Mediadaten Données Media Olympiade der Köche

«Mut lohnt sich»

Fleischfachmann Raffael Jenzer hat dank seiner Berufsmatura-Arbeit einen Verkaufshit generiert, der medial zwei Millionen Menschen erreichte.

Die «Pasteten reloaded» kommen bei den Kunden der Jenzers gut an. (ZVG)

Hotellerie Gastronomie Zeitung: Ihre Berufsmaturitätsarbeit mit dem werbetechnisch cleveren Namen «Abfallpastete» hat Ihnen 2017 den Kommunikationspreis des Schweizer Fleisch-Fachverbands SFF gesichert. Womit hat Ihre Arbeit überzeugt? 
Raffael Jenzer: Ich wollte eine mundende und sinnvolle Spezialität kreieren, die aus verschmähten Fleischstücken der Legehennen bestand. Es ging mir dabei um die Reduktion von Lebensmittelabfällen und um die Verwertung des ganzen Tieres. Aus meiner «Abfallpastete», wie ich sie nannte, wurde die «Pastete Coq-au-Vin» – ein Verkaufshit bei Jenzer Fleisch & Feinkost. 

Woher kommt Ihre Motivation, etwas bewegen zu wollen?
Ich wollte ein innovatives Produkt herstellen und nicht einfach nur eine Arbeit ohne Ergebnis schreiben. Mit dem Thema Food Waste gingen wir erst an die Medien, als wir das Produkt bereits verkauft hatten. Es war mein Vater, der das Potenzial der Geschichte erkannte. Als dann noch das Radio SRF vor der Tür stand und über meine Idee berichtete, waren wir alle echt stolz. Der Erfolg war eher zufällig und entwickelte sich dank medialer Aufmerksamkeit zum Selbstläufer.

Verraten Sie die Zutaten Ihrer Erfolgspastete? 
Für die Farce verwenden wir Schenkelfleisch, Pouletleber und knusprige Poulethaut und veredeln das Ganze mit Weisswein, Äpfeln, Kräutern und Gewürzen. Die Knochen geben wir an Restaurants weiter, die sie für ihre Suppenfonds verwenden. Wir vermeiden Food Waste, wo immer es geht, weshalb wir auch die Teigresten der Pastete dank entsprechender Hilfsmittel wiederverwenden. So vermeiden wir jährlich 9000 Kilogramm Teigabfall.

Woher kommt Ihr Sinn für lohnendes Business?
Wer in einem Familienunternehmen aufwächst, kriegt viel mit von den Eltern. Als Generationenbetrieb ist es unumgänglich, sich Neuem zu öffnen und sich nie auf dem Erfolg auszuruhen. 

Ohne Innovation funktioniert das Geschäft also nicht? 
In einer kriselnden Branche ist es essenziell, über den Tellerrand zu blicken. Unsere Kunden freuen sich, Altbewährtes zu geniessen, sind aber auch offen, Neues auszuprobieren. Unser Vorteil gegenüber Grossverteilern ist, dass wir schnell gegensteuern können, falls ein Produkt nicht ankommt. 

Wie stehen Sie zum Thema Nachhaltigkeit?
Beim Fleischkonsum ist mir nachhaltiges Handeln sehr wichtig. Wenn man schon Tiere schlachtet, muss man aus Respekt vor ihnen alles verwerten sowie alles über sie wissen. Woher kommt das Tier, was hat es gegessen, hat es ohne Antibiotika und Hormone gelebt, wurde es artgerecht gehalten und wie wurde es geschlachtet? Wer das nicht weiss, sollte keine Fleischprodukte verkaufen.

Sie arbeiten derzeit ausserhalb des elterlichen Betriebs. 
Ich möchte wissen, wie andere Unternehmen arbeiten und ihre Philosophie verstehen. Im Hinblick auf meine Berufs- und Meisterprüfung kann mir der Aussenblick nur dienlich sein.

Was raten Sie Lehrabgängern?
Das gleiche zu tun und in die Welt hinauszugehen, um Neues zu lernen. Denn Betriebsblindheit ist ein weiterer Faktor des Metzgerei-Sterbens. Nur wer offen ist, kann Grosses bewegen. 

Wo sehen Sie die Herausforderung im eigenen Geschäft?
Die Challenge liegt darin zu erkennen, was der Konsument der Zukunft isst. Wir ziehen in Betracht, vegetarische und «convenient» Produkte anzubieten.

Wie meistern Sie Konflikte innerhalb der Familie? 
Wir diskutieren alles aus. Das beste Beispiel war, als mein Vater vor 25 Jahren auf Tiere aus artgerechter Tierhaltung umstellen wollte. Anfänglich war der Grossvater dagegen. Nachdem sie aber gemeinsam verschiedene Ställe angeschaut hatten, kam die richtige Entscheidung von alleine.

Bleiben Sie Ihrem Beruf treu? 
Bestimmt! Sehr wahrscheinlich werde ich den elterlichen Betrieb übernehmen. Aktuell beschäftigt mich die Frage, welche Ausbildungen ich noch absolvieren kann, um der Aufgabe gewachsen zu sein.

(Interview Andrea Decker)


Zur Person

Raffael Jenzer hat im elterlichen Betrieb die Lehre zum Fleischfachmann mit Berufsmaturität gemacht. Aktuell arbeitet er im Biobetrieb Herrmannsdorfer Landwerkstätten in München, bevor er im Sommer die Betriebsleiter-Ausbildung startet. Die Eltern Barbara und Christoph Jenzer führen das Fleisch-Fachgeschäft in vierter Generation.