Sie können Schmarotzer oder ein absoluter Glücksfall für eine Destination sein: Influencer. Fakt ist: An ihnen führt heute fast kein Weg vorbei. Wie gelingt eine gute Zusammenarbeit?
Kaum messbare Wirkung, wenig redaktionelle Kontrolle und unverhältnismässig hohe Kosten – Thomas Hertkorn, Online-Marketing-Chef bei «A&O»-Hostels, hat sich eine klare Meinung über Influencer gebildet. Seit Herbst 2018 lädt die deutsche Hotelgruppe daher keine Influencer mehr ein: «Wir wollen keine Kostentreiber, sondern bezahlbaren Mehrwert für unsere Gäste.»
Für Aufsehen sorgte jüngst auch das Bürgenstock Resort mit seinen «Flash & Splash Hours». «Bei unserem Infinity Edge Pool treffen zwei Gästebedürfnisse aufeinander: Einerseits gibt es Hotelgäste, die unbedingt ein Erinnerungsfoto schiessen möchten. Andererseits wollen Ruhesuchende den atemberaubenden Ausblick ungestört geniessen können», erklärt Communications Manager Jonas Reif. Um keine Gäste zu verärgern, ist das Fotografieren im Infinity Edge Pool daher seit Mitte Dezember nur noch zwischen 7 und 12 Uhr sowie zwischen 17 und 19 Uhr erlaubt. Die Erfahrungen werden aktuell ausgewertet, negative Rückmeldungen habe es aber keine gegeben.
Mit dem noch relativ jungen Berufszweig Influencer hat sich für Betriebe in der Tourismusbranche eine neue Marketing-Sparte aufgetan. Wie gut Influencer-Marketing funktionieren kann, zeigte 2016 das Beispiel des Hotels Villa Honegg in Ennetbürgen/NW. Seit das Video einer brasilianischen Reisebloggerin aus dem Infinity Pool der Villa Honegg um die Welt ging, liegt die Hotelauslastung bei 90 Prozent. «Seither erhalten wir Anfragen aus der ganzen Welt», sagt Marketingleiterin Simona Lussi.
Schon vor dem viralen Video verzichtete die Villa Honegg komplett auf herkömmliches Marketing und setzt seit 2011 ganz auf Influencer und Social Media. 2016 wurde die Zusammenarbeit noch verstärkt und vor allem mit einzelnen Influencern stetiger Kontakt gepflegt. «Durch den Video-Hype haben wir mittlerweile das Privileg, aus täglichen Anfragen von Influencern diejenigen aussuchen zu können, die am besten zu unserem Profil passen», so Simona Lussi. Etwa zwei Influencer pro Monat lädt das Fünfsternehotel ein. Wichtig ist dabei die Auswahl: «Die Arbeit der Influencer muss mit unseren Kernwerten übereinstimmen.»
Bezahlt werden die Influencer von der Villa Honegg nicht. «Wir arbeiten immer mit Gegenleistungen», so Lussi. Generell seien das ein bis zwei Übernachtungen mit Frühstück, Spa und Abendessen. «Je nach Nachfrage des Influencers stellen wir ein Programm mit Aktivitäten in der Region zusammen.» In erster Linie sei es jedoch wichtig, dass der Influencer sich wie ein Gast fühle und nicht noch diverse Verpflichtungen und Termine wahrnehmen müsse: «So entstehen keine gestellten Bilder und es werden Emotionen geschaffen, die unabhängig von der Nationalität jeden erreichen.»
Diese Emotionen sind für Simona Lussi dann auch der Vorteil des Influencer-Marketings: «Damit können wir eine direkte Nähe zum Gast schaffen und eine persönliche Ebene aufbauen. Aktuelle Momente werden weltweit in Bildern geteilt, die Sprache spielt da keine Rolle.» Bei herkömmlicher Werbung könne lediglich ein Gebiet, eine Region oder ein Land angesprochen werden: «Und in der Regel werden dabei nur spezifische Interessen der Gäste geweckt.» Nachteile gibt es allerdings auch, räumt sie ein: «Im Gegensatz zum herkömmlichen Marketing kann beim Influencer-Marketing nicht genau herausgefiltert werden, wie viele Gäste aufgrund eines Influencers auf uns aufmerksam wurden oder einen Aufenthalt gebucht haben. Ein Monitoring wäre für uns zu aufwendig.»
Gerade im Destinations-Marketing spielen Influencer eine wichtige Rolle. Schweiz Tourismus setzt seit Jahren auf die Social-Media-Profis. «Sie bieten einen Blick auf die Schweiz, der in den herkömmlichen Marketing-Aktivitäten möglicherweise nicht vorhanden war», sagt Mediensprecher André Aschwanden. Zudem würden Personen erreicht, bei denen die Schweiz als Reiseland bisher kein grosses Thema war und die mit traditionellem Marketing unter Umständen gar nicht erreicht werden könnten. «Von Nutzern selbst generierte Inhalte werden zudem oft als vertrauenswürdiger angesehen als reine Marketing-Inhalte», so Aschwanden. Es handle sich dabei quasi um eine neue Form der Mundpropaganda.
Den Erfolg des Influencer-Marketings misst Schweiz Tourismus unter anderem anhand quantitativer Faktoren: Reichweite, Likes, Kommentare, Engagement etc. «So können wir jeweils ziemlich genau herunterbrechen, wie viele Likes wir beispielsweise pro Franken erhalten», so André Aschwanden. «Konkret sichtbar sind beispielsweise Hot Spots, die auf Social Media immer wieder auftauchen. Im Sommer etwa scheint das Augstmatthorn beim Brienzersee seit einiger Zeit sehr stark im Trend zu sein – die Anzahl Fotos auf Instagram unterstreichen dies.» Hier könne man zumindest vermuten, dass mehr Leute dort hingehen, weil ein Influencer den Stein ins Rollen gebracht hat.
Auch bei Luzern Tourismus hat das Influencer-Marketing einen fixen Platz – wenn auch noch einen eher kleinen. Rund zwei Prozent des gesamten Marketing-Budgets werden investiert. «Das Influencer-Marketing hilft uns, die Bekanntheit der Marke und die Reichweite zu erhöhen. Zudem lässt sich das Image der Destination beeinflussen», sagt Sibylle Gerardi, Leiterin Kommunikation. Mithilfe von Influencern könne zudem auch mal punktuell eine noch eher unbekannte Attraktion mit wenig Aufwand in den Mittelpunkt gestellt werden.» Doch Vorsicht: Die Aufmerksamkeit kann auch zu viel werden. So wurde etwa das Verzascatal nach einem Facebook-Video im Sommer 2017 regelrecht von Besuchern überrannt.
Vorsichtig müsse man zudem bei der Auswahl der Influencer sein: «Eine Einschätzung ist nicht immer einfach. Es gibt auch Influencer, die nicht professionell arbeiten, eingekaufte Follower haben oder sich nicht an Vereinbarungen halten. Um dies zu verhindern, sei es wichtig, vorgängig gut zu recherchieren. Plattformen wie «Likeometer» oder «Social Blade» helfen dabei, die Echtheit der Profile und der Performance zu prüfen.
Ansonsten achtet man bei Luzern Tourismus darauf, dass die Positionierung und Interessen des Influencers und seiner Kanäle zur Destination und den gegenwärtigen Geschichten und News in der Kommunikation passen. «Weiter müssen die Rahmenbedingungen wie Anzahl Posts, Nutzung von Hashtags etc. vertraglich festgehalten und deren Einhaltung überprüft werden», so Gerardi.
Eine Portion Vorsicht ist also angebracht in der Zusammenarbeit mit Influencern. Fakt ist aber: «Mit der richtigen Strategie und ein wenig Glück können Hotels und ganze Regionen zu Trendgebieten werden», ist Jeremy Kunz überzeugt. Er ist Marketing-Verantwortlicher Seiler Hotels AG Zermatt und Referent des Ritzy-Seminars «Influencer-Marketing und Social Media Präsenz». Über 93 Prozent aller Reisenden nutzen Online-Portale, um sich über geplante Trips zu informieren: «Die Gäste hören darauf, was andere Gäste auf den Social-Media-Kanälen sagen und wie sie die Angebote bewerten.» Die Werbung wird übersprungen, das Video oder Bild, das in Kooperation mit einem Betrieb entstand, hingegen ernst genommen.
Für virale Videos wie dasjenige aus dem Infinity Edge Pool der Villa Honegg braucht es sicherlich eine ordentliche Portion Glück – eine gute Influencer-Marketing-Strategie ist aber zumindest ein erster Schritt zur Berühmtheit im Netz.
(Angela Hüppi)
Der zweite «Switzerland Tourism Influencer Summit» von Schweiz Tourismus findet im Juni in Davos Klosters statt. Im Rahmen der zweitägigen Konferenz empfängt die Destination rund 30 Social-Media-Profis aus dem In- und Ausland.
www.stnet.ch
Auch der Gastro Trend Day widmet sich dem Thema Social Media. Sind Rezensionen auf Social Media wichtiger als klassische Bewertungen? Können falsche Inszenierungen den Ruin bedeuten? Moderator Nik Hartmann geht dieser Thematik mit Experten auf den Grund. Der Gastro Trend Day der Hotel und Gastro Union findet 3. Juli im Hotel Schweizerhof Luzern statt.
Weitere Informationen und Anmeldung unter www.gastrotrendday.ch.