Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

Eröffnung ohne Probelauf

Einige junge Berufsleute lassen sich vom Coronavirus nicht ausbremsen. Sie arbeiten trotz Verzögerung weiter daran, schon bald im eigenen Betrieb Gäste zu empfangen.

  • Die Casa Fausta Capaul ist das älteste Gasthaus im Dorf. Die Eröffnung soll am 30. Mai erfolgen. (Bilder ZVG)
  • Gastronomen und Bauleute in eigener Sache: Fabienne Lüdi, Rafael Hänni und Michael Früh.

Fabienne Lüdi, Rafael Hänni und Michael Früh unterscheiden sich optisch nicht von Handwerkern. In staubigen Klamotten bauen die drei Gastroprofis an ihrem Traum, dem Restaurant Werkhof in Liebefeld/BE. Zur gleichen Zeit achten Tobias und Selina Lechmann-Albrecht in Breil/Brigels in Graubünden darauf, dass die Handwerker in ihrem Hotel genug Abstand zueinander halten und zeitversetzt arbeiten können. Sowohl in der Stadt wie im Bergdorf wollen die jungen Gastgeber mit ihren Betriebe einsatzbereit sein, sobald der Bundesrat den Lockdown beendet.

Soft Opening ist keine Option

Tobias Lechmann und seine Frau haben die Casa Fausta Capaul in der Bündner Surselva übernommen. «Wir wollen das Haus am 30. Mai mit einem Tag der offenen Tür einweihen und so das Pfingstgeschäft nutzen», sagt Tobias Lechmann. Dieses Vorhaben wird er wie geplant umsetzen können. «Vor dem Bundesratsentscheid vom 29. April gingen wir davon aus, erst im Juni den Betrieb aufnehmen zu können», sagt der Chefkoch FA. Ein so spätes Opening wäre zwar schade, aber problemlos verkraftbar gewesen.

Zwar dürfte der Hotelteil der Casa Fausta Capaul schon jetzt offen sein, doch das kommt für das Gastgeberpaar nicht in Frage. Tobias Lechmann begründet diesen Entscheid mit der Vorgeschichte des Hauses und seiner künftigen Ausrichtung. Die Casa Fausta Capaul stand über zwei Jahre leer. Nun soll das Restaurant wieder zum Treffpunkt der lokalen Bevölkerung, Ferienwohnungsbesitzer und Touristen  werden. «Es ist uns deshalb wichtig, dass Ein-
heimische und Auswärtige gleichzeitig die Gelegenheit haben, die neue Casa Fausta Capaul kennenzulernen.»

Team ist am Start, aber nicht auf der Lohnliste

Noch hat Tobias Lechmann alle Hände voll zu tun mit den üblichen Aufgaben, die vor einer Hoteleröffnung anstehen. «Das Coronavirus hat uns diesbezüglich zum Glück bisher kaum eingeschränkt. Aber es hat die Planung etwas umständlicher gemacht. Da wir in der Casa Fausta Capaul wohnen, können wir zum Glück vieles von zu Hause, also quasi vom Homeoffice aus erledigen»,  erklärt Tobias Lechmann. 

Auch die Suche nach zukünftigen Mitarbeitenden lief trotz Corona-Krise reibungslos ab. «Unsere Mitarbeitenden sind auf Stand-by und können sofort anfangen, wenn wir sie rufen», freut sich Tobias Lechmann. Da seine Angestellten aus der Saisonhotellerie kommen, sind sie es gewohnt, sich in der Zwischensaison beim RAV anzumelden. Dieses Jahr dauert die Zwischensaison für sie einfach etwas länger. Dafür dürfen sie sich neu auf eine Ganzjahresstelle freuen. Die Arbeitsverträge dafür sind unterzeichnet, nur das Datum für den Arbeitsbeginn war bis jetzt noch offen.

Im Restaurant Werkhof am Stadtrand von Bern ist bei Redaktionsschluss noch ungewiss, wann die Eröffnung stattfindet. «Im Moment arbeiten wir auf der Baustelle», sagt Fabienne Lüdi, Mitinhaberin des «Werkhofs». «Wegen des Virus lief der Baubetrieb reduziert, es kam zu Verzögerungen.»

Gästen absagen, tut weh

Dass der Bau des Restaurants länger dauert als geplant, spielte wegen des Lockdowns keine grosse Rolle. «Schade ist, dass wir eine erste Tavolata mit Rebecca Clopath absagen mussten», sagt Michael Früh. Der zweite Mitinhaber kann es kaum erwarten, endlich den Herd anzustellen, Pfannen aufzusetzen und aus der offenen Küche Gäste zu begrüssen. 

Die sozialen Kontakte fehlen auch Fabienne Lüdi. Die Gastgeberin und Finanzchefin des Unternehmens hat grossen Respekt vor der aktuellen Situation. Denn die Miete und die Fixkosten laufen. «Wir haben uns ein Zeitlimit gesetzt, bis wann wir einen kühlen Kopf behalten und ab wann die Notbremse gezogen werden muss. Ein tägliches Controlling ist uns dabei wichtig. Vor allem in der Anfangsphase. Wir sind auf jeden Fall positiv eingestellt, voller Tatendrang und lassen uns diesen nicht so schnell absprechen», gibt sie sich kämpferisch. «Vorsichtshalber haben wir Kurzarbeit beantragt», ergänzt Rafael Hänni, der Dritte im Bund. «Auf Bank- oder sonstige Kredite verzichten wir. Von einer frühzeitigen Verschuldung wollen wir absehen. Unser Ziel ist, dass sich der Betrieb selber trägt.» 

Der «Werkhof» diente Rafael Hännis Urgrossvater als Depot für dessen Baugeschäft. Bis vor Kurzem waren in den vier Räumen mit Flügeltoren Handwerker eingemietet. Nun wurden die vier Abteile zusammengelegt. Hinter den Flügeltoren gibt es grossflächige Schiebetüren aus Glas. Bestehendes Altholz wurde aufgefrischt und als Buffetverkleidung und für Tischplatten wiederverwendet. Die Gäste können dereinst Rafael Hänni und Michael Früh bei der Arbeit in der Küche zusehen. Und die beiden Köche werden Fabienne Lüdi beim Servieren der Gerichte unterstützen.

Die Schweiz auf dem Teller und im Glas

Serviert werden im «Werkhof» ausschliesslich Schweizer Produkte. «Wenn immer möglich arbeiten wir mit kleinen Produzenten zusammen, die ihre Produkte in Nischenmärkten anbieten», erklärt Rafael Hänni die Philosophie. «Das geht so weit, dass wir auf Zitronen, normale Süssgetränke und Kaffee verzichten. Sogar beim Fleisch achten wir darauf, dass das Futter für die Tiere in der Schweiz wächst.»

Die drei Gastrounternehmer sind überzeugt, dass sie mit ihrem Konzept den Nagel auf den Kopf treffen. Auf sozialen Medien halten sie dieses deshalb am Köcheln. «Die Werbetrommel rühren wollen wir erst, wenn die eine Behörde den Bau abgenommen hat und die andere den Menschen wieder freie Bewegung erlaubt», sagt Michael Früh. «Der Hashtag supportyourlocals ist in aller Munde. Wir erwarten, dass die Bevölkerung sich in Zukunft mehr Gedanken macht beim Aussuchen eines Restaurants», so Rafael Hänni. Fabienne Lüdi ergänzt: «Wer unsere Gastronomie unterstützt, bringt auch das lokale Gewerbe wieder zum florieren.»

(Riccarda Frei und Gabriel Tinguely)


Casa Fausta Capaul in Breil/Brigels GR

Sitzplätze im Restaurant
35–40 

Hotelzimmer 
Drei Übernachtungseinheiten mit je zwei Zweibettzimmern

Öffnungszeiten 
Sommer: Do. bis Mo. 9 bis 22.30 Uhr
Winter: Mo. bis Fr. ab 15 Uhr
Sa. und So. ab 9 Uhr

Konzept 
Tradition pflegen, Neues bewegen mit gutbürgerlicher, regionaler Küche und modernem Kick.


Restaurant Werkhof in Bern

Öffnungszeiten 
Mittag: Di. bis Fr. 11.30 bis 14 Uhr
Abend: Do., Fr. und Sa. 15.30/16.00 bis 23.30 Uhr

Konzept 
Mittag: täglich wechselnde, frische und vollwertige Gerichte. Essen und Getränke werden in der offenen Küche abgeholt und vor Ort gegessen oder in Recycling-Geschirr mit ins Büro genommen. Abend: Drei- bis Fünfgang-menüs aus Schweizer Produkten. Hausgemacht und aufmerksam, aber anders serviert.