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«Der Gastronom wird zum Co-Produzenten»

Im Interview sagt Raphael Pfarrer, Präsident Slow Food Bern, welche positiven Veränderungen er in der Schweizer Gastronomie festgestellt hat.

Raphael Pfarrer kennt die Berner Gastroszene gut. (ZVG)

Raphael Pfarrer, wie nachhaltig ist die Schweizer Gastronomie heutzutage?
Raphael Pfarrer
: Sie hat in den letzten Jahren eine grosse Entwicklung zu mehr Regionalität sowie Saisonalität und damit auch zu Nachhaltigkeit gemacht. Als wir von Slow Food die Weiterentwicklung von der önogastronomischen zur ökogastronomischen Bewegung vorangetrieben und gefordert hatten, dass ein Produkt gut, sauber und fair sein muss, um in einem ganzheitlichen Sinne gut zu sein, stiessen wir bei einem Grossteil der Gastronomen auf komplettes Unverständnis. In der Zwischenzeit ist es für viele Gastronomen selbstverständlich, dass ein Produkt mehr sein muss als nur die Summe der Geschmacksempfindungen.

Was glauben Sie, wo hat die Schweizer Gastronomie in den vergangenen Jahren in Sachen Lebensmittelbeschaffung die meisten Fortschritte gemacht?
Wie bereits gesagt: Es gibt eine grosse Anzahl engagierter Gastronomen, welche die Suche nach guten Produkten zu ihrer Passion gemacht und so ihrem Beruf eine grössere Tiefe verliehen hat. Andererseits gibt es selbstverständlich auch viele Mitläufer, für die Begriffe wie Saisonalität oder Regionalität mehr Selbstzweck denn Passion sind. Letztendlich wäre es schön, wenn noch viel mehr Gastronomen den direkten Kontakt zu ihren Produzenten suchen und sich durch die Zusammenarbeit inspirieren lassen würden.

Seit Jahren engagieren Sie sich für das Thema Slow Food. Weshalb?
Es ist die Leidenschaft für hervorragende Produkte im Sinne von gut – sauber – fair, die mich antreibt. Im Weiteren bin ich ein grosser Verfechter unseres kulinarischen Erbes, das ich für eine genauso grossartige kulturelle Leistung unserer Vorfahren halte wie beispielsweise historische Gebäude oder traditionelle Musik. Gerade das kulinarische Erbe steht sinnbildlich für unsere Wurzeln und verknüpft kulturelle Erfahrungen im Alltag oder an Festen mit den regionalen, saisonalen Produkten.

Wie steht es denn im Kanton Bern um die Gastronomie und ihre Nachhaltigkeit?
Der Kanton Bern und insbesondere die Stadt Bern entwickeln sich nicht immer so dynamisch wie vielleicht Zürich, aber insbesondere viele junge Gastronomen überzeugen mit klaren Konzepten und innovativen Ideen. Ich bin sicher, dass die Zahl der Betriebe, die eine strenge regionale und saisonale Küche pflegen, noch weiter zunehmen wird.

Welchen Ratschlag geben Sie den Gastronomen aus Slow-Food-Sicht?
Wenn es einen Ratschlag braucht, dann diesen: Geht raus aus den Küchen auf die Produzenten zu und inspiriert euch gegenseitig zu neuen Ideen. Der Gastronom wird so zum Co-Produzenten – und die Küche bekommt ein grosses Mass an Authentizität.

«Unser Mercato Slow Food ist eine Verkupplungsplattform für beste Produzenten.»
 

Was darf man von Slow Food Bern an der Food Expo erwarten? 
Unser Engagement zielt darauf ab, lokale Produzenten sowie Produzenten aus Slow-Food-Projekten einem grösseren Publikum vorzustellen. Ich möchte deshalb insbesondere auch alle Gastronomen einladen, die Gelegenheit wahrzunehmen, neue Produzenten hervorragender Lebensmittel kennen und schätzen zu lernen. Unser Mercato Slow Food ist quasi eine Verkupplungsplattform für hervorragende Produzenten, sie muss nur genutzt werden.

Welche Hoffnungen haben Sie bezüglich der Zukunft in der Gastronomie?
Letztendlich ist der richtige Weg eingeschlagen. Nun braucht es Geduld und Beharrlichkeit, um den Weg der Nachhaltigkeit konsequent weiterzugehen.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Gibt es Berner Beizen, die Ihnen besonders Freude bereiten?
Selbstverständlich. Aber es wäre definitiv unfair, ein oder zwei Betriebe rauszupicken. Die Berner Gastroszene wartet mit Vielfalt auf; und es ist schön, je nach Lust und Laune aus dieser Vielfalt zu geniessen.

(Sarah Sidler)


Zur Person

Raphael Pfarrer vertritt an der Food Expo Ende November die Anliegen von Slow Food. Als Präsident des Conviviums Bern setzt sich der 50-jährige Biologe seit drei Dekaden aktiv für die Anliegen des Vereins Slow Food ein.

Die Schweizer Genusstage
Ort: Bernexpo, 
Mingerstrasse 6, 3014 Bern
Öffnungszeiten: Freitag, 29. November, 12 bis 21 Uhr, Samstag, 30. November, 12 bis 21 Uhr, Sonntag, 1. Dezember, 10 bis 19 Uhr

Mehr Informationen unter:
www.foodexpo.ch