Ferien im eigenen Land – während der Corona-Pandemie ist die Schweiz zur Camping-Nation geworden. Der Trend hält an. Davon profitieren auch andere Parahotellerieformen.
Herr und Frau Schweizer haben das Campen für sich entdeckt: als sichere Art, Ferien zu machen und Erweiterung ihrer vier Wände. Diese waren in Zeiten von Homeoffice und Homeschooling manchmal zu eng geworden.
Die Campingsaisons Winter 19/20 und 20/21 lassen sich nicht objektiv vergleichen. Die coronabedingten Voraussetzungen waren dafür zu unterschiedlich. Der Lockdown sorgte für weniger Betriebstage; Social Distancing für begrenzte Gästezahlen. Zudem gab es 20/21 Plätze, die zum ersten Mal im Winter öffneten.
Oliver Grützner, Leiter Tourismus und Freizeit beim Touring Club Schweiz (TCS), bestätigte im Rahmen einer Zoom-Medienkonferenz aber, dass die Nachfrage und das Gästeaufkommen bei den Campingplätzen massiv gestiegen seien. Seriös verglichen werden können die Logiernächtezahlen des Monats April. Im Jahr 2021 lagen diese um sagenhafte 205 Prozent höher als noch im April 2019.
Insgesamt lief es 2020 für die TCS-Campingplätze gut. Trotz Lockdown konnten sie übers Jahr einen Logiernächtezuwachs von elf Prozent verbuchen. Für die Sommersaison 2021 verrät Oliver
Grützner: «Der Buchungsstand sieht sehr gut aus. Etliche Plätze sind bereits seit langem ausgebucht.» Ende Mai lag die Zahl der Online-Reservationen bereits 250 Prozent höher als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Das frühe Buchen ist für Oliver Grützner ein Indiz dafür, dass sich die Schweizer darauf einstellen, auch in diesem Sommer die Ferien im eigenen Land zu verbringen.
Gemäss der Vereinigung der Schweizer Auto-Importeure wurden im Corona-Jahr 26 Prozent mehr Camper verkauft als im Jahr 2019. Damit hat sich die Zahl der Wohnmobile in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Während die einen sich für ihre Campingferien extra eine fahrbare Unterkunft kaufen, nutzen die anderen die Möglichkeiten, sich ein Wohnmobil zu leihen oder auf den Campingplätzen exklusivere Schlafstätten zu mieten.
Bereits vor der Pandemie hatten Campingplatzbetreiber ein neues Zielpublikum anvisiert: naturverbundene, abenteuerlustige Menschen ohne Campingausrüstung. Für sie wurden Angebote geschaffen wie Blockhütten, Jurten, Ritter- oder Safarizelte, Tipis, Schlaffässer und Schlafröhren, Bau- und Zirkuswagen, Bubbles, Open-Air-Betten, Schwebezelte und Baumhäuser.
Das so genannte Glamping, eine Wortkreation aus Glamour und Camping, ist durch die Pandemie noch beliebter geworden. Auf diesen Hype reagieren mittlerweile auch Tourismusbüros und Hotels.
Thurgau Tourismus und Amden–Weesen Tourismus beispielsweise teilen sich ein stylish eingerichtetes Tiny House. Im Winter steht das kleine Haus mit den grossen Panoramafenstern auf einer Wiese in Amden/SG; im Sommer irgendwo im Kanton Thurgau. Dieses Jahr ist es auf dem Nollen, im Bezirk Weinfelden.
Ein besonderes Schlaferlebnis bietet das Hotel Vitznauerhof in Vitznau/LU seinen Gästen. Sie können im Hotelpark erstmals in zwei exklusiven Retro-Chic-Zelten übernachten. So erleben sie in gepflegter Umgebung die Natur und können gleichzeitig ihre Abenteuerlust ausleben, ohne auf die Annehmlichkeiten eines Viersternehotels zu verzichten. Auf Wunsch wird das von Jeroen Achtien und seiner Equipe zubereitete Zwei-Michelin-Sterne-Diner sogar im Zelt serviert.
Hoteldirektor Raphael Herzog freut sich: «Wir haben mit unserem Angebot den Nerv der Zeit getroffen.» Die PR-Wirkung und das Echo in den sozialen Medien auf die Retro-Chic-Zelte sei gigantisch. Die Fotos würden geteilt und gelikt wie verrückt. Auch die Zahl der eingegangenen Anfragen und getätigten Buchungen sei vielversprechend.
«Um unser Housekeeping zu entlasten, haben wir die Mindestaufenthaltsdauer in den Zelten auf zwei Nächte angesetzt», sagt Herzog. Aus dem gleichen Grund seien auch Check-in sowie Check-out für die Retro-Chic-Zelte später angesetzt als im Hotel. So können die Housekeeping-Mitarbeitenden zuerst ihre übliche Arbeit im Hotelgebäude beenden, bevor sie sich der neuen Zusatzaufgabe im Park widmen. Das Logieren im Retro-Chic-Zelt kostet zwischen 300 und 450 Franken pro Nacht.
Preisgünstiger als im Luxuszelt wohnt es sich in einer klassischen Ferienwohnung oder einer Kollektivunterkunft (Ferienheim, Jugendherberge, Vereinshaus). Im vergangenen Jahr musste die Parahotellerie ein Logiernächteminus von 31,5 Prozent hinnehmen. Für 2021 zeichnet sich jedoch eine deutliche Wende ins Positive ab. Die Reka-Feriendörfer und der Ferienwohnungsanbieter Interhome jedenfalls rechnen bereits mit einem Rekordjahr. Bei Reka beträgt das Buchungsplus 30 Prozent. Interhome verzeichnet sogar einen Anstieg der Buchungen um 85 Prozent.
Was die Individualbuchungen betrifft, sieht es auch bei den Schweizer Jugendherbergen nicht schlecht aus. Auch hier gleichen wie bei den Hotels, Campingplätzen und Ferienwohnungen inländische Gäste das Fehlen ausländischer Touristen etwas aus. Was hingegen weiterhin fehlt, sind Buchungen von Gruppen wie Klassen- und Konfirmandenlager, Vereinsausflüge, Sportteams sowie Seminar- und Workshopgruppen. Die Lücken, die durch deren Abwesenheit entstehen, werden sich auch im Sommer 2021 nicht durch Einzelgäste schliessen lassen.
Weil Campingplätze letztes Jahr oft ausgebucht waren, haben sich die Tourismusverantwortlichen in verschiedenen Regionen Alternativen überlegt. Bauern wurden gebeten, Land für Wildcamper zur Verfügung zu stellen. Hotels und Restaurants motivierte man, auf ihren Parkplätzen Stellplätze für Wohnmobile anzubieten. Und auf geeigneten Flächen wurden spontan Pop-up-Campingplätze erstellt. So auch in der Region Amden–Weesen im Kanton St. Gallen.
Die beiden Dörfer am westlichen Ende des Walensees wurden letzten Frühling von Wildcampern überrannt. Um dem Andrang Herr zu werden und Einnahmen durch Logiernachtbeiträge und Kurtaxen zu generieren, wurde auf einem Gemeindeparkplatz in Amden spontan ein Pop-up-Campingplatz erstellt. Waschcontainer und WC-Wagen inklusive.
Die Ad-hoc-Aktion kam bei den Gästen gut an. Nicht aber bei der Wohnbevölkerung. Deshalb wird es hier keinen Pop-up-Campingplatz mehr geben. Da es in Amden und Weesen nicht verboten ist, auf öffentlichen Parkplätzen im Wohnmobil zu schlafen, ist Thomas Exposito, Geschäftsführer von Amden und Weesen Tourismus, gespannt, wie sich das Thema Wildcamper diesen Sommer entwickeln wird. Auf die Logiernacht- und Kurtaxenbeiträge dieser Gäste will er nicht verzichten. «Seit Anfang Juni hängen wir Wildcampern einen Meldezettel an die Windschutzscheibe mit der freundlichen Bitte, die Tourismustaxen zu bezahlen.» Er sei selber etwas überrascht, aber bis jetzt seien die Reaktionen sehr positiv ausgefallen. «Die Gäste sind sehr verständnisvoll und unterstützend. Alle bezahlten die Taxen ohne zu murren.»
(Riccarda Frei)
Vom 26. Oktober bis 10. November beleuchtet das Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) der Fachhochschule Graubünden die Entwicklung des Zweit- und Ferienwohnungsmarkts sowie der Long-Stay-Angebote von Hotels.
Der Schlaf-Coach und Psychologe Sascha Maurer rät Menschen, die schlecht schlafen: «Gehen Sie campen.» Studien der Universität Colorado (USA) zeigen, dass naturnahe Urlaubsformen den Schlaf verbessern. Maurer erklärt: «Aktivität und Bewegung im Freien lasten körperlich aus. So baut sich tagsüber ein stärkerer Schlafdruck auf als im Alltag.» Zudem trägt die Freiheit, den Tag selbst zu gestalten, zur psychischen und körperlichen Gesundheit – und somit zum guten Schlaf – bei. Natürlich spielt auch die Qualität der Schlafstätte eine wichtige Rolle. «Auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren unheimlich viel getan», weiss Alexander Kastl. Er ist Geschäftsführer von Rent Easy, einer auf die Vermietung von Wohnmobilen spezialisierten Unternehmung. Die Matratzen in den maximal zwei Jahre alten Wohnmobilen sind durch einen speziellen Schaumstoff hoch und trotzdem leicht und gut durchlüftet.
www.rent-easy.de
Neben den allgemein gültigen Corona-Schutzmassnahmen gelten auf Schweizer Campingplätzen zusätzliche Verhaltensregeln. Hier die wichtigsten (Stand Mitte Juni 2021): Maskenpflicht an der Réception, in den Sanitäranlagen und Aufenthaltsräumen, wenn mehr als eine Person anwesend ist. Tagesgäste anmelden. Drei Meter Abstand zum Nachbarn auf nicht parzellierten Wiesen. Toilette und Dusche im eigenen Wohnwagen oder -mobil benutzen. Bei Krankheitssymptomen sofort nach Hause fahren. Bargeldlos bezahlen.
www.tcs.ch/camping