Raus aus der Capunseria, rein in die Segneshütte – wie ein Wirtepaar in Flims versucht, seiner neuen Heimat die eigene Identität einzuhauchen.
«Es war der dümmste Zeitpunkt, um in der Capunseria aufzuhören», gibt Corin Büchel unumwunden zu. «Jetzt, wo wir eine Stammkundschaft aufgebaut hatten.» Drei Jahre führte sie gemeinsam mit Arnaud Frascotti eine kleine Beiz in Flims/GR. Inmitten von Wanderwegen und Skipisten servierten sie in einem ehemaligen Kuhstall Capuns in verschiedenen Varianten sowie weitere Spezialitäten der Region.
Vor der Hütte pflanzte das Paar einen hübschen Gemüsegarten an, dessen Produkte für die herzhaften Gerichte verwendet wurden. Hühner spazierten im Sommer rund ums Lokal, ehe ein Fuchs diese gerissen hat.
Büchel kommt aus Romanshorn, Frascotti aus La Chaux-de-Fonds – doch die beiden Wirte verliebten sich rasch in die Ferienregion. «Ich will nicht mehr weg von diesen schönen Bergen», sagt Büchel. Gerne wären sie in der Capunseria geblieben, doch letzten Herbst merkten sie, dass es einen Schlussstrich zu ziehen galt. Immer wieder wollten sie Teile der Hütte sanieren lassen, doch der Besitzer sei stur geblieben und wollte nicht investieren. «Das Haus ist ganz schlecht isoliert. Drei Jahre unter diesen Umständen sind genug.» Auch die sehr schlichte Küche hätten sie gerne aufgewertet, doch sei keine Unterstützung vom Besitzer gekommen. «Zuletzt haben wir um eine Abzugshaube gebeten. Als der Besitzer meinte, ‹Okay, aber danach machen wir nichts mehr›, wussten wir, dass es so nicht weitergeht.»
Büchel und Frascotti wären sogar an einem Kauf interessiert gewesen, doch der Besitzer bot ihnen keinen Preis an. Büchel: «Nicht investieren, aber auch nicht verkaufen – das verstehe ich bei dieser Hütte nicht.»
Man begab sich auf die Suche nach einer Alternative und wurde bald fündig. «Bergrestaurants, die zur Übernahme angeboten werden, gibt es mehr als genug», erzählt Büchel. «Aber mal ist der Pachtzins viel zu hoch, mal stimmt sonst was nicht.» So, dass die beiden ums Haar eine Beiz in Salvan/ VS, westlich von Martigny, gekauft hätten. Der Preis und das damit verbundene unternehmerische Risiko habe das Budget aber doch überschritten.
Obwohl der Zeitpunkt für den Schritt zu etwas Eigenem eigentlich gepasst hätte, entschied sich das Wirtepaar letztlich dafür, die Segneshütte (<link http: www.grandislaax.ch de unsere-betriebe ustria-segnes>
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) zu pachten und somit in Flims zu bleiben. «Ein Entscheid der Vernunft und ein Entscheid aus unserer grossen Liebe zur Region.»Die Segneshütte gehört zu den Laaxer «Grandis»-Betrieben. Sie ist eine der ältesten Berghütten der Region und liegt auf einer Höhe von 2100 Metern mitten im Unesco-Weltnaturerbe «Tektonikarena Sardona».
Also alles ungefähr gleich wie in der Capunseria? «Nein», hält Büchel fest. «Die Capunseria war viel kleiner. Wir hatten 30 Plätze, in der Segneshütte sind es innen und aussen je 80. Zudem galt in der Segneshütte bislang Selbstbedienung, was so bleiben wird. Die Herausforderung ist nun, unsere Persönlichkeit einzubringen, obwohl wir nicht mehr direkt servieren.» Wie ist das zu schaffen? «Indem wir trotz Selbstbedienung Frische garantieren und unser Herz einbringen: Wir arbeiten gerne, machen weiterhin alles frisch, das Essen, den Punsch und die Tees.»
Büchel weiss, dass die Gäste mittlerweile nicht nur kamen, weil die Capunseria gerade auf dem Weg lag. «Sie kamen wegen uns. Deshalb wollen wir einen Teil der Menükarte mitnehmen.» Diese gelte es nun, bis zur Eröffnung Mitte Juni, zu schreiben. Das grosse Opfer des Wechsels ist dabei das Gericht, das der alten Hütte ihren Namen gab: Capuns sollen nur noch sporadisch serviert werden. «Ab und zu werden Capuns auf dem Tagesmenü stehen, aber ich muss gestehen, es bedeutet einen Riesenaufwand und gehört einfach nicht zu meinen Lieblingsgerichten. Und ich koche lieber Gerichte, die ich selbst mag. Aus der Region wären das zum Beispiel Pizokel.» Auch die beliebten Burger werden in allen Variationen wieder auf der Karte stehen, ebenso der Auberginen- Kaviar im Sommer.
Auf den hübschen Gemüsegarten müssen Gastgeber und Gäste verzichten, Hühner sollen die Umgebung aber wieder bereichern, wenn auch wohl erst im nächsten Frühjahr. Die grösste Änderung – vom Capuns abgesehen – wartet auf das Wirtepaar aber oberhalb des Restaurants: Sechs Doppel- und drei Viererzimmer, allesamt neu renoviert, gilt es zu führen. «Es ist das erste Mal, dass ich für Zimmer verantwortlich bin», sagt Büchel und erinnert sich sogleich: «Früher habe ich auch schon als Zimmermädchen gearbeitet.»
Sieben bis acht Mitarbeiter kümmern sich im Sommer um die Segneshütte, im Winter ist das Team zu dritt. Am Morgen gibt es ein Frühstück, am Abend für die übernachtenden Gäste und für andere auf Reservation einen Dreigänger. «Am Abend werden wir unsere Gäste natürlich am Tisch bedienen.»
Kommen die Stammgäste wieder? Wie klappt das mit den Zimmern? War der Entscheid richtig, die Selbständigkeit weitere Jahre hinauszuschieben? Wie lassen sich die Transportkosten im Griff halten? Früher konnte sie ihre Ware mit dem Auto vor die Hütte fahren, nun ist sie auf den teuren Hubschrauber und Pistenfahrzeugeinsätze angewiesen.
Unsicherheit und Vorfreude wechseln sich ab, wobei letztere überwiege, sagt Büchel und verabschiedet sich. Weil sie dringend an die nächste Planungssitzung muss.
Benny Epstein