In den 1950er- und 1960er-Jahren gehörte eine Flasche Wermut in jeden Schweizer Haushalt. Und zwar nicht irgendeiner, sondern derjenige von Lateltin: Jsotta.
Seit 2016 gibt es ihn wieder, den Jsotta. Mit J vor einem Konsonanten geschrieben, was die heutige deutsche Rechtschreibung eigentlich nicht zulässt. «Die Schreibweise mit J findet sich auch auf alten Plakaten», sagt Avi Pluznik, Brand Manager bei Lateltin und Enkel des langjährigen Geschäftsführers Abraham Pluznik. Dieser hatte den Jsotta gross gemacht. Mitte des 20. Jahrhunderts verkaufte Lateltin, die heute den Sitz in Winterthur/ZH hat, bis zu 480 000 Flaschen pro Jahr und war somit die Nummer eins in der Deutschschweiz. Nicht nur fast in jedem Haushalt war eine Jsotta-Flasche zu finden, kultige Werbungen zierten im ganzen Land Plakatwände und Hausfassaden. «Jsotta war so berühmt wie Ovomaltine», sagt Avi Pluznik.
Auf den Höhenflug folgten schwere Zeiten. Internationale Marken waren gefragter und Jsotta hatte zunehmend Mühe, sich gegen diese grossen Marken durchzusetzen. Als zusätzlich 1999 mit dem neuen Alkoholgesetz die Steuervorteile für Schweizer Produkte entfielen, sah man sich gezwungen, die Produktion komplett einzustellen. «Aber wir wollten die einst so bekannte Marke nicht aufgeben», so Pluznik. Ende 2016 wagte Lateltin einen Neustart. «Uns war von Beginn weg klar, dass wir nur mit einem hochwertigen Produkt aus Schweizer Zutaten Erfolg haben werden», so Pluznik. Das Resultat: der erste Wermut, komplett hergestellt aus Schweizer Weinen und einheimischen Kräutern.
Als Basis diente die alte Rezeptur, aber der Geschmack wurde dem heutigen Zeitgeist angepasst: Der Wermut ist lieblicher, weniger herb, nicht mehr so bitter. Das ehemalige Produkt des 20. Jahrhunderts erhielt damit eine grosse Aufwertung. «Für die Jsotta-Herstellung verwendete man früher günstigere italienische Landweine», führt Avi Pluznik aus.
Das ist der Gründungsgeschichte geschuldet. 1899 gründete Federico Lateltin in Zürich die nach im benannte Firma. Geschäftsgrund war der Import und Verkauf von vorwiegend italienischen Weinen. Dieses Wissen der Weinherstellung ermöglichte es Lateltin später, unter dem damaligen Geschäftsführer Jakob Lichtenberger den ersten Schweizer Wermut zu produzieren. Lichtenberger war von 1918 bis 1938 im Amt, doch: «Wir wissen nicht, wann genau Jsotta erstmals auf den Markt kam», sagt Avi Pluznik.
Heute gibt es Jsotta in den Versionen Bianco, Rosso, Rosé und neu auch alkoholfrei als Senza. «Einer der angesagtesten Drinks in den Bars ist der Negroni», verrät Pluznik. Dieser wird zu je einem Drittel Wermut, Gin und Bitter hergestellt. «Für diesen Drink haben wir speziell einen Bitter und einen Gin entwickelt, den es ebenfalls in einer alkoholfreien Version gibt», so Avi Pluznik.
(Ruth Marending)