von 2014 bis 2015 war sie Mitglied der Kochnati.

Auslandsjobvermittlung «Ambassador»

Der Schweizer Kochverband skv bietet seinen Mitgliedern Unterstützung bei der Jobsuche im Ausland. Interessierte senden ihr Dossier an:
<link>kochverband@hotelgastrounion.ch