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Es geht um mehr als den Lohn

Die positive Entwicklung der Pandemiesituation in der Schweiz hat einen deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung ausgelöst. Die Mitarbeitenden sollen am Aufschwung beteiligt werden, fordert Travail Suisse.

Die Zukunft des Gastgewerbes liegt in der Attraktivität der Löhne, Arbeitszeiten und Weiterbildung. Wie diese geregelt werden, liegt in den Händen der Sozialpartner. (Adobe Stock)

Die Pandemiesituation in der Schweiz entwickelt sich positiv. Das hat einen wirtschaftlichen Aufschwung ausgelöst. Nach einem Einbruch von 2,7 Prozent im 2020 rechnet das Staatssekretariat für Wirtschaft für das laufende Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 3,6 Prozent. «Die Arbeitnehmenden haben mit grossem Einsatz, viel Flexibilität und Einkommenseinbussen dazu beigetragen, die Corona-Krise zu meistern. Jetzt müssen sie mit Lohnerhöhungen auch am Aufschwung beteiligt werden», fordert Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail Suisse. Vergangenen Donnerstag stellte er zusammen mit Vertretern der angeschlossenen Verbände Syna, Transfair sowie Hotel & Gastro Union (HGU) die Lohnforderungen für 2022. «Ein genereller Teuerungsausgleich – Prognosen rechnen mit 0,4 Prozent für dieses Jahr – für alle Arbeitnehmenden ist nötig, um die Kaufkraft zu erhalten und den privaten Konsum zu stützen», sagte Gabriel Fischer. «In vielen Branchen liegen gar deutliche Lohnerhöhungen drin.» «Im Gesundheitswesen ist der Fachkräftemangel akut und die Löhne haben in den vergangenen Jahren zu stark stagniert, auch im Detailhandel sind die Löhne seit Jahren chronisch zu tief», stellt Mathias Regotz, Leiter Interessens- und Vertragspolitik bei der Gewerkschaft Syna fest. «In diesen Branchen sind Lohnerhöhungen von drei bis vier Prozent zwingend», fordert Regotz weiter.

Nach zwei Jahren ohne Lohnerhöhungen ist die Situation im Gastgewerbe angespannt. Um den L-GAV zu retten, hatten sich die Sozialpartner bereits im Juni 2020 auf eine Anhebung der Mindestlöhne um 0,2 Prozent für 2022 geeinigt. «Alle Sozialpartner müssen jetzt gemeinsam daran arbeiten, den L-GAV zu stabilisieren. Dieser bildet eine wesentliche Voraussetzung, um dringend benötigte Fachleute in der Branche zu halten», sagte Urs Masshardt, Geschäftsleiter der HGU. «Die Drohung den L-GAV zu künden, hilft nicht, die aktuelle Krisensituation zu überwinden. Wir müssen Branchenpolitik betreiben und uns nicht auf Parteipolitik einlassen. Die Gewerkschaften müssen die Mindestlöhne nicht auf Umwegen über die Politik erkämpfen. Wir sind Sozialpartner und nicht Gegner. Wir müssen miteinander reden und das bewährte Werk L-GAV weiterverhandeln.» Die Lohnpolitik ist dabei genauso ein Teil des Räderwerks L-GAV wie die Weiterbildung. Denn diese wird mit dem Geld des Vollzugskostenbeitrags finanziert. «Ohne L-GAV gäbe es keine bezahlte Weiterbildung. Damit würden die Perspektiven für Berufseinsteiger schwinden. Ohne Fachleute und vor allem ohne Nachwuchs steht die Zukunft der Branche auf dem Spiel.»

Vertrauen in die Branche fördern

«Arbeitgeber und Mitarbeiter der Gastronomie müssen den Glauben an ihre Branche verstärken. Zusammen müssen sie das Vertrauen der Gesellschaft in die Gastronomie fördern. Wenn Eltern ihren Kindern von einer Lehre in der Gastronomie abraten, haben alle, die die Branche vertreten, einen grossen Fehler gemacht», sagt Urs Masshardt. «Vertrauen in die Gastronomie holen wir nicht mit plakativen Phrasen, sondern mit Taten.»

Wer von der Branche spreche, müsse differenzieren. Es gebe in jeder Region und jeder Betriebskategorie beste Beispiele sowie marode Unternehmen, die keine Existenzberechtigung hätten. «Das Art Deco Hotel Montana in Luzern hatte während den Lockdowns niemanden pandemiebedingt entlassen. Dank Kurzarbeit konnte zudem die Fortzahlung der Löhne sichergestellt werden», so Urs Masshardt, der im Verwaltungsrat  des «Montana» sitzt. «Jetzt wo der Betrieb wieder läuft, hat das Hotel kein Problem mit Fachkräften.»

Der Rechtsdienst der Hotel & Gastro Union erhielt während den Lockdowns zahlreiche Anrufe von verzweifelten Mitarbeitenden, denen gekündigt wurde. Die Auswertung hat ergeben, dass die Hälfte der Arbeitgebenden nicht wusste, dass sie Kurzarbeit hätten beantragen können. Aktuell spricht die Situation für die Arbeitnehmenden. «Es ist sehr wohl möglich, dass Löhne über dem L-GAV-Mindestlohn gefordert werden können», so Urs Masshardt.

Auch müsse der seit langer Zeit diskutierte Strukturwandel endlich stattfinden. «Betriebe, die vor der Pandemie finanziell nicht nachhaltig gearbeitet haben, sollten für immer schliessen. Externe Experten sprechen von 2'000 bis 3'000 nicht überlebensfähigen Betrieben», führt Urs Masshardt aus. «Es kann nicht sein, dass sich die schwächsten Betriebe auf Kosten der Mitarbeitenden durchwursteln und den rentablen Betrieben Fachkräfte entziehen. Eine Stärkung der Kontrollstelle des L-GAV ist zwingend notwendig. Ein gutes Dutzend Inspektoren für über 30'000 Betriebe reichen bei weitem nicht aus. Bei einer grossen Zahl der Kontrollen müssen leider nach wie vor Verfehlungen bei den Arbeitszeit- und Lohnabrechnungen bemängelt werden.»

(Gabriel Tinguely)