Wer heutzutage qualifizierte Mitarbeitende finden will, muss sich etwas einfallen lassen. Zum Beispiel transparente Löhne.

Die Lohntransparenz schafft klare Verhältnisse im Unternehmen. (Keystone-SDA)
Was früher noch ein absolutes Tabuthema war, über das wird heute viel offener gesprochen: der Lohn. Manche Unternehmen machen ihre Lohnbänder daher transparent – das soll das Vertrauen fördern, Spekulationen vorbeugen und die Mitarbeiterzufriedenheit steigern. Auch in der Hotellerie und Gastronomie ist die Praxis angekommen. So schreibt zum Beispiel das Hotel Continental Park in Luzern den Lohn bereits ins Stelleninserat – für einen Frühstückskoch beispielsweise 53 300 bis 62 400 Franken Jahreslohn, je nach Ausbildungsgrad. «Das spart Zeit im Bewerbungsprozess und hilft, die passenden Bewerber anzusprechen», sagt Hotelier Alessandro Pedrazzetti. Transparente Lohnbänder würden von Anfang an klarstellen, wie viel Lohn in welchen Positionen erreichbar ist. «Wir haben einen fairen Grundlohn, der höher ist als der L-GAV-Mindestlohn. Darüber hinaus sind individuelle Boni möglich, um die Motivation zu steigern. Diese sollen aber nicht existenzsichernd, sondern ein Zückerchen sein.» Die Boni können sich im «Continental Park» in der Höhe von einem bis zwei Monatslöhnen bewegen.
Doch führt die Transparenz nicht auch zu Unverständnis über Lohnunterschiede im Team? «Das lässt sich leider kaum verhindern», räumt Pedrazzetti ein. «Wenn die Löhne fair sind, Unterschiede klar begründet werden und man den Mitarbeitenden Perspektiven gibt, wie sie ihre Löhne steigern können, sind solche Unstimmigkeiten aber meist schnell eingedämmt.»
MANUEL WIESNER, FAMILIE WIESNER GASTRONOMIE
Bei aller Transparenz mahnt Alessandro Pedrazzetti aber auch davor, nicht nur den Lohn in den Vordergrund zu stellen. «Der Spass an der Arbeit ist das Wichtigste. Ich habe schon mehrmals erlebt, dass gerade Junge Extraschichten einlegen oder so schnell wie möglich aufsteigen wollen, nur um mehr Geld zu verdienen.» Das sei kontraproduktiv – die Mitarbeitenden werden verheizt und verlieren das Wichtigste aus den Augen: die Freude an der Gastfreundschaft.
Seit 2021 herrscht auch in der Familie Wiesner Gastronomie FWG Lohntransparenz. Die Mitarbeitenden wissen: Ihre Chefs Manuel und Daniel Wiesner verdienen je rund 242 000 Franken im Jahr. Gemäss Co-Geschäftsführer Manuel Wiesner überwiegen die Vorteile der Transparenz klar: «Sie schafft Vertrauen, reduziert Gerüchte und stärkt die Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden.» Jeder im Betrieb wisse, wie sich sein Lohn zusammensetzt und was Entwicklungsschritte bewirken: «Für uns als Arbeitgeber heisst das eine höhere Bindung und weniger Fluktuation.» Viele neue Mitarbeitende würden die Transparenz als Grund nennen, sich für das Unternehmen zu entscheiden.
Auch bei der FWG arbeitet man mit Lohnbändern: Rund ein Dutzend sind es insgesamt. Viel Spielraum für individuelle Anpassungen gibt es dabei nicht. «Bei uns gilt das Credo: Lohnbänder sind dazu da, um eingehalten zu werden», sagt Wiesner – das habe mit Fairness und Lohngleichheit zu tun.
Sowohl bei der Familie Wiesner Gastronomie als auch im Hotel Continental Park ist man sich einig: Lohntransparenz ist nur eine Massnahme, um faire und attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Bei der FWG wird daher stark in die Weiterbildung investiert, zudem gibt es eine optionale Vier-Tage-Woche und ein offenes Feedbacksystem. Das Trinkgeld wird über den Lohn mit AHV abgerechnet, es gibt zahlreiche Events für die Mitarbeitenden sowie die Möglichkeit, zwei Wochen zusätzliche unbezahlte Ferien zu beziehen. «Eine gute Führungskultur ist enorm wichtig», ist zudem Alessandro Pedrazzetti überzeugt. «Man muss das Vertrauen der Mitarbeitenden haben – bei uns wissen alle, dass sie jederzeit mit ihren Anliegen zu uns kommen können.» Im «Continental Park» gibt es auch viele langjährige Mitarbeitende – manche sind seit über 40 Jahren im Betrieb und kannten Pedrazzetti schon als Kind.
(Angela Hüppi)