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Auf den Geschmack gekommen

Spezialitätenkaffee gewinnt in der Schweiz vermehrt an Bedeutung. Mit ihm kommt auch der klassische Filterkaffee wieder ins Blickfeld. Dieser stellt die geschmackliche Vielfalt und Eigenheit der Kaffeesorten ins Zentrum und hat wenig mit dem verstaubten Image zu tun.

  • Filterkaffee ist im Vergleich zum Espresso deutlich transparenter in der Tasse. Seine Konsistenz ist weniger viskos, und weil er ohne oder nur mit wenig Druck zubereitet wird, weist er auch keine Crema auf. (ZVG)



  • Fabian Schmid war vor der Eröffnung von Drip Roasters als Fotograf und Videograf tätig. Durch ein Filmprojekt kam er zum Kaffee. (ZVG)
  • Christian Forrer eröffnete 2014 die erste Vicafe Espresso Bar. (ZVG)
  • So gelingt der Filterkaffee. (Illustration Sonia Burri)

Kaffee ist in der Schweiz ein Grundnahrungsmittel. Rund 1000 Tassen trinkt ein Schweizer durchschnittlich im Jahr. Damit platziert sich die Schweiz, was den Kaffeekonsum betrifft, regelmässig in den top drei Nationen weltweit. Und ob beim Cappuccino zum Frühstück, beim Café Crème in der Pause oder beim Espresso nach dem Abendessen: Die Schweizerinnen und Schweizer setzen vermehrt auf Qualität.

Der Verkauf hochwertiger Kaffeemaschinen boomte während der Coronazeit, die Zahl der Röstereien und Cafés, die Spezialitätenkaffee anbieten, wächst. Diese Entwicklung bietet für die Kaffee-Branche auch die Chance, in Vergessenheit geratene Zubereitungsarten wieder aufs Tapet zu bringen. Und genau das wollen Fabian und Dennys Schmid tun. Die beiden Brüder haben es sich zum Ziel gesetzt, Filterkaffee von seinem verstaubten Image zu befreien und ihn wieder unter die Leute zu bringen.

«Kaffeepreise sind meistens viel zu niedrig.»

Fabian Schmid, Inhaber Drip Roasters, Bern

2018 haben die Quereinsteiger die Rösterei Drip Roasters gegründet, seit drei Jahren führen sie zudem ein Café am Eigerplatz in Bern. «Viele kennen Filterkaffee entweder noch von den Grosseltern oder von einer Amerikareise», sagt Fabian Schmid. «Der schmeckt oft bitter und verbrannt und fördert das schlechte Image.» Im Drip Roasters Café will er das Bild von der nur schwer geniessbaren Brühe zurechtrücken. «Ich freue mich immer, wenn jemand probiert und feststellt, dass Filterkaffee auch ganz anders sein kann.»

Die Drip-Roasters-Gründer haben mit ihrer Mission erste Erfolge. Nach der Eröffnung erhielten sie vielleicht vier Filterkaffee-Bestellungen pro Woche, heute sind es täglich mehr. «Viele Leute entdecken gerade Spezialitätenkaffees für sich, das spürt man», bemerkt Fabian Schmid. «Als wir starteten, gehörten wir in Bern mit Spezialitätenkaffees zu den Ersten. Heute gibt es schon deutlich mehr Anbieter.»

Gesucht: die perfekte Balance aus Säure, Süsse und Aromen

Die Zubereitung von schmackhaftem Filterkaffee erfordert Geduld, Präzision und einen geschulten Gaumen. «Die hellen Filter-Röstungen müssen feiner gemahlen werden. Wenn man feiner mahlt, machen kleine Unterschiede mehr aus im Geschmack.» Regelmässige Tests der Kaffee-Qualität sind im Barista-Alltag deshalb Pflicht. Als Lohn für den Aufwand kommen im Filterkaffee vielfältige, fruchtige und blumige Aromen zum Vorschein, die es zu entdecken gilt. Von der Schwere und Konsistenz ähnelt er eher einem Tee als einem klassischen Espresso. Die individuellen Qualitäten des Kaffees stehen im Vordergrund und können so stärker herausgearbeitet werden.

Geübte Filterkaffee-Geniesser schätzen die Säure, die der hell geröstete Kaffee mit sich bringt. «Ausbalanciert mit Süsse und spannenden Aromen kann das etwas sehr Feines sein», erklärt Fabian Schmid. Für Einsteiger empfiehlt er einen Kaffee, der weniger Säure und mehr Schokolade-, Nuss- und Caramelnoten hat.

Fair-Trade-Preis als Minimum

Fabian und Dennys Schmid bieten in ihrer Rösterei insgesamt rund 25 Kaffeesorten an, die jeweils saisonal verfügbar sind, je nach Erntezeitpunkt im Herkunftsland. «Wir arbeiten mit vergleichsweise sehr kleinen Mengen und rösten in Chargen von drei bis fünf Kilo», erklärt Fabian Schmid. Jährlich kommen bei Drip Roasters so dreieinhalb bis vier Tonnen zusammen.

Mit einer neuen Sorte experimentieren die beiden Brüder gerne lange, bis sie die perfekte Röstung gefunden haben, welche die Eigenschaften und Geschmäcke der Bohne zum Glänzen bringt. «Wir rösten all unseren Kaffee hell», so Schmid weiter. «Sowohl unsere Filterkaffee- als auch unsere Espresso-Röstungen sind deshalb meist für beide Zubereitungsarten geeignet.»

Für ihr Produkt setzen die Rösterei-Betreiber nur auf den qualitativ besten Kaffee. Dafür sind sie bereit, Preise deutlich über dem Börsen- und dem Fair-Trade-Preis zu bezahlen. «Kolonialgeschichtlich ist es leider beim Kaffee so, dass der Preis von den Käufern, nicht von den Verkäufern gesetzt wird», sagt Fabian Schmid. Doch auch der Fair-Trade-Preis sei oft zu niedrig, so dass viele Produzenten nicht mehr vom Kaffee-Anbau leben könnten. «Wenn wir einen Kaffee kaufen wollen, bezahlen wir den verlangten Preis – wie unsere Gäste den Preis bezahlen, den wir für einen Cappuccino verlangen.» Im Online-Shop machen Drip Roasters transparent, wie viel sie für den Kaffee bezahlt haben und wie gross der Unterschied zum Fair-Trade-Preis ist. Oftmals ist es ein Mehrfaches.

Um mit dem Spezialitätenkaffee richtig umzugehen und das Beste aus dem Produkt herauszuholen, braucht es erfahrene Barista, die nicht nur das Handwerk beherrschen, sondern auch geschmacklich geschult sind. Diese zu finden, ist laut Fabian Schmid keine einfache Aufgabe. In der Rösterei und im Café von Drip Roasters arbeiten neben den Brüdern fünf weitere Mitarbeitende, diesen Frühling mussten die Gründer zwei Stellen neu besetzen. «Die Schweizer Spezialitätenkaffee-Szene ist noch relativ klein», erklärt er. «Zudem können wir nicht einfach Fachkräfte aus dem Ausland einstellen, weil uns eine Verständigung der Mitarbeitenden auf Deutsch wichtig ist.»

Dazu komme, dass die finanziellen Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten für viele nicht interessant seien. «Für den Barista-Beruf braucht es auf jeden Fall Leidenschaft und grosses Interesse für Kaffee.»

(Alice Guldimann)


Spezialitätenkaffee

Der Begriff Specialty Coffee wurde Ende der 70er-Jahre erstmals verwendet. Die Specialty Coffee Association, eine weltweit tätige Nonprofit-Organisation von Kaffee-Spezialisten, hat ein System entwickelt, um den Rohkaffee zu bewerten. Beim Testpro­zess, dem Cupping, vergeben geschulte Kaffee-Experten, so genann­te Q-Grader, dem Kaffee Punkte in verschiedenen Bewertungskategorien wie Ge­-schmack, Säure, Körper oder Einheitlichkeit. Erhält ein Kaffee mindestens 80 Punk­te, handelt es sich um Spezia­litätenkaffee. Kaffees, die über 90 Punkte erhalten, werden als «Outstanding» kategorisiert und gelten als absolute Raritäten.

driproasters.ch


«Qualitativ hochwertiger Kaffee wird immer selbstverständlicher»

Der Schweizer Kaffee-Unternehmer Christian Forrer will mit Vicafe die Schweizer Kaffeekultur mitprägen. So erlebt er die aktuelle Entwicklung des Kaffeekonsums.

Christian Forrer, die Schweizer Szene für Spezialitätenkaffee wächst, kleine Cafés und Röstereien etab­lieren sich insbesondere in den Städten. Wird Spezialitätenkaffee vermehrt zum Mainstream?
Mainstream würde ich es nicht nennen – was die Konsumentinnen und Konsumenten aber deutlich wahrnehmen, ist, dass die Kaffeequalität kontinuierlich steigt. So wird Spezialitätenkaffee auch für mehr Menschen zugänglich.

Sind die Konsumenten heut­zutage auch bereit, einen höheren Preis für guten Kaffee zu bezahlen?
In der Schweiz sind in den letzten zehn Jahren diverse Spezialitätenkaffees und Spezialitätenkaffeeketten entstanden, die ihren Kaffee den Kundinnen und Kunden zu tendenziell höheren Preisen anbieten. Parallel dazu steigt der Konsum von qualitativ hochwertigem Kaffee enorm – ein Beweis dafür, dass die Bereitschaft steigt, für mehr Qualität auch mehr zu bezahlen.

Wie steht es um die Kaffeequalität in der klassischen Gastronomie?
Wir würden uns wünschen, dass sich noch mehr Betriebe für qualitativ hochwertigen Kaffee begeistern lassen. Unser Eindruck ist, dass auf dem Gebiet noch einiges an Potenzial da ist.

Was müssen Gastronominnen und Gastronomen dem heuti­gen, kaffeeinteressierten Publikum bieten?
Das kaffeeinteressierte Publikum ist informiert und erwartet das volle Erlebnis. Es ist daher ratsam, ein Augenmerk auf die Kaffeequalität und insbesondere auf die Zubereitung des Kaffees zu legen.

«Das heutige Publikum ist informiert und erwartet das volle Kaffee-Erlebnis.»

Christian Forrer, Gründer und Inhaber Vicafe

Haben klassische Brühmethoden wie Filterkaffee eine Chance in der Schweizer Gastronomie, oder werden sie in den Nischen der spezialisierten Cafés bleiben?
In Nischen, behaupte ich, hat der Filterkaffee eine Chance. In der Breite glaube ich das allerdings nicht. Gerade Filterkaffee ist für viele Konsumentinnen noch ein zu spezielles Geschmackserlebnis.

Wie hat sich die Art des Kaffeekonsums in den letzten Jahren verändert? Wird Kaffee wieder vermehrt zum Genussmittel, statt einfach als Wachmacher zu dienen?
Absolut! Wir stellen fest, dass die Konsumentinnen und Konsumenten stärker sensibilisiert sind für die Kaffeequalität. Auch das Interesse an Informationen über die Herkunft und die Verarbeitung des Kaffees steigt – das ist eine schöne Entwicklung, die mich persönlich sehr freut.

Wird sich diese Entwicklung künftig noch verstärken oder handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen?
Ich bin überzeugt, dass der Trend und die Nachfrage nach Qualität noch mehr zunehmen und qualitativ hochwertiger Kaffee selbstverständlicher wird. Das wird bestimmt auch die Gastronomie fordern.

Wie können sich interessierte Mitarbeitende aus der Branche weiterbilden?
Kaffeespezialistinnen und Kaffeespezialisten sind in der Regel offen für Anfragen dieser Art und beraten und unterstützen ihre Kolleginnen und Kollegen sehr gerne.

(Interview Alice Guldimann)


Zur Person

Christian Forrer ist Gründer und Inhaber von Vivi Kola und Vicafe. Zu Vicafe gehören eine Spezi­alitätenkaffeerösterei sowie mehrere Espresso-Bars, die lokal gerösteten Kaffee to go anbieten. Vor seiner Zeit als Unternehmer hat der gelernte Grafiker bei verschiedenen Werbeagenturen gearbeitet. 2014 gründete er gemeinsam mit seinem Partner und zwei Kollegen die erste Vicafe Espresso Bar mit Standort am Goldbrunnenplatz in der Stadt Zürich. Vicafe gehört der Swiss Specialty Coffee Association an.

vicafe.ch


So gelingt der Filterkaffee

1. Wasser

Etwa sieben Deziliter Wasser im Wasserkocher oder in der Pfanne erhitzen, angestrebt ist eine Temperatur von 95 Grad Celsius. Gefiltertes Wasser ist meist die bessere Wahl. Je weicher das Wasser, desto mehr Geschmack kann es aufnehmen. Das gilt zumindest bis zu einem gewissen Grad – irgendwann wird es auch zu weich.

2. Kaffee

15 Gramm hell bis mittel gerösteten Spezialitäten-Kaffee abwiegen und in der Mühle einen eher groben Mahlgrad einstellen – deutlich gröber als für die Zubereitung mit einer Siebträgermaschine oder mit der Bialetti-Kanne, jedoch feiner als für eine French Press. Der gemahlene Kaffee sollte ungefähr so grobkörnig sein wie weisser Zucker.

3. Filter

Den Filterhalter auf die Kanne oder Tasse stellen, den Papier­filter auffalten und hineingeben, so dass sich die Spitze unten in der Mitte befindet. Den Papierfilter mit etwa drei Dezilitern des heissen Wassers mit langsamen, kreisenden Bewegungen ben­etzen. Kurz abtropfen lassen und dann das Wasser aus der Kanne weggiessen.

4. Bloom

Die Kanne mit dem Filterhalter auf einer Waage platzieren, den Kaffee in den Filter geben und diesen durch leichtes Schütteln verteilen. Nicht andrücken. Die Waage tarieren, eine Stoppuhr starten und 50 Gramm Wasser langsam und kreisend auf den Kaffee giessen. Den Filterhalter kurz leicht schwenken, damit der ganze Kaffee nass wird.

5. Brühen

Nach 30 Sekunden weitere 100 Gramm Wasser in kreisenden Bewegungen aufgiessen. Diesen Schritt nach 1,5 Minuten wiederholen bis zu einer Gesamtmenge von 250 Gramm. Den Filterhalter leicht schwenken und das Wasser fertig durch den Filter laufen lassen. Die Zeit stoppen, sobald kein Wasser mehr im Filterhalter ist.

Tipps

  • Ist die Extraktionszeit deutlich kürzer als zweieinhalb bis drei Minuten, empfiehlt sich ein feinerer Mahlgrad. Dauert es deutlich länger, sollte ein grö­ber­er Mahlgrad eingestellt werden.
  • Destilliertes oder destillatglei­ches Wasser ist für Filterkaffee nicht zu empfehlen, es resultiert in geschmacklich äusserst «flachem» Kaffee.