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Wie sich das Verständnis von Sicherheit verändert

Sicherheit ist mehr als das Einschreiten bei Gewalt. Im Club oder am Festival sollen sich alle wohlfühlen. Eine Berner Firma geht hier neue Wege.

Das Taktvoll-Team am Eurovision Song Contest: Mit mobilen Einsatzteams standen sie den Besuchenden zur Seite. (ZVG)

Vergangene Woche stand für das Team von Taktvoll ein ganz besonderer Auftrag an. Das Unternehmen stellte mobile Awareness-Teams rund um die Locations des ESC Eurovision Song Contests in Basel. «Wir waren Teil eines umfassenden Gewaltschutzkonzepts», erzählt Christoph Ris, Geschäftsleitungsmitglied. Die Teams waren Anlaufstellen für Menschen, die rund um die Show Gewalt oder Feindlichkeiten erlebten, sich bedrängt fühlten und nach einem sicheren Raum suchten oder einfach nur Informationen benötigten.

Betroffene im Fokus

«Für uns bedeutet Sicherheitsarbeit mehr als Einschreiten bei gewalttätigen Konflikten», erklärt Ris. Eine ganzheitliche Sicherheitskultur, wie sie das Unternehmen pflegt, stellt das Sicherheitsempfinden der verschiedenen Anspruchsgruppen ins Zentrum. «Das bedeutet, dass wir den Fokus nicht nur auf grenzverletzende, gewaltausübende Menschen richten, sondern auf tiefere Eskalationsstufen.» Dabei stehen zuerst die Betroffenen im Fokus. Was brauchen sie, damit ihr Sicherheitsgefühl wiederhergestellt ist?

Ganzheitliche Sicherheitskultur beginnt schon beim Einlass. «Wir merken, dass sich die Menschen eher an uns wenden, wenn wir ihnen von Anfang an auf Augenhöhe begegnen», sagt Christoph Ris. Die Gäste sollen sich durch das Auftreten des Sicherheitspersonals willkommen geheissen und nicht abgeschreckt fühlen. Dadurch, dass die Sicherheitskräfte auf Augenhöhe kommunizieren und jederzeit ansprechbar seien, können gewisse Konflikte von vornherein vermieden werden. «Oder wir erkennen Situationen früh genug, um sie entschärfen zu können.» Das Taktvoll-Team ist geschult, Stimmungen und Verfassungen von Menschen zu erkennen, um auf mögliche Krisen vorbereitet zu sein. Kommt es doch zur Eskalation, lautet die Devise, die handelnde Person mit so wenig Gewaltanwendung wie möglich zu kontrollieren. Deeskalation sei laut Christoph Ris stets das Ziel, doch der Eigenschutz des Teams gehe immer vor. «Manchmal müssen wir Grenzen ziehen und uns durchsetzen.»

Umfassende Schulungen

Bei Taktvoll arbeiten derzeit rund 80 Personen. Alle Mitarbeitenden absolvieren eine 20-stündige Basisausbildung. Diese umfasst unter anderem Rechtskunde, Methoden zur Deeskalation, zum Selbstschutz und zur Intervention sowie Erste Hilfe. Zudem bietet Taktvoll regelmässig Weiterbildungen an, je nach Einsatzstufe freiwillig oder obligatorisch. Dabei werden Themen wie antirassistische Sicherheitsarbeit oder Selbstfürsorge behandelt.

Zum Geschäftsmodell von Taktvoll gehören auch Schulungen für externe Betriebe. Diese sind laut Christoph Ris in der Branche gefragt: «Vor allem bei grösseren Lokalen in den Innenstädten mit einem ausgeprägten Aussenraum oder bei Festivals im öffentlichen Raum zeigt sich, dass es bei den bestehenden Nutzungskonflikten von Vorteil ist, wenn man mit Augenmass und Empathie versucht, Konflikte zu lösen – am besten, bevor sie entstehen.»

Im Getümmel der Feiernden kann es aber immer wieder zu Vorfällen kommen, die auch aufmerksamen Augen entgehen. So werden beispielsweise in unregelmässigen Abständen Fälle publik, bei denen nichts ahnenden Gästen K.o.-Tropfen in den Drink gemischt wurden. Hier hat sich über die Jahre ein Markt für Produkte entwickelt, mit denen Feiernde sich schützen können.

Test-Armband und Cupkondom

So gibt es Armbänder, die als Teststreifen dienen und bestimmte Wirkstoffe und Medikamente anzeigen – aber eben nur bestimmte, wie auch Kritiker anführen. Anfang Jahr machte in der Schweiz auch das Start-up Vibe Schlagzeilen mit seinen sogenannten Cupkondomen. Diese werden über das Glas gestülpt, sodass niemand unbemerkt etwas hineinschütten kann. Das Unternehmen arbeitet mit Zürcher Clubs wie dem «Mäx» und dem «Plaza» zusammen. Das ebenfalls junge Start-up Femety bietet den Getränkeschutz in einer wiederverwendbaren Variante aus Silikon an.


«Wir begegnen den Gästen von Anfang an auf Augenhöhe.»

Christoph Ris, Taktvoll


Neben der Symptombekämpfung müssen Probleme wie K.o.-Tropfen aber auch auf gesellschaftlicher Ebene angegangen werden. Die Präsidentin des deutschen Vereins «KO – Kein Opfer», der Betroffene unterstützt, kritisiert in einem Interview im Bayerischen Rundfunk, dass mit solchen Massnahmen potenzielle Opfer die Verantwortung übernehmen müssen und nicht die Täter. Der Verein setzt auf Prävention durch Öffentlichkeitsarbeit und Workshops an Schulen.

Prävention ist auch für Taktvoll einer der wichtigsten Pfeiler: «Wir wollen Verständnis dafür schaffen, dass die Menschen sich bewusst sind, welche Signale sie mit ihrem Verhalten aussenden – und ihr Verhalten hinterfragen», sagt Christoph Ris. «So können wir für alle eine möglichst angenehme und sichere Atmosphäre schaffen.»

(Alice Guldimann)


Mehr Informationen unter: 

takt-voll.ch