Derzeit verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Mindestlöhne 2024. Wie ist die Position der Hotel & Gastro Union?
Seit 2019 weigert sich Gastrosuisse, Verhandlungen über einen neuen Landes-Gesamtarbeitsvertrag L-GAV aufzunehmen. Dennoch ist der Arbeitgeberverband gezwungen, sich Jahr für Jahr mit den Sozialpartnern an einen Tisch zu setzen. Dann nämlich, wenn es um die Festlegung der Mindestlöhne in der Gastronomie und Hotellerie geht.
Derzeit laufen die Verhandlungen in Zürich und Bern auf Hochtouren. Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, darunter die Hotel & Gastro Union, tauschen sich über die aktuelle Branchensituation aus und versuchen, gemeinsam eine Mindestlohn-Lösung zu finden, die für beide Seiten tragbar ist. Auch wenn aufgrund des derzeit vorherrschenden Fachkräftemangels viele Betriebe Löhne bezahlen, die auf allen Qualifikationsstufen über dem Minimum liegen, sind die Mindestlohnverhandlungen von enormer Bedeutung. Die Höhe eines Mindestlohns prägt das Image einer Branche: Ist sie attraktiv genug, um sich für eine Grundbildung oder einen beruflichen Wiedereinstieg in dieser zu entscheiden?
«Fakt ist aber auch, dass viele Betriebe noch immer nur den Mindestlohn zahlen oder diesen sogar unterschreiten», so Roger Lang, Leiter Rechtsdienst der Hotel & Gastro Union und Vertreter der Arbeitnehmerorganisation am Verhandlungstisch. Gemäss Kontrollstelle L-GAV liege die Zahl jener Betriebe jährlich zwischen fünf und zehn Prozent. Aber auch wenn ein Mindestlohn bezahlt wird, reicht er doch in der heutigen Zeit nirgendwohin. Mitarbeitende mit einer zweijährigen beruflichen Grundbildung und einem eidgenössischem Berufsattest erhalten monatlich 3927 Franken brutto. «Viel zu wenig, um damit anständig zu leben», betont Roger Lang. Einzelne Kantone haben bereits höhere gesetzliche Mindestlöhne eingeführt. «Die Mitarbeitenden in unserer Branche wollen ebenso bezahlt werden wie jene in anderen Branchen. Ausserdem: Mit tiefen Löhnen dreht man weiter an der Abwärtsspirale. Noch mehr Arbeitskräfte werden die Branche verlassen. Die Produktivität sinkt», ist sich Roger Lang sicher.
Für die Hotel & Gastro Union steht fest: Mittelfristig müssen die Mindestlöhne für Ungelernte über jenen der höchsten kantonalen liegen. Und: Mitarbeitende mit einer Grundbildung und einem Fähigkeitszeugnis sollten mindestens 5000 Franken in der Lohntüte haben.
(Jörg Ruppelt)