Die Gastronomie des spanischen Baskenlands ist weltbekannt. Die Gegend gilt als Mekka der Sternegastronomie und beherbergt das berühmte Basque Culinary Center. Ein kulinarischer Streifzug durch eine Region, die puristische Küche mit Fokus auf das Produkt zelebriert.
Wer sich kulinarisch inspirieren lassen will, kommt am spanischen Baskenland nicht vorbei. Die Dichte der Michelin-Sterne ist riesig: Unter anderem sind hier die Drei-Sterne-Restaurants Arzak, Martín Berasategui, Akelarre und Azurmendi ansässig. Zudem ist das «Basque Culinary Center» in Donostia-San Sebastián ein weltweit einzigartiges Forschungszentrum im Bereich Gastronomie, welches Kochkunst mit Management, Wissenschaft und anderen Fachrichtungen vereint. An der Ausrichtung der Schule sind unter anderem die Spitzenköche Ferran Adrià, René Redzepi und Dominique Crenn beteiligt.
Woher kommt diese Konzentration exzellenter Kulinarik? Eine Spurensuche in der Region, abseits der weltbekannten Spitzengastronomie, zeigt: Essen und Trinken spielen im Baskenland eine der Hauptrollen. Dabei liegt der Fokus auf qualitativ hochstehenden Produkten, meist aus der Region, die möglichst unverfälscht und pur zubereitet werden.
Auswärts essen? Das machen die Basken selten und nur zu besonderen Anlässen. «Wir kochen selbst einfach zu gut», sagt Noemí Lekube, Reiseleiterin und Spezialistin für gastronomische Touren. Wenn auswärts, dann aber richtig: Das Menü besteht normalerweise aus drei Vorspeisen, zwei bis drei Hauptspeisen und einem Dessert. Auf Beilagen wird verzichtet, Fleisch und Fisch spielen die Hauptrolle. So auch bei Iñigo Urkiola. Der junge Koch hat jüngst das Restaurant seines Vaters in Beasain übernommen. Dort serviert er unter anderem die baskische Spezialität «Kokotxas de merluza» – saftige Kiemenbacken vom Seehecht, die nicht zerkaut, sondern nur mit der Zunge am Gaumen zerdrückt werden sollten.
Die baskische Küche beschreibt Iñigo Urkiola wie folgt: «Wir arbeiten mit lokalen Produkten der höchsten Qualität, möglichst frisch und saisonal. Der Einkauf der Lebensmittel ist genauso wichtig wie die Zubereitung, denn das Produkt steht bei uns immer im Zentrum.»
Mikel Peña, Koch und Kochkursleiter
So wird dann auch der Steinbutt von Urkiola nicht in Sauce ertränkt, sondern lediglich mit ein wenig Olivenöl, Butter und Knoblauch mariniert und danach mit etwas Weisswein und Essig im Ofen oder auf dem Grill gegart – die natürliche Gelatine des Fisches bindet die Sauce von selbst.
Diese puristische Philosophie verfolgt auch Mikel Peña. Er ist Absolvent des «Basque Culinary Center» und gibt baskische Kochkurse in Vitoria-Gasteiz. «Das Produkt ist in der baskischen Küche alles», sagt er. «Es repräsentiert unsere Identität, unsere Umwelt, die Landschaft, die Produzenten. Wenn man hier etwas isst, ist man verbunden mit unserer gesamten Kultur. Der Respekt für das Produkt ist deshalb das Wichtigste.» Als sich der heute 25-Jährige für eine Ausbildung entscheiden musste, schwankte er zwischen Geschichte, Philosophie und Landwirtschaft. «Am Ende wurde ich Koch, weil dieser vielfältige Beruf all jene Fachrichtungen vereint.»
In Mikel Peñas Kochkursen werden unter anderem so genannte Pintxos (zu Deutsch: Spiesse) zubereitet. Dabei handelt es sich um kleine Mahlzeiten, oft mit einem Holzspiess auf Brot serviert, die normalerweise am Nachmittag in Bars zu einem Getränk verzehrt werden. Achtung: Das Wort «Tapas» sollte man im Baskenland besser nicht in den Mund nehmen. Pintxos werden nicht geteilt, sondern jeder bestellt für sich selbst. Besonders beliebt sind so genannte Pintxos-Touren, bei denen man von Bar zu Bar geht und je ein Getränk und ein Pintxo bestellt.
Eneko Goiburu, Käseproduzent
Städte wie San Sebastián und die baskische Hauptstadt Vitoria-Gasteiz sind voll von Pintxo-Bars. Als Ur-Pintxo gilt die «Gilda». Die Rezeptur ist so einfach wie geschmacklich überzeugend: zwei in Weinessig eingelegte Guindilla-Pfefferschoten auf einem Spiess, umrahmt von einer Sardelle und zwei grünen Oliven. Oft sind Pintxos allerdings etwas aufwendiger, es werden beispielsweise auch Kalbsbäckchen an Rotweinsauce oder Bacalao Vizcaína, also Stockfisch an einer Tomaten-Paprikaschoten-Sauce, serviert.
Zu den beliebten Pintxos wird Bier, Txakoli oder der naturbelassene baskische Apfelwein Sagardoa getrunken. Der Txakoli ist ein leicht moussierender, meist weisser Wein mit hohem Säuregehalt. In Tourismusdestinationen wird er gerne mit Showeffekt in hohem Bogen ausgeschenkt – die Meinungen, ob dies dem Wein guttut, gehen auseinander.
Für Weinliebhaber hält das Baskenland eine riesige Auswahl bereit. Die Region Rioja Alavesa ist gespickt mit kleinen Weinkellereien im Familienbetrieb sowie einigen beeindruckenden avantgardistischen Bauten, die alle in erster Linie mit den Traubensorten Tempranillo, Garnacha und Graciano arbeiten. Zu den spannenden Weingütern gehört die von Iñaki Aspiazu entworfene Bodegas Baigorri. Die gesamte Weinproduktion läuft hier vertikal statt horizontal ab, damit die Trauben möglichst bis zur Fermentation intakt bleiben. «Jede Bewegung der Trauben geschieht mittels Schwerkraft, ganz ohne Pumpen, welche die Trauben beschädigen könnten», erklärt Marta Martínez beim Rundgang durch die Produktion. Auf sieben unterirdischen Stockwerken läuft der Prozess von oben nach unten ab, um den Geschmack der Trauben zu konservieren. Resultat ist ein fruchtiger, frischer und strukturreicher Wein.
Eine weitere Spezialität aus dem spanischen Baskenland ist der DOP-geschützte Idiazábal-Käse. Gemäss der baskischen Tourismusorganisation wird der Hartkäse aus Schafsmilch bereits seit Tausenden von Jahren in der Region hergestellt. Zu den heutigen Produzenten gehört Eneko Goiburu. Sein preisgekrönter Käse wird aus der unpasteurisierten Milch von 130 Latxa-Schafen und tierischem gepresstem Labferment hergestellt.
Die Latxa-Rasse ist besonders robust und kann auch im rauen baskischen Klima das ganze Jahr über draussen frisches Gras fressen. Dafür geben Goiburus Schafe lediglich einen Liter Milch pro Tag. «Andere Rassen geben fünf bis sechs Liter, müssen allerdings meistens drinnen sein», so Goiburu. 4,5 Liter Milch braucht es für ein Kilogramm Käse, und nur etwa zehn Laibe pro Tag stellt Goiburus Käserei Ondarre her. Entsprechend schwierig ist es, seinen Käse zu erhalten – meist wird er schon bald nach der Herstellung direkt auf dem Hof verkauft.
Viel Geld verdient Eneko Goiburu mit der Käseproduktion nicht. Im Sommer nutzt er das Bauernhaus seiner Eltern als Bed & Breakfast, um über die Runden zu kommen. Trotzdem entschied sich der gelernte Arbeitstherapeut, den Betrieb der Eltern zu übernehmen. Wie für viele Produzenten und Köche im Baskenland geht es für ihn um mehr als nur das Endprodukt: «Früher gab es hier 80 Bauernhöfe mit Käseproduktion, heute sind fast alle verschwunden. Dabei sind solche Traditionen Teil unserer Identität. Diese sollten wir uns bewahren.»
(Angela Hüppi)
Akelarre (3 Michelin-Sterne)
1970 wurde das Restaurant Akelarre in San Sebastián eröffnet. Nach 25 Jahren mit zwei Michelin-Sternen erhielt es 2007 erstmals drei Sterne. Heute stehen zwei Degustations- menüs für je 270 Euro zur Auswahl. Küchenchef Pedro Subijanas Philosophie: traditionelle Rezepte authentisch zubereiten und ihnen gleichzeitig eine eigene Note verleihen.
akelarre.net
Arzak (3 Michelin-Sterne)
1966 übernahm Chef Juan Mari Arzak das Restaurant seiner Eltern und machte es zu einem der wichtigsten Restaurants des Baskenlands. Arzak stellt Kreativität über alles. Sein Motto: «Jeden Tag etwas Neues, was noch niemand zuvor gemacht hat.» Im Labor werden täglich Geschmäcke und Texturen getestet. Heute leitet er die Küche gemeinsam mit seiner Tochter Elena, die ihre Ausbildung in der Schweiz absolvierte. arzak.es
Azurmendi (3 Michelin-Sterne)
Auch Chef Eneko Atxa lässt sich von der traditionellen baskischen Küche inspirieren. Sein Restaurant beherbergt einen 2500 Quadratmeter grossen Weinkeller, in dem hoch- wertiger Txakoli hergestellt und gelagert wird. Alle Kräuter, Spros- sen und Blumen sowie einige der Gemüsesorten werden vom Team selbst angebaut oder frisch gepflückt. Das Menü kostet 260 Euro, dazu werden verschiedene traditionell baskische Brotsorten gereicht.
azurmendi.restaurant
Martín Berasategui (3 Michelin-Sterne)
Das Restaurant befindet sich in einem modernen Bauernhof und präsentiert eine avantgardistische Küche voller Überraschungen. Zum Haus gehört ein Gemüsegarten mit Obstbäumen, dessen Produkte frisch auf den Teller kommen. Nur sechs Monate nach der Eröffnung des Restaurants 1993 erhielt Berasategui den ersten Michelin-Stern, seit 2002 sind es drei Sterne. Das Degustationsmenü kostet 325 Euro und beinhaltet derzeit unter anderem Berasateguis ganz eigene Version des Ur-Pintxos Gilda, zubereitet mit Kapern und Thunfisch-Tatar.
martinberasategui.com